Was passiert bei Totalausfall?
Die Formel 1 hat sich auf einen niedrigeren Budgetdeckel geeinigt. Das ist aber nur eine Momentaufnahme. Was passiert, wenn die Saison ausfällt und drei oder vier Teams vor die Hunde gehen? Jean Todt plädiert in diesem Fall für eine Super-Formel 2. Genau der richtige Weg, findet Michael Schmidt.
Der erste Schock ist verdaut. Die Corona-Krise hat der Formel 1 das Sparen beigebracht. Fabrikschließungen, Homologation von Teilen, Entwicklungsverbote am 2022er Auto: Das alles hält die Verluste, die alle Teams im Moment schreiben, in Grenzen. Auch für die Zukunft hat die Formel 1 vorgesorgt. Der Budgetdeckel sinkt. Da haben die Drahtzieher der Formel 1 die Gunst der Stunde genutzt und aus der Not eine Tugend gemacht. Krisen haben oft auch eine gute Seite.
Ist die Formel 1 damit aus dem Schneider? Sicher nicht. Die im Augenblick beschlossenen Maßnahmen gehen alle davon aus, dass es in diesem Jahr noch eine Weltmeisterschaft gibt, wenn auch mit reduziertem Programm. 15 Grand Prix sind das angepeilte Mindestziel. Dann fließen wenigstens die TV-Gelder. Sponsoren und Werbepartner müssen wenigstens einen Teil der vereinbarten Zahlungen leisten.
Doch was passiert im Worstcase-Szenario? Wenn dieses Jahr gar kein Rennen mehr stattfindet? Wenn drei oder vier Teams diese Saison nicht überleben und zusperren?
Große Teams wollen drei Autos
Ich habe FIA-Präsident Jean Todt diese Frage gestellt. Seine Antwort war deutlich. "Dann müssten wir uns mit den Inhabern der kommerziellen Rechte Grundsatzfragen stellen wie: Wie soll die Formel 1 der Zukunft aussehen? Im schlimmsten Szenario wäre die Formel 1, wie wir sie heute kennen, nicht mehr möglich. Mit einem Kostendeckel von 50 Millionen Dollar ohne Ausnahmen wäre nichts mehr wie es war. Es wäre eine völlig neue Formel 1. Eine Super-Formel 2."
Die Topteams werfen natürlich eine andere Idee in die Diskussion. Die verbleibenden Teams müssten dann drei Autos an den Start bringen, oder jeder Rennstall eine Junior-Truppe nach dem Vorbild Red Bull. Typisch: Die großen Teams könnten dann weiter Geld ausgeben wie sie wollen und hätten noch mehr Kontrolle.
Ich tendiere wie Todt zum totalen Neubeginn. Eine Rennserie, in der die sechs Überlebenden das ganze Feld ausrüsten, wäre noch verwundbarer als die aktuelle Konstellation. Die FIA und das F1-Management würden sich mit Haut und Haaren in die Hände dieser Teams begeben. Die würden die Regeln bestimmen, nicht mehr die Sporthoheit und die Rechteinhaber.
Budgetlimit von 50 Millionen
Schon jetzt in der Stunde der Not zeigt sich, wie anfällig ein Feld mit nur zehn Teams ist. Jede Entscheidung steht unter der Maßgabe: Bloß keinen verlieren. Keinen Kleinen und keinen Großen. Das ist der Stoff für Erpressungen, egal in welche Richtung. Hätten wir 12 oder 13 Teams könnten wir einen auch mal über die Klinge springen lassen, wenn daraus eine Lösung entsteht, die für den Sport insgesamt besser ist.
Wir stecken schon jetzt in zu vielen Abhängigkeiten. Haas, Alfa Romeo, Racing Point und Alpha Tauri können ohne die Hilfe ihrer Senior-Partner gar kein Auto mehr bauen. Wir dürfen auf keinen der Automobilhersteller verzichten, weil sie die einzigen sind, die diese hochkomplexen Motoren bauen können. Wir müssen beten, dass genug zahlungswillige Milliardäre in der zweiten Reihe stehen, um notfalls ein sterbendes Team zu retten.
Ich hätte im schlimmsten Fall nichts gegen das, was Todt eine Super-Formel 2 nennt. Bei einem Budgetlimit von 50 Millionen Dollar und konventionellen Motoren, die mit CO²-freien Kraftstoffen betrieben werden, könnte man bestimmt zwölf Teams auf die Beine stellen, die ihr eigenes Auto bauen. Das wäre ein Anfang, auf dem sich wieder etwas aufbauen ließe.
Und der unter Umständen sogar den spannenderen Sport bieten würde. Das Gute dabei: Man würde die Fehler der Vergangenheit kennen und sie beim Wachsen kein zweites Mal machen. Mit der Alternative drei oder vier Autos pro Team würde man genau diese Fehler einfach nur wiederholen.