Strohfeuer oder Befreiungsschlag?
Nico Rosberg hat den Lauf von Lewis Hamilton gebrochen. Mit seinem ersten Saisonsieg ist der WM-Zweite wieder im Geschäft. Jetzt will er auf der Welle surfen, die zuvor seinen Teamkollegen beflügelt hat. Wie vor einem Jahr nach seinem Sieg in Monte Carlo.
Es war schon fünf vor Zwölf. Wie vor einem Jahr in Monte Carlo. Auch damals reiste Lewis Hamilton mit vier Siegen in Folge und Selbstvertrauen im Überfluss an. Nico Rosberg musste gewinnen. Und er gewann. Danach lief es für den Deutschen im Mercedes-Team. Bis zur Sommerpause kam er mit einer Ausnahme immer vor dem Teamkollegen ins Ziel.
Rosberg reiste mit den gleichen Vorzeichen nach Barcelona wie 2014 nach Monte Carlo. Ein Sieg war Pflicht. Trotzdem wollte der WM-Zweite die beiden Siege nicht miteinander vergleichen: "Jede Saison läuft anders. Das wichtigste an diesem Tag ist, dass ich sieben Punkte auf Lewis gutgemacht habe."Auf die Mithilfe von Sebastian Vettel wartete er vergebens. Hamilton überholte den Ferrari über die Taktik in der Boxengasse. "Für das Team war es besser so. Ich hätte noch ein paar Punkte dazugewonnen. Du bist da immer hin und hergerissen."
Befreiungsschlag ohne Langzeitwirkung?
War es ein Befreiungsschlag? Teamchef Toto Wolff will Rosbergs Sieg nicht überbewerten: "Das hat keine endgültige Bedeutung. Unsere Fahrer sind mental stark. Wenn sie am Abend das Fahrerlager verlassen, haben sie ihre Niederlagen schon wieder abgehakt."
Auch Rosberg versuchte die psychologische Bedeutung seiner Siegesfahrt herunterzuspielen. "Du schwankst immer zwischen Selbstzweifel und Selbstvertrauen. Das ist bei einem Sportler normal. Der Druck war da, aber er war auszuhalten." Rosberg kam nach Spanien mit dem Wunsch, endlich mal ein perfektes Wochenende zu haben. "Dann bekomme ich auch die Ergebnisse, die ich mir erwarte."
Wer daran zweifelte, wurde in Barcelona eines Besseren belehrt. Auch für Rosberg war es eine Bestätigung. Er weiß jetzt, dass er seinen Teamkollegen schlagen kann, wenn bei ihm alles nach Plan verläuft. Der Herausforderer gewann zwei der drei freien Trainingssitzungen, er dominierte die Qualifikation, und er bestimmte im Rennen das Tempo von der Spitze weg.
Fehler machte diesmal Hamilton
Die Fehler machte diesmal der Feind im eigenen Haus. Hamilton suchte das ganze Wochenende nach der perfekten Fahrzeugabstimmung. Rosberg fand sie schon am ersten Tag und blieb ihr treu. Hamilton kam beim Start nicht richtig vom Fleck. "Zu viel Schlupf." Rosberg gelang der beste Start in diesem Jahr. Weil das Team wieder auf die Kupplung aus dem letzten Jahr zurückgriff. Rosberg fühlt sich damit wohler: "Sie rastet berechenbarer ein und lässt konstantere Starts zu als die 2015er Spezifikation."
Hamilton hätte auch mit der neuen Kupplung leben können. Weil er mit den Schwankungen im Kraftschluss besser zurechtkam. Er kündigte schon vor dem Start spöttisch an, dass er diesmal gegen Rosberg beim Spurt in die erste Kurve nichts gutmachen könne. Dass ausgerechnet ihm mit der einfacher zu beherrschenden Kupplung der Fehler unterlief, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. "Das alte Modell ist besser als das neue. Die Herren Ingenieure wollte wieder etwas neu erfinden, was schon erfunden war", zog Niki Lauda einen Schlussstrich unter das Kupplungsthema.
Als Rosberg in Führung ging, hatte er für seine Verfolger nur noch einen Blick: "Ich sehe im Rückspiegel, dass Lewis und Sebastian nebeneinander hinter mir lagen und weit weg waren. Ab da habe ich mich nur noch aufs Fahren konzentriert."
Nur einmal kamen dem Sieger noch Zweifel auf. Als die Dreistoppstrategie Hamilton für fünf Runden an die Spitze spülte. Das Team beruhigte Rosberg, dass der Stallrivale noch ein Mal an die Boxen müsse. Aber durfte man sich darauf blind verlassen? "Für einem Moment habe ich mich auch gefragt: Was, wenn er doch draußen bleibt? Dann habe ich aber schnell realisiert, dass es unmöglich ist."