Upgrades für den GP Belgien
Red Bull arbeitet fieberhaft daran, die Lücke zu Mercedes zu schließen. Helfen sollen Upgrades für das Auto und die angekündigte Änderung bei den Motoren. Bis der RB16 auf Augenhöhe ist, muss es Max Verstappen richten.
Noch hat Red Bull sein Ziel, Max Verstappen zum jüngsten Weltmeister der Geschichte zu machen, nicht aufgegeben. Obwohl Mercedes fünf der ersten sechs Rennen gewann. Obwohl der Mercedes W11 in Spanien sieben Zehntel schneller war in der Qualifikation als der Red Bull RB16. Obwohl Lewis Hamilton in 66 Runden einen Vorsprung von 24,177 Sekunden auf Verstappen herausfuhr.
Der Weltmeister kontrollierte den sechsten Grand Prix des Jahres vom Start bis ins Ziel. Hamilton forcierte, als er es musste und schonte die Reifen, als er es konnte. Verstappen wusste bereits zur Mitte seines ersten Stints auf den weichen Reifen, also nach zehn bis zwölf Runden, dass er an diesem Tag maximal Zweiter werden würde. "Da zog Lewis an und entwischte am Horizont. Mir sind hingegen die Reifen eingebrochen."
Sportchef Helmut Marko stellte fest: "Wir haben genau das Gegenteil zu Silverstone gesehen. Dort hat Mercedes die Reifen gefressen, wir in Barcelona. Die härteren Reifen sind nicht nach unserem Geschmack." Da wird es Red Bull freuen, dass bei den nächsten zwei Rennen (Spa und Monza) wieder die Mischungen C2 bis C4 zum Einsatz kommen. Darauf errang man den bislang einzigen Saisonsieg.
Verstappen wie Anfang 2019
Verstappen ritt beim GP Spanien keine Verzweiflungsaktionen, sondern beschränkte sich darauf, den zweiten Mercedes von Valtteri Bottas hinter sich zu halten. Das gelang, ohne dass der Finne auch nur einmal angreifen konnte. Die Strategen schützten ihn mit früheren Boxenstopps vor dem Undercut, der Pilot richtete sein Rennen auf den Verfolger aus.
Dieser Max Verstappen erinnert stark an den Max Verstappen der ersten Saisonhälfte 2019. Schnell wie immer, fehlerfrei, abgebrüht, auf Ergebnismaximierung konzentriert. Im ersten Halbjahr 2019 hatten sich Verstappen zwei Gelegenheiten aufgetan, die Mercedes zu bezwingen. Er nutzte beide: in der Hitze Österreichs und beim Regenrennen in Deutschland. In dieser Saison hatte Verstappen eine Gelegenheit. Die Reifen spielten ihm im zweiten Silverstone-Rennen einen Joker zu. Verstappen gewann überlegen.
2019 sammelte Verstappen in den ersten zwölf Rennen 181 WM-Punkte. 69 weniger als Hamilton zwar, und sieben weniger als Bottas zu diesem Zeitpunkt. Doch das war praktisch das Maximum mit dem Red Bull RB15. Dann riss die Serie mit Startunfällen in Belgien und Monza. Zum Saisonende hin und vor allem in diesem Jahr ist Verstappen wieder nahe an der Perfektion. Wie Lewis Hamilton.
Bei Auto und Motor besser werden
Es ist das Auto, das den Unterschied macht. Und da sind Red Bull und Honda gefragt. Die Hoffnung auf den WM-Titel lebt – bislang vor allem wegen Verstappen. Und sie ist nicht unbegründet. Nach sechs Rennen liegt der 22-Jährige zwar 37 Punkte zurück. Doch ein Ausfall Hamiltons und ein Sieg Verstappens inklusive schnellster Rennrunde, und der Mann aus den Niederlanden wäre wieder bis auf elf Punkte dran.
Im unterlegenen Auto hat Verstappen sechs Punkte mehr eingefahren als Bottas. Es hätten noch mehr sein können, wäre Red Bulls Hoffnungsträger beim GP Österreich nicht über einen Elektronik-Defekt gestolpert. Dann wäre auch die Lücke zu Hamilton kleiner. In den fünf Rennen danach hat Verstappen jeweils das Maximum herausgeholt. Vier Mal schnitt er besser ab, als man es vorher eigentlich erwarten durfte.
In Ungarn hätte er eigentlich Dritter werden müssen, wurde aber Zweiter. Selbes Spiel in England 1 und in Spanien. In Silverstone 2 bot sich die goldene Chance auf den Sieg und Verstappen ergriff sie so selbstverständlich wie ein Teenager nach dem Handy greift. Er wirkt noch gereifter und noch klarer im Kopf – noch zielstrebiger. Verstappen hat sich damit abgefunden, ein langsameres Auto als Hamilton zu haben, lässt sich dadurch aber nicht verrückt machen, sondern quetscht das vorhandene Paket aus und treibt die Mannschaft an. "Wir dürfen uns nicht auf weichere Reifenmischungen verlassen. Wir müssen beim Auto und beim Motor besser werden."
"Spürbare Verbesserung" für Spa
Der RB16 ist ein Auto, dass viel spitzer zu fahren ist als der Mercedes W11. Der Abtrieb schwankt, statt gleichmäßig anzuliegen. Je länger die Radien und je schneller die Kurve, desto stärker die Auswirkungen. Dann muss der Fahrer zaubern. Da liegen auch die Unterschiede zwischen einem Verstappen, der Defizite ausgleichen kann und einem Albon, der ins Mittelfeld abdriftet. Red Bull weiß, woher die Probleme kommen. Nach den Wintertestfahrten ist die Entwicklungsmannschaft falsch abgebogen. Windkanal und CFD versprachen Rundenzeiten, die auf der Strecke nicht reproduzierbar waren. Teamchef Christian Horner spricht von "Anomalitäten zwischen den Entwicklungswerkzeugen".
Red Bull macht Fortschritte. Doch der Rennkalender macht es dem Abonnement-Weltmeister der Jahre 2010 bis 2013 nicht leicht. Es folgt Rennen auf Rennen, Dreierpack auf Dreierpack. Die enge Taktung ist ein Vorteil für das Team mit dem schnellsten Auto, weil neue Teile nicht jede Woche ans Auto kommen können.
Für den GP Belgien, ein halbes Heimrennen für Verstappen, verspricht die Chefabteilung Upgrades. "Das sollte eine spürbare Verbesserung auf der Chassisseite bringen", sagt Helmut Marko. Damit soll die Lücke zu Mercedes weiter geschlossen werden. Der Circuit de Barcelona-Catalunya war eine Strecke, die Stärken und Schwächen der Autos aufdeckt. Eine lange Gerade für den Motor, langsame Kurven, mittelschnelle und schnelle. Motorleistung, Abtrieb, aerodynamische Effizienz, mechanischer Grip: Alles ist dort gefragt.
Auch Mercedes mit Updates
Verstappen verlor in der Qualifikation in allen Sektoren gleichmäßig. Zwei Zehntel im ersten Abschnitt, drei im Mittelsektor, zwei hinten heraus. Das zeigt, dass der Mercedes mehr Leistung hat, mehr Abtrieb und auch die bessere Mechanik für die langsamen Kurven im letzten Abschnitt.
Mit den Upgrades will sich Red Bull in allen Bereichen Stück für Stück heranrobben. Und jetzt kommt wieder der Rennkalender ins Spiel. Red Bull hofft, dass diese Saison, die von Corona geprägt ist, noch lange andauert und Liberty Media viele Rennen unterbringt. Ist es überhaupt möglich, Mercedes einzuholen? "Das hängt davon ab, wie lange die Saison sein wird. Wir müssen sehen, wie viele Rennen es tatsächlich noch gibt. Momentan fahren wir bis Dezember. Das räumt uns Zeit ein, so viel Performance zuzugewinnen, wie es möglich ist", sagte Teamchef Horner bei uns im Interview.
Mercedes wird Red Bull die Aufholjagd nicht leicht machen. Auch Brackley hat für den nächsten Dreierpack Upgrades angekündigt. Und damit sind nicht nur kleinere Flügel für Spa und Monza gemeint. "Es sind Updates für die Performance."
Wem hilft ein Motor-Modus?
Eine Hoffnung Red Bulls ist, dass die FIA tatsächlich ab Belgien einen einheitlichen Motormodus vorschreibt. Bislang ist das nur eine Drohung. Red Bull verspricht sich davon, eine Art Abkürzung zu nehmen, um mit dem Gesamtpaket gleichzuziehen. Mercedes würde seinen übermächtigen Qualifikationsmodus verlieren. Red Bull glaubt, dass sich die Motoren annähern würden und der Leistungsnachteil von Honda gegenüber Mercedes dann geringer ausfällt. Der Sechszylinder-Turbo aus Brackley wird trotzdem das Maß der Dinge bleiben. Da gibt sich auch Red Bull keinen Illusionen hin.
"Aber nicht in dem Ausmaß wie bisher. Sie waren nicht nur in der Quali durch den Motor überlegen, sondern in der Startrunde, der Inlap in die Box, der Outlap, beim Überholen und beim Verteidigen. Über die Distanz sollte unser Defizit geringer sein", glaubt Marko. Mercedes sieht für sich eher einen Vorteil als einen Nachteil. "Wir glauben, dass es uns im Rennen sogar helfen wird. Die heißen Runden in der Qualifikation setzen dem Motor stark zu. Es ändert sich die Matrix, sollte die FIA tatsächlich die Regeln ändern. Wir begreifen das als Chance. Fünf Quali-Runden mit maximaler Leistung weniger lassen uns im Rennen für 25 Runden mit mehr Leistung fahren", urteilt Toto Wolff.
Es bleibt abzuwarten, wer profitiert und wer nicht. In Jedem Fall wird Red Bull nicht lockerlassen, bis man Mercedes eingeholt und Verstappen ein siegfähiges Auto hingestellt hat. Red Bulls Juwel ist der Star im Team, genießt aber nicht uneingeschränkte Narrenfreiheit. "Wir werden dem Max erklären, dass er fürs Fahren zuständig ist und wir für die Strategie", erzählte Doktor Marko nach dem GP Spanien – in Anspielung an Verstappens flotte Funksprüche, in denen er vehement einen früheren Reifenwechsel einforderte.