Red Bull auf der Strecke geschlagen

Die finanzielle Krise war auch 2015 noch längst nicht überwunden. Die beiden Paydriver Marcus Ericsson und Felipe Nasr sollen wenigstens für ein paar Einnahmen sorgen.
Am Samstag drohte Sauber noch das Aus. Einen Tag später stand der Schweizer Rennstall vom Totenbett auf und räumte 14 WM-Punkte ab. Nach 476 Tagen ohne zählbaren Erfolg gab Sauber ein deutliches Lebenszeichen von sich. Und Felipe Nasr verblüffte bei seinem Debüt sogar die Experten.
Das ist ein modernes PS-Märchen. Sauber sprang innerhalb von 24 Stunden aus dem Totenbett und schwang sich zum WM-Dritten der Konstrukteurswertung auf. Am Samstagmorgen drohte ein Gericht noch damit, die Autos zu beschlagnahmen und Teamchefin Monisha Kaltenborn ins Gegfängnis zu stecken. Dann erwirkte ein Vergleich mit Giedo van der Garde einen Aufschub. Der Holländer hatte zuvor bei einem Melbourner Gericht erfolgreich sein Anrecht auf einen Stammplatz eingeklagt. Ob er ihn auch bekommt, soll außergerichtlich in der Woche vor dem GP Malaysia geklärt werden.
Wenn van der Garde den GP Australien gesehen hat, dann wird sein Wunsch, einen Sauber zu fahren, wahrscheinlich noch stärker werden. Felipe Nasr und Marcus Ericsson kehrten aus dem ersten Rennen der Saison mit 14 WM-Punkten zurück. Es war der erste zählbare Erfolg für den Schweizer Rennstall seit dem GP Brasilien 2013. Damals wurde Nico Hülkenberg Achter.
Sauber schneller als Red Bull./strong>
Teambesitzer Peter Sauber versuchte nach dem Wunder von Melbourne auf dem Teppich zu bleiben. "Das Resultat ist fantastisch. Die Punkte muss man relativieren. Wir haben von ein paar prominenten Ausfällen profitiert." Der 71-jährige Schweizer lobt aber auch den Speed seines Autos und seiner Fahrer: "Nasr konnte Ricciardo aus eigener Kraft auf Distanz halten. Das ist immerhin ein Red Bull. Wir waren im Rennen auch schneller als ToroRosso und Force India. Es wäre jetzt interessant gewesen zu sehen, wo wir im Vergleich zu Lotus stehen."
Für seine Mannschaft hatte die Galionsfigur des Teams nur lobende Worte: "Ich war mit der ganzen Abwicklung hoch zufrieden. Sie war ruhig, präzise, fehlerfrei. Auch die Boxenstopps haben sehr gut geklappt." Nicht nur Nasr bekommt für seinen fünften Platz Applaus. "Auch Ericsson ist ein gutes Rennen gefahren. Er hatte in der Qualifikation Pech und musste von weit hinten starten. Bei ihm dauert es etwas länger, bis er Vertrauen ins Auto findet, vor allem in schnellen Kurven. Im Rennen hat er sich dann aber gesteigert und die Taktik gut umgesetzt."
Besser als die Brasilien-Weltmeister
Felipe Nasr ließ seine Landsleute jubeln. Es war das beste Debüt eines Brasilianers in der Geschichte der Formel 1. Platz 5 beim ersten Start haben nicht mal die Weltmeister Fittipaldi, Piquet und Senna geschafft. Teammanager Beat Zehnder hat Nasr schon seit vier Jahren im Auge. Er glaubt, dass in dem 22-jährigen Brasilianer mehr steckt, als es der dritte Platz in der letztjährigen GP2-Serie vermuten lässt. "Er ist für einen Südamerikaner extrem sachlich, konzentriert und gibt sich mit nichts zufrieden, ohne dabei schlechte Stimmung zu verbreiten."
Die Premiere bestätigte Zehnder in seiner Einschätzung: "Das war extrem cool, wie er Ricciardo kontrolliert hat. Wir haben ihm gesagt, dass er mit seinem zweiten Reifensatz 33 Runden lang haushalten muss. Er hat sich nicht nervös machen lassen, als Ricciardo zu ihm aufgeschlossen hat. Kaum war er dran, hat Nasr Gas gegeben und ist dem Ricciardo wieder davon gefahren." Teamchefin Monisha Kaltenborn lobte die Konstanz der Rundenzeiten. Dazu Zehnder: "Er hat in den 58 Runden nur einen Fehler gemacht. In der Runde hat Felipe acht Zehntel eingebüßt.“
Sicherheitsstopp für Ericsson
Das Rennen von Ericsson war hektischer. Der Schwede ging wegen des schlechten Startplatzes auf Medium-Reifen ins Rennen. Wegen der frühen SafetyCar-Phase holte ihn Sauber sofort an die Box. Um die harten Reifen loszuwerden, und weil Sergio Perez den Sauber-Piloten auf Geheiß der Rennleitung wieder vorbei lassen musste. Der Mexikaner hatte Ericsson in der SafetyCar-Phase überholt.
Im Schlussabschnitt entschied sich Sauber einen dritten Stopp einzulegen. "Wir haben am Temperaturverlauf der weichen Reifen gesehen, dass es hinten raus eng werden könnte. Weil Sainz 20 Sekunden hinter Marcus lag, haben wir einen Sicherheitsstopp eingelegt. Wir wollten das Risiko nicht eingehen, dass die Reifen in den letzten Runden einbrechen", erklärt Zehnder.
Auf das Kommando hin, dass er Attacke machen soll, unterlief Ericsson ein Schnitzer. Der Ausritt durchs Kiesbett kostete fünf Sekunden. Der Sauber-Pilot kehrte nach dem letzten Reifenwechsel elf Sekunden hinter Sainz ins Rennen zurück. Und machte den Fehler mit einer starken Aufholjagd wieder gut. Mit dem Vorteil weicher Reifen kämpfte er den Spanier vier Runden vor Schluss im Kampf um Platz 8 nieder.
Geld entscheidet über nächstes Upgrade
Auch der neue Sauber C34 bekam intern Applaus. "Unser Auto ist vor allem im Renntrim sehr gut. Die Balance bleibt jetzt auch mit abgefahrenen Reifen gleich. Im letzten Jahr ging entweder die Vorder- oder die Hinterachse weg", erzählt Zehnder. Peter Sauber blickt auf 2014 zurück: "Es war sicher nicht eines unserer guten Autos. Aber der Motor hat schon auch viel zu den Problemen beigetragen." So wie Sauber dem Auto seine Launen austrieb, hat über den Winter auch Ferrari mobil gemacht.
Um mit der Konkurrenz Schritt zu halten, muss Sauber bald nachlegen. Front- und Heckflügel stammen im wesentlichen noch aus dem Vorjahr. "Wir müssen jetzt schauen, was sich im Windkanal bewährt", sagt Sauber vorsichtig. "Wann bei uns etwas ans Auto kommt, ist auch eine Frage der Finanzen." Deshalb war die Erleichterung allen im Team im Rückblick auf die Ochsentour vor Gericht anzumerken. "Kein Mensch kann nachvollziehen, was Monisha und ich in den letzten Tagen durchgemacht haben. Das Ergebnis hier war eine unwahrscheinliche Erlösung."