Renault-Technikchef Bob Bell
Renault nimmt sich Zeit für sein drittes Formel 1-Abenteuer. Technikchef Bob Bell hält nichts von Aktionismus. Immerhin kennt Renault seine Defizite und weiß, worauf man sich konzentrieren muss.
Bob Bell ist im Renault-Basislager Enstone kein Unbekannter. Der 57-jährige Nordire war in den goldenen Jahren 2005 und 2006 Technikchef der Mannschaft, die mit Fernando Alonso 2 Fahrer- und 2 Markentitel eingefahren hat. Jetzt spielt Bell für Renault in Enstone erneut den Feuerwehrmann. Dazwischen hatte er bei Mercedes und Marussia Station gemacht.
Bob Bell ist für Motorenchef Remi Taffin und Chassis-Direktor Nick Chester die zentrale Anlaufstelle. Er koordiniert das Comeback des französischen Automobilherstellers als Werksteam in der Formel 1. Und hat dabei eine ähnliche Aufgabe zu stemmen wie 2011, als er bei Mercedes die Leitung der Technikabteilung übernahm.
Renault-Technikchef Bob Bell sieht Parallelen zu Mercedes
Bell erkennt Parallelen und Unterschiede: "Bei Mercedes war die Aufgabenstellung ähnlich wie jetzt. Wir mussten dieses Ding dazu bringen, Rennen zu gewinnen. Das gute an Enstone ist: Der Kern der Leute, die noch da sind, weiß wie man gute Rennautos baut. Aber wir leben in einer anderen Ära als 2005. Wichtig ist es jetzt, die richtigen Grundlagen zu schaffen, langfristig Erfolg zu haben. Nicht auf das nächste Rennen schauen, sondern eineinhalb Jahre voraus."
Bei Renault hat er dazu mehr Befugnisse. "Ich habe hier mehr Einfluss auf die Motorentwicklung, ohne dass ich ein Motoringenieur bin. Aber beides muss miteinander vernetzt werden. Ich muss sicherstellen, dass beide Abteilungen in die gleiche Richtung marschieren, und dass die Ressourcen korrekt auf die beiden Abteilungen verteilt werden."
Der Meistermacher von einst glaubt, dass ein Werksteam am Ende immer einen Vorteil gegenüber Kundenteams hat: "Es ist wahrscheinlich eine Angelegenheit von ein paar Zehnteln. Aber genau die zählen. Es lässt dich einfacher effizienter arbeiten, wenn alles unter einem Dach ist."
Nicht alle Kompromisse ausradieren
Im ersten Jahr wird Renault ein hartes Brot essen müssen. Das ist auch Bell klar: "Wir müssen große Schritte machen. Aber wenigstens wissen wir jetzt, wo unsere Defizite liegen. Und in welchen Bereichen wir entwickeln müssen. Und dafür nehmen wir uns die notwendige Zeit. Motorentwicklung geschieht nicht über Nacht. Sie ist immer ein feiner Grat zwischen Leistungssteigerung und Zuverlässigkeit. Beim Chassis ist es einfacher. Wenn du einen neuen Frontflügel entwickelst, ist es unwahrscheinlich, dass du deswegen ausfällst. Das Risiko ist überschaubar. Ein neuer Kolben ist eine andere Dimension."
In der Saison 2016 muss Renault mit dem Handikap klar kommen, ein Auto zu haben, das für einen Mercedes-Motor konzipiert, aber für einen Renault-Motor gebaut wurde. "Der Motorwechsel kam sehr spät, und Enstone hatte aus finanziellen Gründen die Entwicklung für eine signifikante Periode auf kleiner Flamme laufen lassen. Wir werden mit diesen Kompromissen im ersten Jahr leben müssen. Es ist fast unmöglich, alle schon 2016 auszuradieren. Ein Podium ist in diesem Jahr nur möglich, wenn die Umstände verrücktspielen."
Der Plan liegt für Bell auf der Hand: "2016 bedeutet für uns, mit einem zuverlässigen Auto zu lernen und im Laufe der Saison Fortschritte zu zeigen. WM-Punkte sind zweitrangig. Renault hat sich langfristig für die Formel 1 entschieden. Wir können diesen Plan nicht dadurch in Gefahr bringen, dass wir schnellem Erfolg zuliebe kurzfristige Lösungen ans Auto bringen. Wir werden vorsichtig vorgehen und sicherstellen, dass jedes Upgrade den Zeitgewinn bringt, den die Daten versprechen. Es ist nicht so wichtig, was du sichtbar am Auto änderst, sondern Konzepte und Arbeitsmethoden zu entwickeln, die eine Basis für langfristigen Erfolg schaffen."