Red-Bull-Chef Christian Horner im Interview
Red Bull-Teamchef Christian Horner spricht über die Probleme mit dem neuen Auto, über den Fahrertausch mitten in der Saison und über den Druck, dass man 2020 um den Titel kämpfen muss, um Honda und Max Verstappen zu halten.
Hat Red Bull dieses Jahr unter der neuen Frontflügel-Regel mehr gelitten als andere Teams?
Horner: Ich glaube schon. Unser Aerodynamikkonzept stützt sich sehr stark auf den Frontflügel. Das bestimmt auch den Einfluss auf den Rest des Autos. Dadurch reagierte das Auto sehr sensibel auf der Strecke. Es dauerte eine Weile das zu verstehen und zu optimieren.
Was waren die Auswirkungen?
Horner: Das Auto war schwer abzustimmen und schwer zu fahren. Besonders bei starkem Wind wie in Bahrain. Trotzdem haben wir selbst zu Saisonbeginn gute Ergebnisse erzielt. Wir haben uns gleich in Melbourne für die zweite Startreihe qualifiziert und ein Podium geschafft. Wir hätten fast Monte Carlo gewonnen, waren schneller als Hamilton, hatten nur Pech beim Boxenstopp.
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War das heikle Auto der Grund dafür, dass Red Bull am Anfang nur ein Einmann-Team war?
Horner: Max hat ein unglaubliches Talent. Er kann sich an alles anpassen. Pierre (Gasly) hat die Probleme viel deutlicher zu spüren bekommen. Deshalb war der Abstand zwischen den beiden auch so groß.
Wann war das Problem völlig ausgeräumt?
Horner: Beim Grand Prix in Österreich.
War es eine politische Entscheidung, die Frontflügelregeln zu ändern?
Horner: Ferrari und Mercedes wollten den Flügel unbedingt haben. Ich glaube, inzwischen haben sie begriffen, dass die Übung nur Geld gekostet und die Rennen nicht besser gemacht hat. Meiner Meinung nach waren es unnötige Ausgaben.
Wie schwer war es, das Auto an die neuen Reifen anzupassen?
Horner: Das war für uns ein doppeltes Unglück. Wenig Reifenabnutzung war mit den steiferen Flanken nicht mehr das große Thema, und genau darin war unser Auto immer gut. Aber es war für alle gleich. Du musst dich drauf einstellen und damit leben.
Mit dem GP Österreich begann eine goldene Serie mit zwei Siegen und einem zweiten Platz. Warum ist Red Bull nach der Sommerpause wieder zurückgefallen?
Horner: Da sind eine Reihe von Dingen passiert. Max hatte einige Male Pech. In Spa und Monza war er gleich in der ersten Runde in Kollisionen verwickelt. Wir hatten in Monza den Speed der Ferrari. In Singapur müssen wir uns bei der eigenen Nase fassen. Da haben wir uns mit der Fahrzeugabstimmung vergriffen. In Russland haben wir nicht mehr erwartet. Das war einfach nicht unsere Strecke. In Japan war Max wieder das Opfer einer Kollision. Alexander Albon ist auf einen soliden vierten Platz gefahren. Da wäre bei Max sicher noch mehr drin gewesen. In Mexiko hatten wir das schnellste Auto, aber dann ist alles schiefgegangen, was nur schiefgehen konnte. Allein die Tatsache, dass Alex in den ersten sieben Rennen nach der Sommerpause mehr Punkte gesammelt hat als Max zeigt, dass auf der anderen Seite der Garage nicht alles gepasst hat.
Ferrari ist aber auch stärker geworden.
Horner: Absolut. In Ungarn hätten wir die Ferrari ohne den zweiten Boxenstopp überrundet. Und nur vier Wochen später starten sie eine Serie, bei der sie in jedem Grand Prix auf der Pole Position stehen. Das hat uns natürlich schlechter dastehen lassen.
Ein Grund dafür ist Ferraris Motor-Vorteil. Wie erklären Sie sich das?
Horner: Das ist ziemlich schwer zu verstehen. Die drei anderen Motoren sind wirklich zusammengerückt. Nur Ferrari stach heraus. Der Vorsprung war gewaltig. Das kannst du über einen Winter nicht aufholen. Seit zwei Rennen ist der Vorsprung von Ferrari auf den Geraden geschrumpft. Warum auch immer. Jeder kann da seine eigene Meinung haben.
Warum ist der Knoten bei Red Bull zuletzt wieder geplatzt?
Horner: Wie gesagt, sind wir vorher unter Wert geschlagen worden. Schon in Mexiko hatten wir das schnellste Auto. In Brasilien hat einfach alles gepasst. Das Auto, die Strategie, die Fahrer.
War es nötig die Piloten mitten in der Saison zu tauschen? Hätte man Gasly nicht mehr Zeit geben müssen?
Horner: Wir haben den Luxus auf einen Fahrer-Pool zurückgreifen zu können. Alex wurde schon in der ersten Saisonhälfte mit jedem Rennen stärker. Dabei ist es sein Rookie-Jahr. Pierre dagegen verlor immer mehr Selbstvertrauen. Er wurde zwei Mal von seinem Teamkollegen überrundet. Die Abstände wurden immer größer. Man musste sich nur seine Körpersprache anschauen. Er hat die Schultern immer weiter eingezogen. Wir mussten handeln und ihm wieder Selbstvertrauen zurückgeben. Am Ende hatten wir doppelten Nutzen. Wir konnten Alex bei uns ausprobieren und haben Pierre bei Toro Rosso wieder aufgerichtet.
Trauen Sie Gasly noch einmal die Rückkehr zum A-Team zu?
Horner: Natürlich. Wäre das nicht der Fall, hätten wir ihn gleich ganz aussortiert. Aber er hat für 2020 einen neuen Vertrag bekommen und damit die Chance, sich wieder für Red Bull zu empfehlen.
Albon war vor der Saison ein unbeschriebenes Blatt. Was halten Sie von seiner Entwicklung?
Horner: Er ist intelligent, arbeitet sehr hart, schreibt sich jedes Detail auf und der Grundspeed ist gut. Bis jetzt hat er sich jedes Rennen gesteigert. Brasilien war die Krönung. Er wäre auf dem Podium gelandet, hätte ihn Hamilton nicht umgedreht.
Es muss trotzdem hart sein, Max Verstappen als Teamkollegen zu haben.
Horner: Max und Lewis sind wahrscheinlich die zwei undankbarsten Teamkollegen im Feld. Es ist für jeden Fahrer im Feld schwer gegen die beiden.
Jetzt scheint Verstappen in seiner Rolle als Hamilton-Herausforderer Konkurrenz durch Charles Leclerc bekommen. Was halten sie von ihm?
Horner: Er ist ebenfalls ein unglaubliches Talent. Die Formel 1 kann froh sein, zwei so hochkarätige Fahrer aus dieser Generation zu haben. Sie werden sich in Zukunft große Kämpfe liefern. Und Lewis wird auch noch eine Weile dabei sein. Die beiden Herausforderer zeigen jetzt, dass da noch immer Leben in dem alten Pferd ist. Lewis ist motiviert, es den Jungen noch einmal zu zeigen. Und schreibt mir Sebastian nicht ab. Der kommt gerade wieder zurück. Und er ist auch noch relativ jung.
Wie mutig war es für ein Siegerteam wie Red Bull sich mit der unbekannten Größe Honda zu verbünden?
Horner: Es war eine mutige Entscheidung, aber auch eine richtige. Wir haben mehr Punkte gesammelt als in den letzten beiden Jahren, obwohl das zweite Auto im Vergleich zu früher etwas abgefallen ist. Wir haben Rennen gewonnen, haben Pole Positions und schnellste Rennrunden erzielt. Es war klar, dass 2019 ein Übergangsjahr werden würde. Nach zwölf Jahren mit einem Motorenpartner musste sich mit einem neuen Hersteller alles erst einmal einspielen. Ich kann rückblickend nur sagen, dass wir auf einem sehr guten Weg sind. Die Leistung wird besser, die Zuverlässigkeit ist exzellent, die Kommunikation funktioniert. Ich spüre, dass sich da etwas aufbaut, um 2020 ganz vorne mitzufahren.
Honda spricht eine andere Sprache, Japan ist weit weg, und Sie bekamen es mit einer anderen Kultur zu tun. War es schwierig zueinander zu finden?
Horner: Hondas Europa-Filiale liegt nur um die Ecke von unserer Fabrik in Milton Keynes. Ich würde nicht von einer anderen Kultur sprechen. Wir sind uns ähnlicher als wir dachten. Honda hat die gleiche Passion, die gleiche Entschlossenheit zum Erfolg wie wir. Sie müssen sich nur die Motorsportabteilung in Sakura anschauen, dann wissen sie, wovon ich spreche. Formel 1 ist Teil ihrer DNA. Im Hauptquartier in Tokio steht das Auto, mit dem Richie Ginther den ersten Grand Prix für Honda gewonnen hat, in der Lobby. Sie sind stolz auf ihre Geschichte mit Williams-Honda und später mit Ayrton Senna und McLaren. Für uns ist Honda der perfekte Partner.
Red Bull ist jetzt zum ersten Mal ein Werksteam. Was hat sich geändert?
Horner: Es ist ein völlig neues Gefühl, dass der Fokus unseres Motorenpartners auf Red Bull liegt. Das kennen wir nicht. Wir waren immer nur Kunde. Honda optimiert den Motor für unsere Fahrer, unser Chassis.
Standfestigkeit war in den vergangenen Jahren immer ein Schwachpunkt, auch auf der Red Bull-Seite. Warum ist das Auto so viel zuverlässiger geworden?
Horner: Wir sind auf den unterschiedlichen Prüfständen viel häufiger und viel härter unterwegs. Das ist der Vorteil des Werksstatus. Honda stellt uns genügend Motoren dafür zur Verfügung. Das ermöglicht es uns, alle Komponenten des Autos viel ausführlicher am Limit zu testen. So lernen wir mehr darüber, wie lange bestimmte Teile halten. Wir wissen viel besser, wo die Schwachstellen liegen und können sie aussortieren.
Sie haben zwei Rennen für Startplatzstrafen geopfert. War das nötig?
Horner: Es wäre unmöglich gewesen den Rückstand zu Mercedes und Ferrari mit nur drei Entwicklungsstufen wettzumachen. Wir haben mit jeder neuen Ausbaustufe mehr Power produziert. Da muss man die Motorstrafen verkraften können.
Ist Red Bull in der Lage 2020 um den Titel zu kämpfen?
Horner: Wir bewegen uns darauf zu. Das ist unser Ziel und auch das Ziel von Honda und Max. Wir sitzen alle im gleichen Boot.
Wie groß ist der Druck, dass ein Scheitern bedeuten könnte Honda und Verstappen zu verlieren?
Horner: Das trifft für alle drei Top-Teams zu. Bis jetzt hat noch kein Team einen Einsatz über 2020 hinaus bestätigt. Drei der vier besten Fahrer haben 2021 noch keinen Vertrag. Honda wird sich erst einmal die neuen Technikregeln und sportlichen Rahmenbedingungen anschauen, bevor sie eine Entscheidung treffen. Es ist immer Risiko dabei. Aber ich glaube nicht, dass es höher oder niedriger ist als bei unseren Gegnern.
Sie haben vorgeschlagen, die technischen Regeln auf 2022 zu verschieben. Sind Sie enttäuscht, dass die FIA und Liberty nicht auf sie gehört haben?
Horner: Ich habe damit gerechnet, war aber überrascht habe, wie viele andere Teams dieses Konzept gut finden. Leider habe ich bei Jean Todt und Chase Carey nicht die gleiche Unterstützung entdecken können. Ich glaube, es ist ein Fehler alles auf einmal auf Null zu stellen. Warum führen wir die Finanzregeln, also den Budgetdeckel und den neuen Ausschüttungsschlüssel zuerst ein, und dann ein Jahr später das technische und sportliche Reglement? Das hätte uns Zeit gegeben weiter an den Technikregeln zu arbeiten. Sie sind ein interessanter Vorschlag, aber noch nicht ausgereift. Wir hätten der Formel 1 einen Gefallen getan, das noch weiter auszubauen. Wenn wir den Start der neuen Regeln um ein Jahr verschoben hätten, müssten alle Teams die neuen Autos unter dem Schirm des Budgetdeckels entwickeln. Jeder hätte die gleiche Ausgangsbasis. Jetzt können die großen Teams nächstes Jahr mit all ihrer Power das 2021er Auto entwickeln. Sie sind damit im Vorteil zu den kleinen Teams.