Red-Bull-Konzept am Ende?
Bei den Teams laufen die Vorbereitungen für 2021 bereits auf Hochtouren. Auch 2022 steht schon vor der Tür. Welches Konzept wird sich in Zukunft durchsetzen? Viel Anstellung wie bei Red Bull oder wenig wie bei Mercedes? Wir geben Antworten.
Mercedes hat die Entwicklung am 2020er Auto bereits eingestellt. Racing Point und Renault auch. Red Bull, Ferrari und McLaren rüsten munter weiter auf. Obwohl sie sich damit Windkanalzeit für 2021 stehlen. Ihr Argument: Alles, was jetzt ans Auto kommt, zahlt sich auch im nächsten Jahr aus.
Ursprünglich war der Plan vieler Teams, jetzt das große Upgrade für 2021 vorzubereiten und dann ab dem 1. Januar 2021 voll auf das komplett neue Konzept für 2022 umzuschalten. Doch die gravierenden Einschnitte am Unterboden für die nächstjährigen Autos haben diesen Plan bei vielen Teams durcheinandergebracht.
Auch bei Racing Point. Technikchef Andy Green wird auf jeden Fall auch im kommenden Jahr Windkanalzeit für das 2021er Auto reservieren. Selbst wenn die Saison schon losgegangen ist. Der Einschnitt, den die FIA da verordnet hat, um die Abtriebswerte nicht explodieren zu lassen, ist zu signifikant, als dass eine Entwicklungsstufe ausreicht, um das zu kompensieren.
Zwei verschiedene Rennautos
Green schätzt, dass man über eine Sekunde verlieren würde, wenn man den Unterboden rund um die Hinterräder und den Diffusor so umrüstet, wie es die 2021er Regeln verlangen. "Wir werden Abtrieb im Heck verlieren. Es wird nicht einfach, das komplett zu kompensieren, weil du ganz schön Fläche am Boden verlierst. Aber wir glauben, dass es möglich sein wird."
Das wird bei Racing Point mindestens in zwei größeren Stufen passieren, möglicherweise gefolgt von kleineren Anpassungen. "Wir werden auf jeden Fall ein Präsentations-Auto und ein Saisonstart-Auto bauen. Die neuen Aero-Regeln verlangen größere Änderungen als gedacht. Weil die Details erst vor ein paar Wochen abgesegnet wurden, schaffen wir es zeitlich nicht, alles bis zum Wintertest vorzubereiten. Die erste Aero-Freigabe für das Präsentations-Auto werden wir in einem Monat fertig haben."
"Das ist aber noch nicht das Ende der Entwicklung. Ich erwarte sogar noch weitere kleine Entwicklungsschritte in der ersten Saisonhälfte 2021. Da geht in einem ersten Schritt so viel Abtrieb verloren, dass wir uns jetzt wieder am unteren Ende einer sehr steilen Lernkurve befinden. Das verlangt nach Upgrades, was nicht gerade hilft, Geld zu sparen."
Welches Aero-Konzept leidet mehr?
Während der Trend im Moment eher dazu geht, den Anstellwinkel nach Mercedes-Vorbild zu verringern, ist sich Green noch nicht sicher, ob das nächstes Jahr auch noch anhält. "Die neuen Regeln könnten uns mehr bestrafen, als die Autos mit einer höheren Anstellung. Einige der Teile, die am Unterboden verschwinden, machen für die Autos mit starker Anstellung weniger Unterschied aus als für das Konzept von Mercedes und uns." Gute Nachrichten also für die Red Bull-Fraktion? Antwort Green: "Wahrscheinlich argumentiert die Gegenseite genau andersherum."
Eines ist aber sicher: 2022 werden alle Autos an der Hinterachse tiefer fahren. Das war auch der Grund, der Racing Point für diese Saison zu einem Konzeptwechsel bewogen hat. "Mit den 2022er Regeln kannst du eine höhere Anstellung vergessen. Das ist ein Groundeffect-Auto, das nach völlig neuen Regeln funktioniert." Da wird auch Red-Bull-Guru Adrian Newey seiner Philosophie abschwören müssen, glaubt sein Kollege von Racing Point: "Wir alle wissen, wie Groundeffect-Autos funktionieren. Sie müssen so dicht wie möglich über der Straße fahren."
Spannend wird sein, welche der unterschiedlichen Entwicklungsfahrpläne sich am Ende durchsetzen wird. Ist es ein Vorteil, sich früh aus der Entwicklung des aktuellen Autos ausgeklinkt zu haben? Green glaubt ja: "Wir arbeiten schon seit fünf Wochen in der CFD-Simulation und im Windkanal am 2021er Auto, um zu verhindern, dass wir mit einem Rückstand in die nächste Saison gehen und gezwungen sind aufzuholen."
Große Teams müssen sich einschränken
Das gilt insbesondere für ein kleines Team, das sich Parallelentwicklungen nicht leisten kann. Die stark limitierten Windkanalzeiten und CFD-Kapazitäten spielen aber auch großen Teams wie Red Bull einen Streich. "Red Bull ist theoretisch in der Lage, zwei Programme gleichzeitig zu fahren, aber die aerodynamischen Restriktionen und die Token-Regel werden sie daran hindern. Du musst dich für das eine oder andere entscheiden. Es spielt keine Rolle, wie groß dein Team ist. Die Regeln schränken alle stark ein."
Im nächsten Jahr kommt bei der Aerodynamikentwicklung ein neuer Faktor hinzu. Die WM-Position entscheidet, wie viel Windkanalzeit man bekommt. Das soll den schlechter platzierten Teams auf die Sprünge helfen. Das stellt die Teams aber auch vor die Frage, ob eine Platzierung schlechter am Ende nicht besser ist.
Green differenziert: "Eine Position in der WM bringt dir aerodynamisch nur wenig Vorteile. Da schaust du besser auf den Vorteil des höheren Preisgeldes. Das Handikap-System wird ein bisschen überbewertet. Die Vor- oder Nachteile sind relativ klein, selbst zwischen Platz eins und zehn. Sie werden nicht eine WM entscheiden. Jedenfalls nicht in einem Jahr. Über die Zeit vielleicht schon. Und du musst diese fünf Prozent extra Windkanalzeit immer noch vernünftig einsetzen. Es bringt dir nichts, mit den falschen Testreihen Windkanalzeit zu verschwenden. Dann bringen dir 200 Prozent mehr Zeit nichts. Andersherum können fünf Prozent ein Vorteil sein."