Die Gründe für die Langeweile

Das Saisonfinale war ein Langweiler. Max Verstappen dominierte im Rennen von A bis Z. Die Mercedes-Fahrer quälten sich mit einem untersteuernden Auto. Im Mittelfeld war nach acht Runden klar, dass McLaren auf Kurs zu Platz drei in der Team-WM ist. Überholmanöver waren Mangelware.
Abu Dhabi ist keine Rennstrecke für Spektakel. Nur 32 Überholmanöver zählte das Saisonfinale der 71. Formel 1-Saison. In unserer Rennanalyse beantworten wir die wichtigsten Fragen.
Warum war das Rennen so langweilig?
Red Bulls Teamchef Christian Horner brachte es auf den Punkt. "Das war das langweiligste Rennen, das du gewinnen kannst." Red Bull war zu überlegen, als dass in irgendeinem Moment tatsächlich Spannung aufkam. Ein frühes Safety Car diktierte die Strategie. 13 Fahrer tauschten in der zehnten Runde die Reifen. 12 davon kamen mit einem Stopp über die Runden. Nur Haas holte Pietro Fittipaldi noch zwei weitere Male rein. Ein Überhitzungsproblem am Motor zwang ihn dazu.
Nach dem Safety Car waren die Positionen bezogen. Es gab in den Top 10 nur drei Unruhestifter: Daniel Ricciardo, Sebastian Vettel und Charles Leclerc, die ihr Glück mit einem längeren ersten Stint suchten. Zieht man sie ab, hat man die Reihenfolge im Ziel: Verstappen vor Bottas, Hamilton, Albon, Norris und Sainz.
In Abu Dhabi ist Überholen eine Kunst. Die funkelnde Strecke am Persischen Golf sieht im TV zwar schön aus, ist ansonsten aber ein Stimmungskiller. Spannung bezogen die Grand Prix in der Vergangenheit nur von den WM-Entscheidungen. 2010 verhungerte Fernando Alonso hinter Vitaly Petrov. 2016 bremste Lewis Hamilton Nico Rosberg bewusst ein. Ansonsten sind die Rennen langweilig. "Drei bis vier Sekunden hinter dem Vordermann rutscht du hier nur herum", beklagte Hamilton den Effekt der verwirbelten Luft, die dafür sorgt, dass Anpressdruck an der Vorderachse verloren geht. "Hoffentlich haben wir das 2022 mit den neuen Autos und besseren Reifen ausgeräumt."
Die Kurvenfolgen machen es schwer, dranzubleiben. Man muss schon signifikant schneller sein, um im Geflecht der Kurven fünf bis sieben sich so zu positionieren, damit man auf den folgenden langen Geraden mit DRS überholen kann. Doch meistens liegt man vor dem ersten Sektor schon zu weit zurück. Weil das hinterherfahrende Auto im letzten Abschnitt mit elf der 21 Kurven zu viel Boden verliert. Esteban Ocon erklärt, wieso: "Alle Kurven hängen dort nach außen. Du brauchst Grip, verlierst ihn dadurch aber. Im Prinzip rutschst du im letzten Sektor beim Hinterherfahren nur herum." Wie üblich nach Abu Dhabi forderten Fahrer und Teamchefs Veränderungen am Streckenlayout. "Es gibt ein paar Alternativen, die wir in Betracht ziehen sollten", meint zum Beispiel Ricciardo.
Wieso war Red Bull so überlegen?
Verkehrte Welt: Nicht Mercedes war auf seiner Paradestrecke haushoch überlegen, sondern Red Bull. Max Verstappen feierte einen lupenreinen Start-Ziel-Sieg. In Bedrängnis brachten ihn die Verfolger in den ansonsten pfeilschnellen Silberpfeilen nie. Diesmal waren die Seriensieger zahnlos.
Der siegreiche Fahrer und seine Teambosse führten es auf mehrere Faktoren zurück: ein Auto, das in der Balance war und mit den Reifen harmonierte. Die Ausgeglichenheit in allen Sektoren. Die errungene Pole Position in einem Tausendstel-Krimi, die es Verstappen erlaubte, in sauberer Luft zu fahren. "Das Gefühl kannten wir gar nicht mehr. An der Spitze kannst du dir die Reifen und das Rennen allgemein besser einteilen und die Gegner beobachten", führte Sportchef Helmut Marko aus.
Der RB16 verlor keine Zeit auf den Geraden und war in den entscheidenden Kurven besser als der Mercedes. Mit einem letzten Kraftakt hat die Entwicklungsabteilung in Milton Keynes die Aerodynamik noch effizienter getrimmt. Das Verhältnis aus Abtrieb und Luftwiderstand ist noch besser geworden. Red Bull brachte außerdem Vorder- und Hinterreifen zuverlässig ins Arbeitsfenster und bewahrte sie davor, zu überhitzen.
Den Verantwortlichen wurde vor Augen geführt, wie wichtig eine zuverlässige Nummer zwei ist. Zum ersten Mal ließ sich Alexander Albon nicht abschütteln. Er überholte Lando Norris in der sechsten Runde und verfolgte die Mercedes bis ins Ziel. Nie war Albons Rückstand größer als 8,6 Sekunden auf Hamilton. Und so konnte es Mercedes nie riskieren, einen zweiten Boxenstopp einzulegen, um Red Bull aus der Reserve zu locken. Es hätte keine Garantie gegeben, den Thailänder auf einer überholfeindlichen Strecke mit frischeren Reifen noch ein- und zu überholen. Zumal der Red Bull die Reifen besser in Schuss hielt. "Hätten wir unter Safety Car die Strategie geteilt, wäre das Risiko zu groß gewesen. Dann wären wir nicht Zweiter und Dritter geworden. Auch hinten heraus waren uns die Hände gebunden. Red Bull war einfach schneller", führte Mercedes.Teamchef Toto Wolff aus.
Wie geschwächt war Hamilton?
Wie sein Auto fand der Weltmeister nicht zur gewohnten Form. Der Teamkollege war auf eine Runde schneller und blieb auch über die Distanz vorn. Auch wenn Hamilton im zweiten Rennteil einen Tick schneller war.
Der siebenfache Weltmeister hat noch mit den Auswirkungen seiner Corona-Erkrankung zu kämpfen. Der Körper war noch geschwächt. "Ich bin körperlich noch nicht auf der Höhe, noch nicht auf dem Niveau, das ich vor Corona hatte. Ich war nach einem Rennen noch nie so außer Atem."
Doch auch ein Hamilton in Topform hätte die Probleme nicht überfahren. "Red Bull hatte einfach das schnellere Rennauto. Albon hat gegen Rennende noch stark aufgeholt. Das zeigt uns, dass ihr Auto im Fenster war, unseres nicht. Auch ein zu 100 Prozent fitter Lewis hätte uns diesen Grand Prix nicht gewonnen", meint Teamchef Toto Wolff.
Auch in freier Luft waren die Mercedes flügellahm. Der W11 untersteuerte zu stark. "Wir haben beim Boxenstopp am Frontflügel nachjustiert. Dadurch wurde es besser. Red Bull war aber immer noch zu schnell für uns", sagte der Zweitplatzierte Bottas. In den Kurven fünf bis sieben und elf bis 13 ging die meiste Zeit flöten. Ausgerechnet bei den schnellen Richtungswechseln, wo man Red Bull im Vorjahr noch verprügelt hatte. Auch die Reifen nahm der Mercedes härter ran. "Wir haben es in alle Richtungen versucht. Die Hinterachse zu schwächen, damit die Vorderachse zubeißt. Es wollte nichts klappen", äußerte sich der Teamchef.
Wieso rollte Perez aus?
Mercedes hat ein Problem mit der MGU-K. Sergio Perez schied wegen eines vermuteten Schadens an der Elektromaschine zum zweiten Mal in den letzten drei Rennen aus. Im ersten Bahrain-Rennen hatte ihn die MGU-K ein sicheres Podium gekostet. In Abu Dhabi endete seine Aufholjagd vom Ende der Startaufstellung nach acht Umläufen. Da war der Mexikaner schon 14.
Vor dem Finale hatte Racing Point zwar Motor, Turbolader und MGU-H getauscht, verbaute aber eine alte MGU-K. Und die stieg im Auto mit der Startnummer 11 offenbar vorzeitig aus. Damit war auch die Hoffnung auf den dritten Platz in der Konstrukteurs-Wertung dahin. McLaren schnappte ihn sich mit einem astreinen Rennen. Zwei Defekte bei Racing Point, einer bei Williams im Training.
Motorenlieferant Mercedes musste zugeben, dass in der MGU-K ein Gremlin steckt, und man deshalb die Motorleistung runterregelte. Nur in der Quali und in den Schlüsselmomenten des Rennens steuerte die E-Maschine die vollen 163 Elektro-PS bei. Gegen Verstappen hätte man aber auch mit voller Leistung keine Chance gehabt. Die Ingenieure rechneten vor, dass maximal eine Zehntel verloren ging in den Runden im Schongang.
Warum war das Safety Car schlecht für Ricciardo und Vettel?
Daniel Ricciardo, Sebastian Vettel, Sergio Perez und Kevin Magnussen versuchten ihr Glück auf den harten Reifen am Start. Das Ziel war klar: Hoffen, dass die Fahrer auf den weichen Reifen einbrechen, früh an die Box müssen und man sich selbst mit einem langen ersten Stint einen Vorteil verschafft, und dann hinten heraus auf frischen Reifen zuschlägt.
Der Plan ging nicht so recht auf. Nur Ricciardo erreichte die Punkte. Ihm und Vettel stand aber das frühe Safety Car im Weg. Die Mehrzahl nutzte das Geschenk des frühen virtuellen Safety Cars, durch das man sich beim Reifen.echsel um die acht Sekunden spart. Später wurde ein echtes Safety Car daraus, weil es zu lange dauerte, den Racing Point von Perez von der Strecke zu ziehen.
"Das Safety Car hat uns leider nicht in die Karten gespielt", bedauerte Vettel. Der scheidende Ferrari-Pilot rückte zwar vom zwölften auf den siebten Platz auf, hatte aber ältere Reifen als die Verfolger. So schlüpften Carlos Sainz und Pierre Gasly durch.
Der Ferrari war auch einfach nicht schnell genug, um die Strategie zum Erfolg zu bringen. Nach dem Reifen.echsel in Runde 35 auf Mediums war Vettel 15. "Und der zweite Reifen.atz hat mir leider Probleme bereitet." Endstation war der 14. Platz. Für den Teamkollegen lief es als 13. nicht besser.
Warum teilte Ferrari die Strategie unter Safety Car nicht? Dazu Sportchef Laurent Mekies: "Wir steckten in der Anfangsphase hinter den Autos auf weicheren Reifen fest. Wären wir ihnen an die Box gefolgt, wären wir weiter hinter ihnen gewesen. Wir mussten etwas anders machen, um Positionen zu gewinnen."
Renault brachte Daniel Ricciardo vom elften auf den siebten Platz vor. Auf den harten Reifen war der Australier sogar schneller als die McLaren hinter ihm auf frischeren Sohlen. Doch die betrieben nur Reifen.anagement. "Das war das einzige, was wir machen mussten. Ansonsten war das Rennen für uns nach dem frühen Safety Car ziemlich einfach", schilderte McLaren-Teamchef Andreas Seidl.
Ricciardo bedauerte: "Ohne das Safety Car hätten wir die McLaren vielleicht mehr unter Druck setzten können. So kam ich nach meinem Stopp im Niemandsland raus. Die Lücke war zu groß, als sie in 16 Runden noch zuzufahren." Ricciardo verkürzte noch von 15 auf acht Sekunden.