Fragezeichen zu neuem Paket

McLaren verließ den Nürburgring mit einem fünften Platz und vielen Fragezeichen. Die Upgrades bereiten dem Team Kopfzerbrechen. Lando Norris war im alten MCL35 schneller als Carlos Sainz im neuen – scheiterte aber an einem Motor-Defekt.
Der dritte Platz ist weg. McLaren trat den Bronzerang in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft an Racing Point ab, das mit Sergio Perez und Nico Hülkenberg in der Eifel doppelt punktete. Renault verkürzte durch den dritten Platz von Daniel Ricciardo bis auf zwei Punkte. Und der Trend spricht gegen McLaren. Renault hat das schnellere Auto. McLaren-Teamchef Andreas Seidl gibt zu. "Wir müssen ein bis zwei Zehntel finden."
Das obere Mittelfeld schiebt sich zusammen. Es entscheiden Kleinigkeiten. Momentan ist es das bessere Verständnis für das Auto, was für Renault und Racing Point und gegen McLaren spricht. Der Renault ist inzwischen der beste Allrounder im Mittelfeld. Gut auf Strecken mit wenig oder viel Anpressdruck. Das war vor ein paar Monaten noch anders. Da strauchelte Renault in Ungarn und Barcelona. Jetzt kann der R.S.20 auch gute Rennen mit großen Flügeln ablegen.
Der Racing Point ist allein schon wegen der Grundlagen ein schnelles Rennauto. Außerdem hat man beim Klassenprimus Mercedes abgekupfert. Und die Upgrades, die Racing Point in Mugello und Sotschi einführte, haben den RP20 besser gemacht. McLaren tritt hingegen auf der Stelle. Am Nürburgring hatten die Piloten das Gefühl, dass sich der MCL35 sogar eher rückwärts entwickelt.
Keine Chance auf Podest
"Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis, nicht aber mit dem Gefühl im Auto, mit dem Graining, das wir hatten. Das Auto untersteuerte sehr. Es war schwer, dadurch das Graining unter Kontrolle zu halten", beschwerte sich Carlos Sainz nach seinem fünften Platz. Das Auto des Spaniers war mit dem Komplett-Set der Updates bestückt. Also mit der neuen Nase und mit überarbeiteten Bargeboards sowie modifiziertem Unterboden.
Der Teamkollege war hingegen nur mit der neuen Nase unterwegs, die McLaren erstmals in Mugello ausgepackt hatte. Norris war im Gegensatz zu Sainz zufrieden mit dem Fahrverhalten. "Das erste Viertel war sehr gut. Guter Start, gute Pace. Leider spielte danach der Motor nicht mehr mit." Die konträren Aussagen zeigen, dass im neuen Paket noch irgendwo der Wurm steckt. Der eine Pilot lobt die Balance, der andere klagt darüber. Norris sah sich auf dem Weg zu einem sicheren vierten Platz, vielleicht sogar einem Podium, während Sainz 60 Runden lang litt.
Der WM-Elfte sprach von einer Fortsetzung des Samstags. "Die Pace fehlte wie in der Qualifikation. Wir müssen uns anschauen, was mit dem neuen Auto faul ist. Ich konnte Daniel und Sergio zwar beim Restart sehen, doch im Rennen um das Podest war ich nie." Der Zweite des GP Italien stellte fest. "Wir hatten mehr Graining als die anderen, unsere Reifen bauten stärker ab. Die Balance passte über das gesamte Rennen nicht." Sainz verlor in den elf Runden nach dem Restart bis ins Ziel fünf Sekunden auf seine Vordermänner. Das entspricht fast einer halben Sekunde im Schnitt.
Seidl überzeugt von Konzeptwechsel
McLaren bezahlte für den Ausfall des Trainingsfreitages. Eine Stunde Training am Samstagvormittag reichte nicht aus, um das neue Paket zu entschlüsseln. Deshalb wurden die Autos in unterschiedlichen Konfigurationen in den Grand Prix geschickt. Um sicher zu sein, dass wenigstens eines funktioniert, wie angenommen. Und um weitere Daten über die letzte Ausbaustufe zu sammeln. Nur so können die Ingenieure wissen, wo sie ansetzen müssen. Es reicht nicht, einfach neue Teile ans Auto zu schrauben. Neue Teile bedeuten auch eine Verschiebung der Balance. Front und Heck müssen darauf ausgerichtet werden.
Das neue Paket braucht noch Feinschliff. Dann sind die zwei Zehntel, die Seidl fordert, auch schnell gefunden. Oder es war ein Griff daneben. "An einem guten Wochenende hätten wir aus den Ausfällen von Bottas und Albon Kapital geschlagen. Dann hätten wir auf dem Podest gestanden", meint Sainz. "Es ist die größte Frage, die wir klären müssen: Ob wir einfach mehr Zeit brauchen, oder ob das neue Paket einfach nicht besser ist. Bis jetzt bringt es weder ein besseres Gefühl noch bessere Ergebnisse auf der Rennstrecke."
Der Teamchef ist überzeugt, dass die Ingenieure die richtige Entwicklungsrichtung eingeschlagen haben. "Wir glauben fest an das neue Konzept." McLaren orientierte sich mit der filigranen Lösung für die Nase an Mercedes. "Die neue Nase ist ein großer Eingriff in das Aerodynamik-Konzept. Wir brauchen mehr Zeit, um das volle Potential zu entfalten. Die hatten wir mit dem Ausfall des Freitages nicht."
Kein Einfluss auf Business-Plan
Das dritte Training stiftete mehr Verwirrung, als dass es Antworten gab. "Die Strecke war erst grün wegen des Regens und hat sich dann stark entwickelt. Der Grip wurde immer besser", erklärt Seidl. Und genau in solchen Verhältnissen ist es schwer zu beurteilen, wie viel Zeitgewinn auf eine Änderung und wie viel auf eine Verbesserung der Rennstrecke zurückzuführen ist.
Und als ob das Upgrade nicht schon genug Kopfzerbrechen bereitet, zeigte sich der MCL35 auch noch gebrechlich. Der Ausfall von Norris lag allerdings nicht im Verantwortungsbereich von McLaren, sondern von Renault. Ein angeschlagener Sensor verleitete den V6-Turbo zu Fehlzündungen, die den Abgastrakt zerstörten. Norris stellte sein Auto ab, nachdem die Verkleidung kokelte. "Bis dahin habe ich alles versucht. Ich hatte schon Krämpfe im Daumen. Ich musste auf jeder Geraden Knöpfe drücken, um den Motor am Leben zu halten."
Der Ausfall war doppelt ärgerlich. Erst am Vormittag hatte McLaren jeweils das dritte Set von Motor, Turbolader, MGU-H und MGU-K eingebaut. Sollte der Motor zu großen Schaden genommen haben, und nicht mehr einsetzbar sein, erwartet Norris bei einem der kommenden Rennen eine Startplatzstrafe. "Es ist sehr schade. Bis zu den Problemen lief alles wie gewünscht. Guter Start, gute Boxenstopps, gute Strategie. Wir waren auf Kurs für ein Topergebnis", glaubt Seidl. Im Bestfall ein Podest, mindestens doppelte Punkte – mehr als Racing Point jedenfalls.
Beim Kampf um Platz drei geht es nicht nur ums Sportliche, sondern auch das Finanzielle. Zwischen Rang drei und fünf liegen mehrere Millionen Dollar in der Ausschüttung der Rechteinhaber für das kommende Jahr. Seidl beruhigt. "Es hat keinen direkten Einfluss auf unsere Zukunft, ob wir Dritter oder Fünfter werden. Wir sind mit unserem Business-Plan gut aufgestellt. Vor der Saison haben wir nie damit gerechnet, überhaupt in der Position zu sein, um Platz drei zu fahren." Die Top 3 schienen unantastbar. Ferraris Einbruch gibt McLaren, Renault und Racing Point die große Chance auf einen Podestplatz.