Fall Stepney

Im Fall des der Sabotage verdächtigten und mittlerweile entlassenen Ferrari-Mitarbeiters Nigel Stepney tauchen immer neue Details auf. McLaren hatte am Dienstag (3.7.) bekanntgegeben, dass einer ihrer leitenden Ingenieure Ende April ein Paket mit technischen Informationen von Ferrari erhalten habe.
Inzwischen ist bekannt, dass es sich beim Übergeber des Pakets um Nigel Stepney und beim Empfänger um Mike Coughlan gehandelt haben soll. Das Dossier mit den brisanten Informationen ist jedoch wesentlich umfangreicher als gedacht. Die kopierten schriftlichen Aufzeichnungen sind mehr als 500 Seiten stark. Es handelt sich dabei nicht nur um Konstruktionszeichnungen und Daten des aktuellen Ferrari F2007, sondern auch um geheime Details zu internen Strukturen und Arbeitsabläufen in Maranello. Darin sollen auch Informationen über wichtige Ingenieure, Daten über die Fahrzeugabstimmung, Rennstrategie, die Vorbereitung der Autos, Entwicklungspläne für die Zukunft, Standards der Qualitätskontrolle und Testergebnisse enthalten sein.
Offen bleibt, ob Mike Coughlan die brisante Ware nur für sich genutzt hat, oder ob er das gesammelte Wissen in der Firma weitergeleitet hat. In Italien werden deshalb bereits Stimmen laut, McLaren habe davon profitiert. Man bringt das in Zusammenhang mit dem Übergabezeitpunkt Ende April. Einen Monat später begann die Siegesserie der McLaren-Mercedes. Die Schlussfolgerung hat jedoch mehrere Haken. Technische Details lassen sich bei der extremen Technik moderner Formel 1-Autos nicht übertragen, erst recht nicht wenn zwei Autos vom Konzept her so grundverschieden sind wie der McLaren MP4-22 und der Ferrari F2007.
Kaum Nutzen für McLaren
Bei der Aerodynamik wird heute im Millimeterbereich gefeilt. Große Unterschiede, die mit freiem Auge erkennbar sind, sehen die Ingenieure spätestens in der Startaufstellung. Da gibt es keine Geheimnisse. Gleiches gilt für das Fahrwerk. Ein McLaren mit der Ferrari-Vorderachse würde gar nicht funktionieren. Umgekehrt auch nicht. Auf dem Gebiet der Elektronik liegt der Fall anders. Die Software für die Traktionskontrolle oder Startprogramm könnte einem Mitbewerber schon helfen. Nur hätte in dem Fall Ferrari eher von McLaren profitieren können als umgekehrt. Bis zum GP Frankreich am letzten Wochenende hatten die Silberpfeile durchweg die besseren Starts. Ferrari hat jetzt erstnachgezogen.
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Fremde Arbeitsabläufe und Prozesse wie die Qualitätskontrolle in das eigene System zu integrieren, dauert Monate. Außerdem ist McLaren auch da gut aufgestellt. Das in seiner Hierarchie breit gefächerte Matrixsystem im McLaren-Technikbüro wurde von der Großindustrie bereits 2004 abgekupfert. In der Qualitätskontrolle haben die Techniker in Woking schon im Winter die Zügel straffer angezogen. McLaren-Mercedes ist das einzige Team, das noch keinen Ausfall zu beklagen hat.
Fairness aus Prinzip
Auch bei der Abstimmung der Fahrzeuge gibt es nur wenige Gemeinsamkeiten. Es mag für McLaren interessant sein, die Gewichtsverteilung des Ferrari zu kennen und zu erfahren, wie die aerodynamische Balance getrimmt wird. Doch keine dieser Informationen würde beim Set-up der eigenen Autos helfen. Radstand, Gewichtsverteilung und Aero-Balance sind so konträr, dass eine Übernahme von Ferrari-Einstellungswerten eher kontraproduktiv wäre. Dazu kommt der Stolz der englischen "Formel 1-Fossilien". McLaren-Teamchef Ron Dennis würde aus Prinzip nichts von Ferrari übernehmen. Das Team aus Maranello ist im wahrsten Sinne des Wortes ein rotes Tuch für ihn.
In einer ersten Stellungnahme zu den neuen Erkenntnissen hat McLaren erneut entschieden zurückgewiesen, von den 500 Seiten Ferrari-Interna profitiert zu haben. Bei einer internen Untersuchung wurde festgestellt, dass die Informationen nicht an Teammitglieder weitergeleitet wurden und somit auch nicht in die Entwicklung des Autos eingeflossen sind. Um alle Vorwürfe aus der Welt zu räumen, hat McLaren die FIA sogar offiziell eingeladen, die Rennwagen genau zu untersuchen.