30 Jahre GP Ungarn

Vor 30 Jahren passierte das Unglaubliche. Die Formel 1 drehte erstmals in einem kommunistischen Land ihre Runden. Die Premiere des GP Ungarn war eine Sensation. 380.000 Menschen wollten sehen, was als unvereinbar galt. auto motor und sport war auch dabei. Wir blicken zurück!
Wir haben es erst geglaubt als wir dort waren. Lange hielten wir den GP Ungarn im Programm der Formel 1 für einen PR-Gag. Ein Jahr vor der Premiere gab es nur hochfliegende Pläne aber keine Rennstrecke. Bernie Ecclestone verhandelte mit Russland und Polen und landete schließlich in Ungarn, dem freizügigsten Staat des Warschauer Pakts.
Ab Oktober 1985 wurde innerhalb von nur 8 Monaten für umgerechnet 7 Millionen Euro im Örtchen Mogyorod 20 Kilometer außerhalb von Budapest eine 4.014 Meter lange Strecke mit 16 Kurven in eine hügelige Landschaft modelliert.
Noch immer herrschte Skepsis. Wie sollte es ein erzkapitalistischer Sport hinter den Eisernen Vorhang schaffen? Wer sollte das Startgeld für die 26 Autos und Fahrer bezahlen? Wer ein Formel 1-Rennen in einem Land organisieren, das zuletzt einen Grand Prix 1936 im Nepliget-Stadtpark von Budapest abhielt?
Und wer konnte sich Eintrittskarten zum Preis von 1.500 Forint, nach heutigem Kurs 40 Euro, leisten können? Und was tun mit all den Besuchern aus dem Westen, die die sozialistische Gesinnung der Bevölkerung unterwandern könnten? Viele Fragen, die auf wundersame Weise zu aller Zufriedenheit beantwortet wurden.
Die Ungarn zahlten eine Million Dollar an Bernie. Der drückte beide Augen zu. Es ging ihm um den Coup, den er gelandet hatte, und der seinem Zirkus weltweite Aufmerksamkeit garantierte. Die 140 Streckenposten mussten ein Hochschulstudium vorweisen und eine Fremdsprache sprechen.
Viele Besucher investierten ein Monatsgehalt, um das beste Wagenrennen seit Ben Hur live zu erleben. Auf den Ansturm der Besucher auf die Kneipen reagierte Budapest ganz kapitalistisch. Man verschob einfach die Sperrstunde.
380.000 Zuschauer bei F1-Premiere 1986 in Ungarn
Wer mit dem Auto nach Budapest reiste, bekam von Ecclestone einen Aufkleber, der einen für fünf Tage in den Diplomatenstatus hob. Man konnte an der Grenze in Hegyeshalom an den kilometerlangen Autoschlangen vorbei direkt zur Passkontrolle fahren. Der Großteil der Touristen bog nach rechts Richtung Plattensee ab. Unser Ziel lag geradeaus vor uns und hieß Budapest.
In der ungarischen Hauptstadt war ab Donnerstag der Teufel los. Die Teamhotels Forum und Atrium wurden von Fans belagert. Sie sammelten auf ihrem Beutezug körbeweise Kappen, T-Shirts und Autogramme ein.
Wer es ins Fahrerlager schaffte, war König. Bernie Ecclestones Enklave war damals noch durchlässig. Kneipen und Restaurants waren ausgebucht, die Fußgängerzone im Zentrum der Donau-Metropole so voll, dass es kaum ein Durchkommen gab. An 3 Tagen kamen 380.000 Zuschauer, davon allein 208.000 beim Rennen. 30.000 allein aus der DDR und der Tschechoslowakei.
Die DDR-Behörden wollten die Völkerwanderung Richtung Süden verhindern, indem sie das falsche Datum veröffentlichten und keine Karten im Vorverkauf anboten. Doch die Bürger waren besser informiert. Und gut organisiert. Sie tauschten ihr Jahreskontingent an Devisen (20 Tage à 30 Ostmark) in Forint um und pilgerten an die Donau.
Teilweise ging es in gepimpten Trabant und Wartburg auf die Reise, die Wohnwägen und Anhänger hinter sich herzogen. Sie wurden mit größeren Tanks ausgerüstet, um in einem Rutsch nach Budapest und zurück zu fahren.
Das Rennen wurde natürlich auch nicht im DDR-Fernsehen gezeigt. Die damalige Sowjetunion gab sich liberaler und entsandte einen TV-Reporter. Er hatte vorher noch nie ein Autorennen gesehen. Die in Scharen angereisten Zuschauer aus dem Arbeiter- und Bauernstaat dagegen wussten erstaunlich gut Bescheid. Sie adoptierten Zakspeed als ihr Lieblingsteam und Christian Danner als ihren Favoriten.
Ein Überholmanöver für die Ewigkeit
Die Menschenmassen auf den Hügeln rund um den 4,014 Kilometer langen Kurs waren ein unbeschreiblicher Anblick. Bei 32 Grad am Sonntag gingen schon am frühen Nachmittag die Getränke aus. Die Bauern aus dem Umland karrten tonnenweise Wassermelonen heran.
Die Zuschauer bekamen das Rennen, das sie verdienten. In einer Schlacht über 2 Stunden schweißtreibender Arbeit. Senna. itemprop="name" />Ayrton Senna./span> und Nelson Piquet lieferten sich ein Duell auf höchstem Niveau. Beide hatten schon das Training beherrscht. Erst führte Senna, dann Piquet, dann wieder Senna. Am Ende lag Piquet vorne.
Der Williams-Pilot hatte sich die Führung mit einem Überholmanöver erkämpft, das Geschichte schreiben sollte. Der erste Versuch in der 55. Runde ging schief. Piquet stach innen vorbei, war zu spät auf der Bremse, stand in der ersten 180 Grad-Kurve quer, und Senna wischte wieder durch.
Das zweite Manöver 2 Runden später war fast eine Doublette. Piquet griff diesmal außen an, der Williams driftete wie ein Rallyeauto, doch diesmal versperrte Piquet seinem Widersacher die Innenspur. Senna steckte zurück.
Nigel Mansell musste seine Hoffnung schon nach 3 Runden kleiner schrauben. Dann wiederholte sich das Problem von Hockenheim. Kein Grip an der Hinterachse. Schuld war die falsche Abstimmung des Differentials.
Piquet und dessen Renningenieur Frank Dernie hatten bei Testfahrten einen Trick gefunden und vor Mansell zwei Rennen lang verheimlicht. Der Engländer fuhr auf Platzsicherung. Er wurde Dritter, weil potenzielle Gegner ausfielen.
Alain Prost musste seinen 100. Grand Prix wegen einer leeren Batterie im Reservewagen antreten. Er brachte ihm auch kein Glück. Ein Wurm in der Elektronik zwang ihn an dritter Stelle liegend an die Box.
Prost kehrte noch einmal aussichtslos in das Rennen zurück und torpedierte dabei den Ligier von René Arnoux. Es war nicht der Tag von McLaren. Keke Rosberg lieferte seinen MP4-2C mit defekter Hinterradaufhängung an den Boxen ab.
Gerhard Berger stürmte vom 14. Platz auf Rang 4, dann streikte das Differential. Wenig Lohn für ein schmerzhaftes Sitzbad im Benzin. Ferrari musste sich mit den 3 Punkten von Stefan Johansson trösten.
In unserer Galerie haben wir die faszinierenden Bilder vom ersten F1 Rennen in Budapest vor 30 Jahren.