"Wir lassen nicht mit uns spielen"

Red Bull schwankt zwischen Himmel und Hölle. Einen Tag gibt es einen Motor, dann wieder keinen. Ferraris letztes Angebot ist ein Motor von 2015. Den will Red Bull nicht. Teamberater Helmut Marko sieht den Abschied der beiden Rennställe von Red Bull näher rücken.
Katerstimmung bei Red Bull. Ein Grand Prix ohne Punkte, und dann auch noch das. Das Ausstiegsszenario rückt immer näher. "Im Augenblick haben wir keinen Motor. Die Situation ist sehr kritisch", meinte Teamchef Christian Horner mit Grabesstimme. Die Wasserstandsmeldungen im Motorendrama um Red Bull änderten sich zuletzt im Stundentakt.
Ein Mal hat Red Bull einen Motor, dann wieder keinen. Am Renntag des GP Japan kristallisierte sich eine neue Konstellation heraus. Ferrari gibt Motoren, aber nur Stand 2015. Dazu ein paar Upgrades. Auch Toro Rosso müsste mit diesem Motorentyp leben.
Ferrari-Technikchef James Allison soll Fiat-Chef Sergio Marchionne eingeredet haben, dass die Motor-Entwicklung um ein halbes Jahr zurückgeworfen wird, wenn plötzlich 5 statt 3 Teams die 2016er Antriebseinheit bekommen sollten. Weil nicht genügend Teile der Neuentwicklungen bis zum Saisonbeginn produziert werden können.
Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene wollte nicht zur Aufklärung beitragen: "Wir haben kein Angebot gemacht, aber es gibt ein Angebot." Soll heißen: Red Bull hat gefragt und eine Antwort bekommen. Welche, darüber will der erste Mann an der Ferrari-Front nicht reden: "Das ist wie in jedem Geschäft. Darüber wird nicht gesprochen." Horner reicht die Forderung seines obersten Arbeitgebers weiter: "Die Position von Dietrich ist glasklar. Er will einen Firstclass-Motor haben."
Eine halbe Sekunde zwischen neu und alt
Prompt kam die nächste Hiobsbotschaft für Red Bull. Die FIA überlegt sich auf Druck von Ferrari, Honda und Renault die Token-Regel aufzuweichen. Es soll im Winter 32 statt 25 Token geben. Dazu werden die verbotenen Bereiche gestrichen. So hoffen die Gegner von Mercedes schneller aufzuholen.
Mercedes würde dem Antrag im Sinne des Sports zustimmen. "Bei der Regelung wird ein 2016er Motor eine halbe Sekunde schneller sein als ein 2015er", prophezeit Niki Lauda. Horner bellt zurück: "Dieser Regel werden wir nicht zustimmen."
Daraufhin verhärteten sich die Fronten derart, dass Red Bull nun ernsthaft über einen Ausstieg nachdenkt. Firmenchef Dietrich Mateschitz ist für keinen zu sprechen. Weder für Bernie Ecclestone noch für FIA-Präsident Jean Todt. Und betteln geht der Softdrink-Zar schon gar nicht. Dazu ist er zu stolz. Helmut Marko verteidigt seinen Chef: "Die spielen mit uns, aber wir werden da nicht mitspielen."
Gerüchte, dass Mateschitz kurz davor steht, die Lust zu verlieren, werden von Marko bestätigt: "Die Überlegungen auszusteigen werden immer konkreter. Es ist eine Frechheit uns 2015er Motoren anzubieten, solange Sauber und Haas F1 2016er Triebwerke bekommen." Sauber-Teamchef Monisha Kaltenborn feuert zurück: "Wir waren eher da und haben uns unserem Partner gegenüber immer anständig benommen."
Niki Lauda ärgert die Aussage seines Landsmanns, dass Mercedes und Ferrari mit Red Bull ein böses Spiel spielen. "Wir sind nicht in diesem Spiel, weil es nie eine offizielle Anfrage von Red Bull gab. Die haben sich selbst in diese Position gebracht, dass sie jetzt als Letzter um einen Motor betteln müssen."
Honda ist für Red Bull keine Option
Da das Tuch mit Renault zerrissen scheint, bleibt nur noch Honda. Für Marko keine Option: "Da hat der Ron Dennis die Finger drauf." Und auf Renault-Motoren wäre man im Red Bull.Camp ohnehin nicht mehr scharf: "Jetzt ziehen uns schon die McLaren-Honda am Anfang der Geraden davon. Wir kriegen sie erst am Ende durch den Windschatten wieder."
Selbst wenn sich das Blatt noch zum Guten wendet, läuft Red Bull beim Bau des neuen Autos die Zeit davon. "Die Situation war für uns schon vor 2 Wochen kritisch. Für Toro Rosso noch mehr. Mit jedem Tag ohne Lösung wird es weniger wahrscheinlich, dass wir dabei sind. Jetzt soll die Saison auch noch zwei Wochen früher anfangen. Das verschärft die Probleme", klagt Horner.
Mateschitz wird laut Marko die Fabriken in Milton Keynes und Faenza nicht schließen. "Keiner muss Angst haben, seinen Job zu verlieren." Horner pflichtet bei: "Wenn Mercedes und Ferrari uns nicht wollen, müssen wir uns in Milton Keynes nach anderen Aktivitäten umschauen. Es ist gibt dort genügend Expertise, auch auf anderen Feldern tätig zu werden."
Red Bull bekam im fernen London offenbar einen heimlichen Mitstreiter. Es war sicher kein Zufall, dass Mercedes und Ferrari nur ein Minimum von Fernsehzeit bekamen. Da liegt der Verdacht nahe, dass Bernie Ecclestone die beiden Hersteller für ihre mangelnde Kooperation im Fall Red Bull abstraft.
Es war auch kein Zufall, dass sich die Österreicher aus den Lagern von Red Bull und Mercedes in getrennten Flugzeugen auf die Heimreise machten. "Wir haben kein Verlangen, mit Mercedes-Vertretern zwölf Stunden in einem Raum zu verbringen", lächelte Marko beim Abschied.