Bremgarten verliert den Rekord

Die Corona-Krise hat den Saisonstart in der Formel 1 weit nach hinten geschoben. So etwas gab es in der Königsklasse noch nie. Wir haben noch weitere kuriose Fakten und Statistiken gesammelt.
Das offizielle Programmheft des Grand Prix von Australien könnte einmal viel wert sein. Die Ausgabe fand bis zum Donnerstag an den Kassen des Albert Park nur wenige Abnehmer. Der große Publikumsansturm wurde erst für Freitag erwartet. Im Pressezentrum fanden nach der Absage die letzten verbliebenen Exemplare reißenden Absatz. Es werden wohl einmal begehrte Sammlerstücke sein.
In 20 oder 30 Jahren wird man sagen: Erinnerst du dich noch an den Grand Prix, den es nie gab? Es gab schon viele F1-Rennen, die abgesagt wurden, aber keiner mit einer Vorgeschichte wie dieser GP Australien. Noch nie bedrohte ein weltweit grassierendes Virus ein Formel 1-Rennen. Noch nie waren die Verantwortlichen einer Situation ausgeliefert, die jede Planung unmöglich macht.
Es sollte ein Jubiläum werden, doch der 25. Grand Prix in Melbourne seit 1996 fand nicht statt. Und keiner weiß, wann er stattfinden wird. In diesem Jahr wahrscheinlich nicht mehr. Zum ersten Mal in der Geschichte der Formel 1 waren alle Teilnehmer und alle Autos vor Ort und doch drehte sich kein Rad. Offiziell wurde die Veranstaltung zwei Stunden vor dem ersten Rennen abgesagt.
Monza nach Monaco-Absage mit längster GP-Serie
Monaco fiel dem Virus mittlerweile auch noch zum Opfer. Die Organisatoren haben in diesem Fall bereits bestätigt, dass es keinen Nachholtermin geben wird. Es ist seit 1954 das erste Mal sein, dass die Königsklasse nicht im Fürstentum zu Gast ist. Damit übernimmt Monza den Spitzenplatz der Rennstrecken mit den meisten GPs in Folge.
Der italienische Grand Prix fand nur ein einziges Mal im Jahr 1980 nicht im Autodromo statt sondern in Imola. Auf Rang zwei der Statistik schiebt sich der Hungaroring, der den ungarischen Grand Prix seit 1986 jedes Jahr beherbergt hat. Auf Position drei folgt Silverstone, wo die Formel 1 seit 1987 ein festes Zuhause gefunden hat.
Kurzfristig abgesagte Rennen gab es nicht viele in der Formel-1-Historie. So standen beim GP Belgien 1985 schon alle Autos in den Garagen. Anders als in Melbourne gab damals auch Action auf der Strecke. Die Fahrer trainierten, und es gab mit Michele Alboreto sogar einen Mann auf der Pole Position.
Um 19:45 Uhr am Samstag kam dann trotzdem noch die Absage. Der neu verlegte Asphalt auf der Strecke von Spa-Francorchamps brach immer wieder auf. Sämtliche Flickarbeiten erwiesen sich als stümperhaft. Die Piloten weigerten sich, aus Sicherheitsgründen zu fahren. Der damalige FIA-Präsident Jean-Marie Balestre unterstützte sie. So wie sich diesmal Jean Todt hinter die Mehrheit der Teams stellte, nicht zu fahren.
Absagen und Piratenrennen
Andere Absagen standen schon lange vorher fest. Da blieb der GP-Zirkus gleich ganz zu Hause. Meistens aus finanziellen Gründen. Aber nicht immer. Manchmal war es auch Höhere Gewalt. 1955 fielen die Grand Prix von Frankreich, Deutschland, Spanien und der Schweiz dem Le Mans-Unglück zum Opfer. Viele Regierungen setzten Motorsport spontan einmal auf die schwarze Liste. Nur die Schweiz blieb dabei.
Die Suez-Krise killte 1956 und 1957 wegen rasant gestiegener Ölpreise insgesamt fünf Rennen. Je zwei Mal den Grand Prix von Holland und Spanien, ein Mal den Grand Prix von Belgien. Argentinien fiel 1976 und 1982 wegen politischen Unruhen im Land zum Opfer. Das gleiche passierte 2011 in Bahrain, als der Arabische Frühling das kleine Königreich im Arabischen Golf erreichte. Straßenschlachten zwischen Rebellen und der Polizei waren ein so hohes Sicherheitsrisiko, dass sich sogar Bernie Ecclestone der Absage fügte.
Der GP Südafrika 1985 war bereits eine Farce. Mehrere Teams blieben dem Rennen wegen der Apartheit-Politik fern. Trotzdem wollte die FIA das Land am Kap auch 1986 auf den Kalender setzen. Am 9. März und am 26. Oktober. Beide wurde gestrichen. Der GP Kanada 1987 fiel einem Sponsorkonflikt zweier Brauereien zum Opfer.
Dann gab es natürlich noch die beiden Piratenrennen, denen der WM-Status abgesprochen wurde. 1980 teilte sich das Feld beim GP Spanien wegen grundsätzlicher Streitereien um das Reglement in zwei Parteien. Die Hersteller Ferrari, Renault und Alfa Romeo zogen sich zurück, die von Bernie Ecclestone angeführten Privatteams fuhren. Alan Jones gewann vor Jochen Mass und Elio de Angelis. Am Montag erklärte die FIA das Rennen in Jarama für illegal und erkannte den Fahrern die WM-Punkte ab.
1981 wollte die Ecclestone-Fraktion in Südafrika den WM-Auftakt durchpeitschen, um der FIA zu zeigen: Wir leben noch. Wieder ohne die Hersteller. Der Weltverband verweigerte auch diesem Grand Prix die Anerkennung. Carlos Reutemann siegte, bekam aber keinen Niederschlag dafür in der Formel-1-Statistik.
Die Schweiz eröffnete am 27. Mai
Die Absage der ersten sieben Rennen wirft viele Fragen auf. Wann geht es weiter? Wie geht es weiter, und wo endet es? Gibt es überhaupt Rennen? Wo findet der neue Saisonauftakt statt? Gab es jemals schon so eine lange Pause zwischen zwei Rennen?
Rollen wir das ganze Mal von vorne auf. Der späteste Startschuss in eine GP-Saison fiel auf 1951. Da eröffnete der GP Schweiz auf dem Bremgartenring am 27. Mai die Saison. Selbst wenn die WM diesmal zum frühest möglichen Zeitpunkt am 7. Juni in Baku beginnen sollte, wäre das schon ein neuer Rekord. Einige Pessimisten befürchten aber bereits, dass es noch später losgeht.
Um die ausgefallenen Rennen nachzuholen, könnte die Saison bis in den Dezember verlängert werden. Doch da ist der Rekord praktisch nicht zu schlagen. Das späteste Finale der GP-Geschichte fand am 29. Dezember 1962 im südafrikanischen East London statt. Dabei wurde auch noch das Titelduell zwischen Graham Hill und Jim Clark entschieden. Zugunsten von Hill im B.R.M.
Eine völlig neue Variante wäre, wenn die Saison bis ins Jahr 2021 reichen würde. Noch nie gab es ein saisonübergreifendes Formel-1-Jahr. Es gab aber drei saisonübergreifende Rennen. 1965, 1967 und 1968 fand das Training zum GP Südafrika jeweils an den letzten Dezembertagen statt, das Rennen dann am Neujahrstag (1965, 1968) oder am 2. Januar (1967).
Zandvoort als Eröffnungsrennen?
Die längste Pause zwischen zwei Rennen dauerte acht Monate und 24 Tage. Das war zwischen dem GP Italien 1950 und dem GP Schweiz 1951. Um das zu schlagen, dürfte die GP-Saison 2020 erst am 24. August in Spa-Francorchamps losgehen. Dann hätte die Pause seit dem 2019er Finale in Abu Dhabi acht Monate und 27 Tage betragen.
Das längste Intervall zwischen zwei Grand Prix innerhalb einer Saison betrug vier Monate und 29 Tage. So lange ruhten die Motoren zwischen dem GP Südafrika und dem GP Monaco 1967. In Australien fand zwar kein Rennen statt, aber man zeigte wenigstens guten Willen. Um 1967 zu schlagen dürften vom Renndatum in Melbourne gerechnet ebenfalls vor dem GP Belgien kein Rennen stattfinden.
Die Pessimisten unken bereits, dass die mit 22 Rennen geplante längste Saison aller Zeiten vielleicht die kürzeste wird. Wer sich für sein persönliches Quiz am Stammtisch vorbereiten will, hier ein kleiner Tipp: 1950 und 1955 gab es jeweils nur sieben Rennen. Die 500 Meilen von Indianapolis inklusive. 1950 dauerte die Saison nur 113 Tage. 1955 waren es immer 238 Tage.
Eigentlich sollten in der Saison 2020 einige Rekorde fallen – meiste Titel (Hamilton), jüngster Weltmeister (Verstappen/Leclerc) oder meiste Rennen (Räikkönen). Sind diese Bestwerte in Gefahr? In den Crazy Stats in der Galerie verraten wir Ihnen, wie sich die aktuelle Corona-Krise auf die Rekordjäger auswirkt.