Doppelsieg mit Zittern

Zweiter Doppelsieg für Mercedes in Russland. Doch einer mit Zittern. An Rosbergs Auto schlug die MGU-K Alarm, bei Hamilton der Wasserdruck. Das dicke Ende könnte aber erst noch kommen.
Nicht Ferrari. Nicht Williams. Erst recht nicht Red Bull. Mercedes hatte beim GP Russland nur einen Gegner. Ein unsichtbarer Defektteufel wohnt in den Autos. Beide schafften es trotzdem ins Ziel. Nico Rosberg feierte einen souveränen Start/Ziel-Sieg, doch nicht ohne Zittern. In der 20. Runde meldete ein Sensor alarmierend hohe Drehmomentspitzen. Mercedes vermutete einen Defekt in der MGU-K. "Für einen Moment dachten wir, das Rennen ist für Nico vorbei", erzählte Teamchef Toto Wolff hinterher.
Rosberg im Standardprogramm
Die Ingenieure empfahlen Rosberg mit Erlaubnis der FIA-Prüfer auf ein Standardprogramm umzuschalten. Danach lief der Mercedes V6-Turbo wieder im grünen Bereich. Viel dramatischer war das Problem im Auto mit der Startnummer 44. Der leidgeprüfte Lewis Hamilton wurde kurz nach seinem Boxenstopp in der 17. Runde den Befehl ins Cockpit gefunkt, Tempo aus seiner Fahrt zu nehmen und nicht mehr Windschatten zu fahren, um den Motor optimal zu kühlen. "Genau in dem Augenblick, als ich meinen Rückstand auf Nico von 13 auf 7 Sekunden verringert hatte", ärgerte sich der 31-jährige Engländer.
Die Ingenieuren sahen an den Telemetriedaten, dass der Wasserdruck rapide und stetig abfiel. Nach einer Weile stabilisierte sich die Anomalie, nur um dann wieder schlimmer zu werden. "Zwei Runden mehr, und Lewis wäre stehen geblieben", verriet Niki Lauda. Toto Wolff vermutete ein Wasserleck. "Es ist möglich, dass es beim Zusammenbau des Chassis mit dem alten Motor passiert ist, der nach dem Problem gestern wieder ins Auto kam." Und was war die Ursache des Problems, das Mercedes nun schon zwei Mal nervte? Wolff bedauerte: "Wir wissen es noch nicht mit Bestimmtheit. Es könnte aber eine Konsequenz des Schadens von China gewesen sein."
Lauda will nach Brixworth reisen
Nach dem erneuten Schaden an der MGU-H hatte Mercedes in einer Nacht- und Nebelaktion das neue Benzinsystem nach Sochi geflogen, um es an den Motor Nummer 1 zu schrauben. Zusammen mit neuen Einheiten vom Turbolader, der MGU-H, der Batterie und der entsprechenden Elektronikbox. Wolff verteidigte seine Crew: "Die Jungs haben über Nacht und heute morgen einen tollen Job gemacht, alles auszutauschen."
Für Hamilton kann das dicke Ende noch kommen. Sein Austauschmotor lief für 35 Runden in einem ungesunden Bereich. "Wir können nicht ausschließen, dass er dabei nicht eine Ohrfeige bekommen hat", warnte Wolff vor. Niki Lauda will am Dienstag persönlich nach England reisen, um den Motorproblemen auf den Grund zu gehen. "Ich mache mir Sorgen um die Standfestigkeit der Motoren, vertraue aber unseren Leuten, dass sie es lösen. Was der Mensch technisch bauen kann, muss er technisch auch erklären und standfest beherrschen können."
Hamilton verlor bei Boxenstopp 9 Zehntel
Wolff sieht die Häufung der Defekte bei Mercedes und Ferrari als die Folge des verschärften Wettbewerbs. "Wir gehen immer mehr ans Limit. Je länger die Regeln stabil sind, umso schwieriger ist es noch ein paar PS zu finden. Unser Motorchef Andy Cowell wird intern Mister Performance genannt. Er will einfach alles rausholen, was irgendwie möglich ist. In der Phase befinden wir uns gerade."
Der Teamchef erinnert daran, dass man trotz der Probleme einen überlegenen Doppelsieg herausgefahren hatte. Der drittplatzierte Kimi Räikkönen lag 31,998 Sekunden zurück. Selbst der angeschlagene Hamilton war außer Reichweite für Ferrari. Der Weltmeister musste sich erst vom zehnten Startplatz auf Rang 2 durchbeißen. Er tat dies mit einem guten Start, zwei spektakulären Überholmanövern gegen Räikkönen und Bottas und einer disziplinierten Fahrt, als die Probleme begannen. "Ich konnte an den Anzeigen nichts erkennen, musste machen, was mir meine Ingenieure vorgeschlagen haben."
Der verpatzte Boxenstopp fiel nicht weiter ins Gewicht. Hamilton verlor 9 Zehntel, weil er zu weit vorne und zu weit rechts parkte. So fiel er wieder hinter Bottas, den er aber schnell überholen konnte. Der Williams brauchte viel länger, die Soft-Reifen auf Temperatur zu bringen.
Wolff ärgern Verschwörungstheorien
Die Freude über die klare WM-Führung von Rosberg und Mercedes in den beiden Meisterschaften trübten zahlreiche Verschwörungstheorien in den sozialen Netzwerken. Da war spekuliert worden, dass Mercedes in diesem Jahr alle Karten auf Rosberg setzt. Deshalb auch der Tausch der Mechaniker-Crews über den Winter.
Wolff echauffierte sich über Leute, die ohne Hintergrundwissen von ihrem Sofa aus wilde Theorien in die Welt setzen. "Eigentlich sollte man sie ignorieren, doch sie verletzten unser Team. Wir würden nie einen unserer Fahrer im Stich lassen. Genauso wenig wie uns Lewis in den letzten Jahren im Stich gelassen hat. Er hat für uns zwei WM-Titel geholt. Es wäre absurd, wenn wir ihn absichtlich benachteiligen würden."