Jost Capito im Interview

VW-Sportchef Jost Capito versichert im Interview, dass sein Abgang aus der Rallyeszene kein Signal für einen Rückzug von Volkswagen sei, und erklärt, warum ihn McLaren als neue Aufgabe reizt.
Als Sie bei VW angeheuert haben, sprachen Sie vom Angebot Ihres Lebens. Jetzt bei McLaren sagen Sie das Gleiche. Scheint, als ob Sie das zu jedem sagen ...
Capito: So bin ich. Das ist genau meine Masche.
Jetzt mal im Ernst: Warum McLaren?
Capito: Ich war schon immer ein großer Fan von Bruce McLaren. Als ich noch ein Junge war, ging fast mein ganzes Taschengeld für Porto drauf, weil ich Autogramme von allen Formel-1-Fahrern gesammelt habe. Und ich habe eben besonders auf McLaren geguckt. Das McLaren-Buch "Teamwork" konnte ich vorwärts und rückwärts auswendig. Als ich damals bei Sauber angefangen habe, hat mir das sehr geholfen.
Wieso hat Ron Dennis ausgerechnet bei Ihnen angerufen?
Capito: Gute Frage. Ich habe ihn auch prompt gefragt, ob er sich das wirklich antun will, einen Deutschen sein Team leiten zu lassen. Aber was er darauf geantwortet hat, müssen Sie ihn schon selbst fragen.
Als die Nachricht von Ihrem Weggang von VW öffentlich wurde, waren die ersten Kommentare im Netz: Die Ratten verlassen das sinkende Schiff ...
Capito: Was will man da sagen?
Gibt es denn irgendwelche Anzeichen, dass VW sich Ende des Jahres zurückzieht?
Capito: Erstens kann man nicht sagen, dass VW zum Jahresende die Segel streicht. Und zweitens hat mir die Diesel-Affäre die Entscheidung eher schwerer als leichter gemacht.
Wie das?
Capito: Ich habe VW viel zu verdanken. Die haben mich ja gewissermaßen erst in die Position gebracht, dass ich für McLaren interessant wurde.
Wenn man heute ein Formel-1-Team übernimmt, kann es viel schlimmer als McLaren ja nicht mehr kommen, oder?
Capito: Es geht immer noch ein Level tiefer. Aber ehrlich gesagt ist es gerade das, was mich reizt. Ein erfolgreiches Team zu übernehmen ist ja keine Herausforderung. Wenn ich mit VW nicht Weltmeister geworden wäre, hätte ich möglicherweise auch eine andere Entscheidung gefällt.
Sie haben angekündigt, dass Sie nicht gehen wollen, bevor Sie Ihren Nachfolger eingearbeitet haben. Hat Ihnen Ron Dennis nicht den Kalender vorgehalten? Die Grand-Prix-Saison beginnt Ende März ...
Capito: Da muss er dann eben warten. Das habe ich ihm aber von Anfang an klargemacht.
Wann haben Sie das Angebot denn bekommen?
Capito: Die Gespräche gingen schon im letzten Sommer los.
Stimmt es wirklich, dass es noch keinen Nachfolger gibt, oder dauert es so lange, Carlos Sainz einzuarbeiten?
Capito: Am besten gleich eine spanische Doppelspitze mit Sainz und Luis Moya. Spaß beiseite, das kam von spanischen Journalisten. Es gibt bisher tatsächlich noch niemanden.
Noch mal zurück zu einem möglichen Rückzug: Es gibt tatsächlich keinerlei Indizien, dass VW Ende des Jahres mit der Rallye-WM aufhören könnte?
Capito: Die einzige Ansage, die ich vom Vorstand bekommen habe, war, dass wir bis mindestens Ende 2019 Rallye fahren. Gut, das war nicht der gegenwärtige Vorstand, aber auch von dem habe ich keinerlei anderslautende Informationen bekommen.
Um beim Vorstand die Angriffsfläche zu verringern, haben Sie im Herbst einen Sparplan abgegeben. Ist der gutgeheißen worden, oder wurden Sie gezwungen, noch mehr einzusparen?
Capito: In der Finanzabteilung hat man in den vergangenen Jahren immer gesehen, dass wir unsere Budgets einhalten. Die wissen, dass man uns vertrauen kann, dass wir nicht mehr Geld ausgeben als nötig, aber wir trotzdem sicherstellen müssen, dass wir konkurrenzfähig bleiben. Und das Budget für das 2017er Auto ist längst bewilligt. Und damit will man ja bis 2019 fahren.
Stimmt es, dass es für den aktuellen Polo nur noch 5 Testtage geben wird?
Capito: Nicht 5 Tage, aber 5 Tests. Nach dem Monte-Carlo-Test gibt es einen für Schweden auf Schnee und vor Mexiko einen Schottertest, und das war es dann fast schon.
Kein Test vor Finnland?
Capito: Nein.
Maulen die Fahrer da nicht? Die können doch eigentlich nie genug testen.
Capito: Ach, die Fahrer. Die habe ich ganz gut im Griff.
Oder sind die gerade so fügsam, weil sie unterm Strich vor allem froh sind, noch einen Job zu haben?
Capito: Für meine Fahrer stand das ja eigentlich nie infrage, dass es weitergeht.
Wie sieht es denn mit dem Rest des Teams aus? Gibt es durch die Rückzugsgerüchte schon Absatzbewegungen?
Capito: Nein. Bisher sind alle an Bord geblieben.
Was Ihre Person betrifft, haben ja nicht wenige geglaubt, Sie würden bei VW noch 4 WM-Titel einsammeln, um dann vielleicht Vorstand zu werden ...
Capito: Neee.
Vielleicht dann erst nach der McLaren-Episode?
Capito: Ich denke, Teamchef bei McLaren wird mein letzter Job. Obwohl, das habe ich hier bei VW auch schon gesagt.