Toro Rosso entgeht Strafe
Der Technik-Delegierte Jo Bauer stellte bei der Abnahme des Toro Rosso von Carlos Sainz ein beschädigtes Radseil fest. Das Team weigert sich zunächst, es zu tauschen. Weil das Seil so ab Werk geliefert wurde. Eine Strafe gab es nicht.
Das FIA-Dokument Nummer 5 ist 9 Zeilen lang und enthält ein Foto. Das gab es noch nie, seit Jo Bauer der Technische Delegierte des Weltverbandes ist. Also schon seit 22 Jahren. Das Foto zeigt einen Teil eines Querlenkers der rechten Vorderradaufhängung, ein Radseil und den Ansatz des Radträgers. Es gehört zum Toro Rosso von Carlos Sainz.
Dazu steht folgender Text: „Während der ersten technischen Abnahme wurde am Auto mit der Startnummer 55 ein beschädigtes Radseil festgestellt. Die Technikkommissare machten das Team auf diesen Missstand aufmerksam und baten Toro Rosso das Radseil zu ersetzen. Das Team weigerte sich. Deshalb untersuchte der Technische Delegierte (Jo Bauer) selbst das beanstandende Teil und stellte dabei fest, dass das Radseil nicht nur beschädigt, sondern dass die durchgetrennten Fasern zusammengeknotet wurden. Daraus ist zu schließen, dass der Rennstall von dem Schaden wusste und das Auto bewusst in einen unsicheren Zustand zur technischen Abnahme brachte. Nach meiner Meinung ist das eine Verletzung von Artikel 3.3 des aktuellen Sportgesetzes. Ich verweise deshalb die Angelegenheit an die Sportkommissare.“
Radseil beschädigt oder immer so?
Die FIA kennt in Sicherheitsfragen normalerweise kein Pardon. Dieser Toro Rosso wäre in Silverstone keinen Meter gefahren, solange sich der Verdacht erhärtet hätte, dass hier eine Beschädigung vorliegt. Ließe man so ein Auto in diesem Zustand teilnehmen, würden sich die Sportkommissare strafbar machen. Die Formel 1 hat schon schlechte Erfahrung mit losen Rädern gemacht. 2000 wurde in Monza ein Feuerwehrmann getötet, 2001 in Melbourne ein Streckenposten.
Doch laut Toro Rosso lag in diesem Fall keine Beschädigung vor. Die Radseile werden so ab Werk geliefert. Was Experten verwundert. Ein geknotetes Seil kann nie so widerstandsfähig sein wie ein durchgängiges. Die FIA besorgte sich deshalb eine Bestätigung des Schweizer Herstellers Cortex. Die Firma dokumentierte den Vertretern des Weltverbandes, dass die Radseile in dieser Form geliefert werden und den Anforderungen des Reglements begnügen.
Damit durfte ToroRosso am Training teilnehmen, ohne die Radseile zu ersetzen. Für die Technik-Kommissare der FIA ist das eine wenig befriedigende Lösung: „Wie sollen wir in Zukunft erkennen, ob ein Knoten serienmäßig ist, oder ob er nach einer Beschädigung geknüpft wurde?“, fragt einer der Technischen Delegierten.
Die Radträger sind derzeit mit je zwei Radseilen aus Zylon befestigt. Sie können eine Energie von 7 Kilo Joule aufnehmen. Im nächsten Jahr verlangt die FIA pro Rad sogar drei Halterungen. Die Radseile laufen durch die Querlenker und sind mit dem Radträger verschraubt. Trotz der Versicherung der Herstellerfirma bestand die FIA darauf, dass Toro Rosso das betreffende Radseil erneuert.
In einer Erklärung des Technischen Delegierten heißt es: „Das Auto wurde uns in einem Zustand präsentiert, das nicht den Regeln entsprach. Der Schutz des Radseils sollte nicht wie im vorliegenden Fall beschädigt sein. Das Radseil war mit Staub bedeckt, vermutlich Bremsstaub. Das ist nicht gut für die Befestigung. Deshalb durfte das Auto mit der Startnummer 55 erst am Training teilnehmen, nachdem das Radseil komplett gewechselt wurde. Die Technikkommissare erkennen an, dass ToroRosso nicht die Absicht hatte, sie in die Irre zu führen. Die FIA wird den Herstellungsprozess dieser Radseile genau untersuchen, um die Sicherheit zu gewährleisten.“