Pirelli rätselt über Ursache
Ein Reifenschaden kostete Max Verstappen einen sicheren zweiten Platz in Imola. Pirellis Analyse ergab, dass ein plötzlicher Luftverlust den Abflug einleitete. Doch wieso es dazu kam, ist unklar. Es gibt Hinweise, aber keine 100-prozentige Aufklärung.
Die schnellsten und schwersten Autos der Formel 1-Geschichte treiben die Reifen an ihre Belastungsgrenze. Auf Strecken wie Silverstone, Spa, Mugello oder in Istanbul sind es die schnellen Kurven und hohen Fliehkräfte, die den Pirellis alles abverlangen. Auf Strecken wie Imola sind es die Randsteine, die den Reifen malträtieren. Sie provozieren Frequenzen und Schwingungen, was den Unterbau strukturell beschädigen kann.
Es gab in dieser Saison schon ein paar Rennen, wo die Umstände zu Reifenschäden führten. In Silverstone beklagte Mercedes gleich zwei davon und McLaren einen. Ein frühes Safety Car, ein langer Stint auf dem harten Reifen, hohe Abnutzung in den schnellen Kurven, vielleicht ein paar Carbonteile sorgten dafür, dass der jeweils linke Voderreifen an den Autos von Lewis Hamilton, Valtteri Bottas und Carlos Sainz den weiteren Dienst verweigerte.
Abflug vor Villeneuve-Schikane
In Mugello gab am Auto von Lance Stroll in den Arrabbiata-Kurven bei mehr als 270 km/h der linke Hinterreifen nach. Die Ursache wurde nie ganz geklärt. Der Kurs in der Toskana war mit seinen vielen schnellen Kurven eine große Herausforderung für Fahrer, Autos und Reifen.
In Imola erwischte es Max Verstappen. Auf der Anfahrt zur Villeneuve-Schikane platzte der rechte Hinterreifen, was den Niederländer einen sicheren zweiten Platz kostete. Aufnahmen der nach hinten gerichteten Onboard-Kamera am Red Bull zeigten, dass sich der Reifen auf der Innenschulter auflöste, bevor er in die Luft geht.
Red Bull ging in einer Blitzanalyse direkt nach dem Rennen davon aus, dass ein Trümmerteil den Reifen geschädigt habe. Mercedes vermutete ein anderes Problem bei der Konkurrenz, weil man selbst strauchelte. Lewis Hamilton hatte während des Stints auf harten Reifen über Vibrationen an der Hinterachse geklagt. Die Rechenmodelle kündigten ein baldiges Ableben der Reifen an. Die Ingenieure erwägten einen Sicherheitsstopp – auch wenn der Führende das Rennen dadurch verloren hätte. Verstappens Abflug nahm Mercedes die Entscheidung ab. Sowohl Hamilton als auch Bottas bekamen für den Schlussspurt frische Reifen unter Safety Car.
Pirelli entdeckt Schnitte
Elf Tage nach Verstappens Unfall ist die genaue Ursache noch immer nicht geklärt. Sie wird es auch nie werden. Der zertrümmerte Reifen lässt kein eindeutiges Ergebnis mehr zu. Pirelli stellte bei seinen ausgiebigen Untersuchungen fest, dass es am rechten Hinterreifen unter der Fahrt zu einem Luftverlust kam. Es muss ein plötzlicher und kein schleichender gewesen sein, sonst hätten die Sensoren und Telemetrie Red Bull alarmiert. Auch der Pilot wurde auf dem falschen Fuß erwischt. Verstappen war machtlos und landete im Kiesbett.
Warum genau der Reifen nachgab, darüber lassen sich nur Vermutungen anstellen. Die plausibelste Erklärung für Pirelli ist, dass ein Trümmerteil im Spiel gewesen sein muss. Jedenfalls stellten die Analysten keine Unregelmäßigkeiten in der Reifen.onstruktion oder einen Ermüdungsbruch des Materials fest. Es gebe Hinweise auf Schnitte auf der Lauffläche, die wahrscheinlich durch ein äußeres Element verursacht wurden, und zum Druckverlust geführt haben können.
Pirelli-Rennleiter Mario Isola schildert. "Wir haben an den Reifen.etzen, die wir noch untersuchen konnten, Schnitte an der Lauffläche und an den Reifen.änden festgestellt. Sowohl außen als auch innen. Wir nehmen an, dass ein starker Schnitt auf der Mitte dazu führte, dass der Reifen.ürtel und die Karkasse beschädigt wurden. Als die Last zu hoch wurde, hat sich die Lauffläche auf der Innenschulter vom Unterbau gelöst." Max Verstappen wurde in seiner Medienrunde auf den Imola-Schaden angesprochen. Der 23-Jährige berichtete: "Wir wissen leider nicht, warum es genau passierte. Wir haben uns die Videos angeschaut und keine Trümmerteile darauf gesehen."
Die Reifen.robleme rund um Mercedes werden noch im Werk in Mailand untersucht. "Daran arbeiten wir zusammen mit dem Team", berichtet Isola. In der Türkei wartet auf Pirelli bereits die nächste Herausforderung. Die berühmte Kurve acht wird mit Fliehkräften von vier bis fünf g an Kopf und Nacken der Fahrer zerren und speziell den rechten Vorderreifen quälen. Wie sehr das in Istanbul in Kurve acht der Fall ist, konnte man bereits 2007 erleben. Damals schälte es ein riesiges Gummistück von Lewis Hamiltons rechtem Vorderreifen. Damals von Reifen.ieferant Bridgestone.
Reifenbelastung steigt um 50 Prozent
Die Piloten erwarten, dass die Kurve mit den abtriebsstarken Autos mühelos Vollgas gehen wird. Mit Geschwindigkeiten von 260 km/h und mehr zwischen sechs und sieben Sekunden´lang. Mercedes erwartet, dass die Belastung in Kurve acht für den rechten Vorder- sowie Hinterreifen um 30 bis 40 Prozent steigt. Allgemein prognostizieren die Weltmeister, dass die Rennstrecke östlich von Istanbul die Reifen um rund 50 Prozent härter rannehmen wird als noch 2011.
Dazu kommt ein neuer Asphalt, den Pirelli im Vorfeld zwar begutachtete, aber über dessen Umgang mit den Autos und Reifen man erst Bescheid wissen wird nach dem Trainingsfreitag. Pirelli fährt deshalb die sichere Schiene. Die Italiener liefern die härtesten Mischungen C1 bis C3 in die Türkei. Und man gibt den Teams wie in Portimao nur sieben statt acht weiche Sätze und dafür je drei Garnituren des Mediums und harten Reifen..
Beim letzten Besuch der Formel 1 in der Türkei wurden im Rennen 80 Mal die Reifen gewechselt. So viele wird es nicht geben, auch wenn die Autos um etwa vier Sekunden schneller sein sollten und nicht mehr 640 Kilogramm leicht, sondern 746 Kilo schwer sind. Doch die Reifen sind robuster geworden.