Nur an einem Tag in Form
Renault durfte zwei Mal jubeln. Mit Daniel Ricciardo am Samstag und mit Esteban Ocon am Sonntag. Gemessen an den Hoffnungen war ein achter Platz enttäuschend. Die Fahrer und ihre Autos präsentierten sich jeweils nur einem Tag in Form.
Die 20 Punkte am ersten Silverstone-Wochenende machten Lust auf mehr. Vor allem nach diesem Trainingsergebnis. Daniel Ricciardo stellte seinen Renault auf den fünften Startplatz. "Aus eigener Kraft", wie Teamchef Cyril Abiteboul jubelte. Endlich hatte sich der französische Werksrennstall die Basis geschaffen, die an den ersten vier GP-Wochenenden noch fehlte. Im Rennen waren die gelbschwarzen Autos immer schneller als auf eine Runde. "Wenn wir es schaffen, uns am Samstag weiter vorne zu platzieren, haben wir am Sonntag eine einfachere Aufgabe", hatten Daniel Ricciardo und Esteban Ocon immer gefordert.
Doch diesmal kehrte sich die vermeintlich einfachere Aufgabe für Ricciardo ins Gegenteil. Der Australier landete nach drei Boxenstopps und einem Dreher im Zweikampf mit Carlos Sainz außerhalb der Punkteränge auf Platz 14. Bis zum ersten Boxenstopp lief noch alles nach Plan. Ricciardo lag auf Platz 6 in Schlagdistanz zu den beiden Racing Point.
Ricciardos "Vettel-Moment"
Doch auf dem gebrauchten Satz Medium im zweiten Stint verlor der siebenfache GP-Sieger seine Konkurrenten aus den Augen. Als der Rückstand zu Lance Stroll auf 4,5 Sekunden angewachsen war, holte Renault sein heißes Eisen nach nur 12 Runden zum zweiten Stopp an die Box. Der als eiserne Reserve gehaltene Satz frischer harter Reifen hätte nun bis zum Ende halten sollen.
Dann passierte Ricciardo etwas, das er nach dem Rennen als "Vettel-Moment" bezeichnete. Er dreht sich, als er Seite an Seite mit Sainz durch die erste Kurve fuhr. Wie Sebastian Vettel musste er innen auf den Randstein ausweichen. Dazu lagen mit Ocon und Kvyat noch zwei Autos vor seinen Augen. "In solchen Momenten kannst du leicht den Abtrieb verlieren, weil dir das andere Auto die Strömung ausblendet und die Autos vor dir Turbulenzen verursachen. Als ich aufs Gas gegangen bin, hat sich das Auto eingedreht", erzählte Ricciardo. Die Pirouette erforderte einen dritten Boxenstopp für einen weiteren Satz gebrauchter Medium-Sohlen. Damit war Game over.
Ganz anders lief es bei Esteban Ocon. Der Franzose hatte am Samstag seinen schlechten Tag. Er fand nie die richtige Abstimmung und flog schon im Q2 aus der Qualifikation. Dazu kam noch eine Strafversetzung um drei Positionen, weil er George Russell im Q1 behindert hatte.
Ocon überholt kein Auto
Von Startplatz 14 geht man heute ohne große Hoffnungen in ein Rennen. Einzige Chance: Man muss etwas grundlegend anders machen als die Konkurrenz. Ocon entschied sich schon vor dem Start für ein Einstopp-Rennen, das viele für unmöglich hielten. Der ehemalige Mercedes-Schützling streichelte seine Medium-Reifen über 22 Runden. Von da an musste er nur noch die einzig verbliebene Garnitur harter Reifen 30 Runden lang über die Distanz bringen.
Ocon überholte mit Ausnahme der Startrunde kein einziges Auto, machte aber sechs Plätze gut. "Es war eine perfekte Zusammenarbeit zwischen dem Kommandostand und mir. Das Team hat mich gut geführt. Nur so konnte das Einstopp-Rennen funktionieren. Am Ende bin ich mit den alten Reifen noch richtig schnelle Rundenzeiten gefahren." Tatsächlich markierte Ocon in der 50. Runde die zehntschnellste Zeit im Rennen. Sein Ergebnis zeigt, dass Renaults seltsamer Plan, schon am Freitag einen Satz harter Reifen zu verfeuern, nicht unbedingt ein Nachteil war. Jedenfalls nicht mit einer Defensiv-Taktik wie bei Ocon.
Ricciardo dagegen wollte attackieren. Das musste schiefgehen, weil ihm dazu ein Satz Reifen der härteren Mischungen fehlte. Im Rückblick meinte der WM-Neunte, dass man den ersten Stint etwas länger hinauszögern hätte können, um so wie Ocon eine Einstopp-Strategie zu versuchen. "Die Reifen haben sich noch gut angefühlt. Vielleicht hätte ich gegenüber den Ingenieuren etwas bestimmter auftreten sollen."
Der zweite Reifensatz war bereits angefahren. Renault hatte wie die meisten im Feld seine Probleme mit dem Medium-Gummi. Und das nicht zum ersten Mal. Abiteboul forderte: "Wir müssen herausfinden, warum wir so oft Probleme mit diesem Reifentyp haben. Sonst erwischt es uns in Barcelona erneut." Der C3-Reifen wird beim GP Spanien die Soft-Option sein.
Trotzdem zieht Ricciardo nach zwei Wochen Silverstone ein positives Fazit: "Das Auto ist klar besser geworden. Wenn alles rund läuft, können wir in die Top 5 fahren. Am Freitag haben wir mit der Abstimmung etwas herumexperimentiert und dabei einen völlig neuen Weg gefunden. Das gab schlagartig mehr Abtrieb im Heck und hat uns in den schnellen Kurven geholfen." Was genau Renault da probiert hat, blieb geheim. Möglicherweise haben die Ingenieure weiter in eine Richtung gearbeitet, die mit dem Grundkonzept des R.S. 20 bereits eingeleitet wurde. Schon vor der Saison räumte Technikchef Marcin Budkowski im Gespräch mit uns ein: "Der Trend geht zu weniger Bodenfreiheit hinten."