Streit um F1-Auto für 2017
Die FIA besteht darauf: Die breiten Autos für 2017 kommen. Vielleicht scheitert der Plan aber auch an einer Formalie: Pirelli fordert Testgarantien, doch die Teams wollen keine Autos dafür bauen.
Am Anfang war die Begeisterung groß. 2017 sollen breitere Autos mit breiteren Reifen kommen. Es gab ein Konzept von Red Bull, eines der FIA, eines von McLaren und am Ende entschied man sich für den goldenen Mittelweg. Der McLaren-Vorschlag erhöht den Abtrieb um rund 25 Prozent. Die Reifenbreite steigt auf 30 Zentimeter vorne und 40 Zentimeter hinten.
Nach reiflicher Überlegung sind Teams und Fahrer nun aber nicht mehr sicher, ob die Formel 1 sich damit nicht schon wieder auf einen Irrweg begibt. Die aktuellen Autos sind in Melbourne die zweitschnellste Pole Position-Runde aller Zeiten gefahren und haben in Bahrain den absoluten Rekord aus dem Jahr 2005 gebrochen. Wozu also neue Autos, wo doch das Überholen jetzt schon schwierig genug ist?
Hälfte des Zeitgewinns durch mechanischen Grip
FIA-Präsident Jean Todt und Rennleiter Charlie Whiting haben in Bahrain erklärt, warum sie dennoch an der neuen Formel 1 festhalten wollen. "Die Aufgabe an uns war: Die Formel 1 soll wieder die Spitze des Motorsports sein, die Autos müssen aggressiv aussehen und es muss mehr Überholmanöver geben. Es gab unzählige Meetings, wir haben Ingenieure und Fahrer konsultiert, wir haben sehr viel Arbeit in die Lösung des Problems gesteckt. Herausgekommen ist ein guter Mittelweg."
Davon sind acht der 11 Teams nicht mehr überzeugt. Und auch einige Fahrer melden Zweifel an. "Was wir brauchen, ist mehr mechanischer Grip und weniger Abtrieb. Damit man dem vorausfahrenden Auto wieder folgen kann", fordert Lewis Hamilton.
Whiting erwidert: "Die Hälfte des Zeitgewinns wird von den breiteren Reifen kommen." Sebastian Vettel fügt hinzu: "Auf eine Runde sind die aktuellen Autos schnell genug. Wichtig ist, dass die Rundenzeiten im Rennen wieder sinken." Viele Ingenieure glauben nicht daran. Auch bei der neuen Formel wird der Reifen wieder der limitierende Faktor sein.
Pirelli will Testgarantien im FIA-Vertrag
Obwohl am 30. April nur noch über Details abgestimmt werden soll, ist es nicht sicher, ob die breiteren Autos jemals kommen. Der Teufel steckt in einer Formalie. Nachdem Teams und Fahrer Pirelli bei einem Treffen im Januar in Mailand unverblümt mitgeteilt haben, was sie von den neuen Reifen in Bezug auf Haltbarkeit, Gripverlust und Temperaturempfindlichkeit verlangen, schlägt Pirelli jetzt zurück. Todt und Whiting bestätigten, dass Pirelli in seinem neuen Ausrüstervertrag Garantien über ausreichend Testfahrten mit den breiten Reifen verlangt. Und das ist einer der Gründe, warum sich die Unterschrift so lange hinauszögert.
Whiting beruhigt die Gemüter: "Pirelli hat sich verpflichtet, die gewünschten Reifen zu liefern. Wir haben in unsere Regeln extra Testtage während der Saison 2016 für Pirelli eingebaut. Die Teams haben vorgeschlagen, 2015er Autos mit modifizierter Aerodynamik als Testträger zur Verfügung zu stellen. Was wir noch nicht wissen ist, wie viele Teams sich daran beteiligen."
2017 will FIA erstmals wieder schnellere Autos
Pirelli will die Tests nur mit Autos durchführen, die dem erwarteten Zuwachs an Anpressdruck entsprechen. Die Ingenieure fragen sich, ob das überhaupt möglich ist. Keiner ist bereit ein Extra-Auto für die Tests zu bauen. "Das würde 10 Millionen Euro kosten. Teams, die im WM-Kampf stehen wie Ferrari und wir, haben nebenher nicht die Kapazität eigene Autos zu konstruieren", heißt es bei Mercedes. Weiter hinten im Feld fehlt schlicht das Geld.
Auch an der Basis regt sich Widerstand. "Wer bezahlt für die Testfahrten mit modifizierten Autos? Zählen die Windkanaltests, die man zur Absicherung durchführen muss, zum 25 Stunden-Kontingent?", fragt Force India. Whiting gibt zurück: "Pirelli will Geld für jeden Kilometer dazugeben."
Mercedes-Technikchef Paddy Lowe bringt einen interessanten Punkt ins Spiel. "In der Geschichte der Formel 1 war bisher jede Regeländerung dazu bestimmt, die Autos langsamer zu machen. Jetzt haben wir zum ersten Mal den Auftrag, dass wir schnellere Autos bauen sollen." Was zu einem grundsätzlichen Problem führt. Für langsamere Autos muss der Reifenhersteller nicht testen. Für schnellere schon.
Mehrere Ingenieure meinten in Bahrain übereinstimmend, dass die 2015er Autos nicht genügend Spielraum haben, den Abtrieb um 25 Prozent zu erhöhen und breite Reifen draufzuschnallen. Die Mechanik sei dafür gar nicht konstruiert. Die Gegner der neuen Autos hoffen jetzt, dass die Reform in eine Sackgasse läuft. Wenn keiner Testautos für die Reifen bauen kann oder will, wird Pirelli auch keine neuen Reifen bauen.