Hat Ferrari die Wende geschafft?
Ferrari brachte den zweiten Teil seines Aero-Pakets zum Nürburgring. Charles Leclerc qualifizierte sich auf dem vierten Platz. Doch wie viel Anteil an der klaren Steigerung trägt das Upgrade, wie viel die Strecke? Und warum konnte Sebastian Vettel davon nicht ím gleichen Maß profitieren?
War das schon die Wende? Charles Leclerc wird beim Grand Prix der Eifel vom vierten Startplatz aus ins Rennen gehen. Damit stellt er sein bestes Trainingsresultat in diesem Jahr ein. Und das, obwohl die Bedingungen nicht optimal für die roten Autos waren. Die Streckentemperatur pendelte zwischen 16 und 18 Grad, der Wind wehte stark die Zielgerade hinunter, was das Einlenken in die Kurven 1, 6 und 7 zum Problem machte. Normalerweise mag der SF1000 weder Wind noch Kälte. Trotzdem war Leclercs vierter Platz kein Zufall. Im Q1 landete der zweifache GP-Sieger auf Platz 6 und im Q2 auf Rang 5. Da ist eine gewisse Konstanz zu entdecken.
Schon im freien Training deutete sich mit den Plätzen 3 und 5 an, dass Ferrari am Nürburgring eine bessere Rolle spielen könnte als bei den vier vorangegangenen Rennen. Das wirft die Frage auf: Welche Rolle spielt der zweite Teil des Aero-Pakets, dessen Grundlage in Sotschi mit neuem Frontflügel und Heckflügelendplatten gezündet wurde? Das sollte das Heck beruhigen und den Fahrern mehr Vertrauen geben. Die Modifikationen an den Leitblechen und am Unterboden versprachen dagegen mehr Rundenzeit. Ferrari warnte jedoch vor übertriebenen Erwartungen.
Wegen der limitierten Trainingszeit wurden die Ferrari-Piloten im freien Training am Morgen zu Vergleichszwecken in unterschiedliche Autos gesetzt. Leclerc fuhr die neuen Teile, Vettel die alten. Für die Qualifikation waren beide Autos dann identisch. Vettel spürte trotzdem keinen großen Unterschied. Sportdirektor Laurent Meckies bestätigte: "Der Fortschritt ist nicht atemberaubend, aber wir nehmen, was wir kriegen können."
Vettel rätselt über Zeitverlust
Es könnte also noch andere Gründe haben, warum der Vize-Weltmeister des Vorjahres wieder ein bisschen Licht am Ende des Tunnels sieht. Zum Beispiel das Streckenlayout. Laut Ferrari spielt die Motorleistung eine geringere Rolle als in Spa, Monza oder Sotschi. Mercedes dagegen stuft den Nürburgring in Bezug auif die Motorleistung in die Top 4 aller Strecken ein. Sicher dagegen ist, dass der 5,148 Kilometer lange Kurs im Schatten der Nürburg maximalen Abtrieb verlangt. "So wie in Budapest, was bislang unser bestes Rennen war. Vielleicht hat das geholfen", erklärte Sebastian Vettel. Noch keine Erklärung gibt es dafür, warum der Ferrari trotz Kälte und Wind von Anfang an gut unterwegs war. Das Aufwärmen der Reifen ist schon seit Jahren eine Baustelle.
Charles Leclerc hat es ganz offensichtlich geschafft, die Reifen sofort in ihr Fenster zu bringen. Er gewann auf Vettel allein im ersten Sektor 0,432 Sekunden. Im zweiten Abschnitt beträgt das Delta 0,227 Sekunden, während im letzten Sektor und beim Topspeed praktisch Gleichstand herrscht. Vettel verliert in den Kurven 2, 3 und 4 massiv Zeit. "Es hat sich eigentlich ganz gut angefühlt. Jedenfalls nicht so, als wäre da um Welten mehr drin gewesen. Deshalb muss ich jetzt erst einmal studieren, warum die Zeit da verloren gegangen ist. Vielleicht waren meine Reifen noch nicht optimal auf Temperatur."
Vettel fügte noch an, dass er nicht das erste Mal in diesem Jahr in ganz bestimmten Kurven Zeit auf den Teamkollegen liegenlässt. "Und ich konnte mir das oft nicht erklären." Ein Vergleich der beiden Aufwärmrunden ergibt, dass er eher der aggressivere Fahrer war. Er legte die Runde aus der Box um fünf Sekunden schneller zurück als der Stallrivale. Hier sind die Runden der Ferrari-Fahrer im Detail:
Ist freie Reifenwahl ein Vorteil.
Vettel tröstet sich jetzt damit, dass er als Elfter der erste Fahrer mit freier Reifenwahl ist. "Wenn du auf Platz elf stehst, musst du wahrscheinlich so denken." Die Top Ten müssen ausnahmslos auf weichen Reifen in das Rennen starten, auch wenn es Mercedes, Ferrari und Renault im Q2 kurz mit den Medium-Gummis probiert haben. "Es ist hoffentlich ein Vorteil, dass ich etwas anderes machen kann, als die Leute vor mir. Andererseits soll es am Sonntag noch kälter werden. Dann ist der Medium-Reifen vielleicht gar kein Vorteil. Und das Auto muss ja auch noch mitspielen."
Leclerc dagegen strahlte: "Das Resultat ist besser als erwartet, ganz speziell in diesen kühlen Bedingungen. Vielleicht haben die Upgrades tatsächlich den kleinen, aber entscheidenden Unterschied ausgemacht." Der Monegasse erwartet vom Rennen eine Reise ins Ungewisse. "Wir haben kaum Information über Longruns mit viel Sprit an Bord. Eine entscheidende Frage wird sein, wie wir die Soft-Reifen durch den ersten Stint bekommen. Sie sind ziemlich schwierig zu managen, weil sie bei der Kälte leicht körnen." Deshalb will Ferrari den Tag nicht vor dem Abend loben. In Mugello startete Leclerc von Platz 5 und spielte im Rennen keine Rolle.