Leclerc fährt Traumrunde

Eigentlich ist der Outer Circuit von Bahrain Gift für Ferrari. Trotzdem fuhr Charles Leclerc in die zweite Startreihe. Mit einer Runde, die nicht zu verbessern war. Sebastian Vettel haderte mit dem Mittelsektor und Zeitverlust auf den Geraden.
Der Outer Circuit von Bahrain besteht hauptsächlich aus Geraden, ein paar engen Kurven und einer Schikane im Verbindungsstück, die es in sich hat. Auf dem Papier keine Strecke für den Ferrari SF1000, einem Auto, dem es an Motorleistung fehlt, und das aerodynamisch nicht besonders effizient ist.
Ferrari rechnete im Vorfeld mit größeren Problemen als im ersten Bahrain-Rennen. Nach dem ersten Trainingstag änderten sich die Prognosen. Sebastian Vettel stufte Q2 als Pflicht, Q3 als möglich ein. Auch Charles Leclerc versprühte trotz eines Schadens an der Antriebswelle vorsichtigen Optimismus: "Das Auto fühlt sich besser an als erwartet."
Leclerc in Reihe zwei
Einen Tag später fuhr Leclerc seinen Ferrari in die zweite Startreihe. Sein zweiter Startplatz ist eine Sensation. Vor allem, weil ihm im Q3 ein einziger Versuch gleich am Anfang reichte. Dann stieg der Vierte der Startaufstellung aus. Er hatte keine Reifen mehr. "Und hätte ich welche gehabt, wäre ich wahrscheinlich nicht mehr schneller geworden."
Schon am Funk jubelte der Monegasse von einer nahezu perfekten Runde. Vettel war da bereits Zuschauer. Er wurde im direkten Duell im Q2 um 0,35 Sekunden abgehängt. Irgendwie durfte er froh sein, überhaupt gefahren zu sein. Der Ex-Champion musste das dritte Training wegen eines Motorwechsels früh abbrechen. Reine Vorsichtsmaßnahme, hieß es bei Ferrari.
Leclerc erwies sich einmal mehr als eiskalter Vollstrecker. Keiner im Feld der Top Ten fuhr seine Runde so früh. Leclerc flog vier Minuten vor Valtteri Bottas über die Linie und zehn Minuten vor dem gesamten Rest. Obwohl da die Strecke theoretisch noch etwas langsamer war, bestand der zweifache GP-Sieger darauf, so früh wie möglich seinen einzigen Schuss abzufeuern. "Ich wollte dem Verkehr aus dem Weg gehen, und ich hatte eine klare Vorstellung davon, was zu tun ist." Teamchef Mattia Binotto jubelte: "Charles hat mit dieser Runde seine besten Qualifikationsergebnisse in diesem Jahr egalisiert."
Ferrari setzt auf mehr Abtrieb
Ferrari verbrachte den Samstag zunächst mit Setup-Fragen. Vettel war überzeugt, dass das Experiment mit wenig Abtrieb zu nichts führen würde. Der Deutsche ließ deshalb wieder den Heckflügel für mehr Abtrieb an das Auto montieren. Und war im direkten Vergleich mit Leclerc gleich schnell oder sogar leicht schneller. Leclerc hielt zunächst an seiner Taktik vom Freitag fest und probierte es mit weniger Anpressdruck. Bis auch er merkte, dass er sich damit nur einen Klotz ans Bein hängt. Der kleine Topspeed-Vorteil wurde in den Kurven wieder aufgefressen. Und die Reifen drohten schneller abzubauen.
In der Qualifikation waren beide Ferrari mit der gleichen Konfiguration unterwegs. Wenig überraschend lagen Vettel und Leclerc mit einem Topspeed von 326,1 und 325,6 km/h am unteren Ende der Tabelle. Langsamer waren nur noch die Red Bull. Im Q1 zeigte Ferrari zum ersten Mal seine Zähne. Beide Fahrer kamen ohne großes Herzklopfen eine Runde weiter. Vettel trennten nur 52 Tausendstel von seinem Stallrivalen. Der gute Start in die Qualifikation veranlasste Ferrari dazu, sich mit Medium-Reifen durch das Q2 zu schlagen. Schnell wurde aber klar, dass man hier mit zu viel Risiko unterwegs war.
Vettels Vorteil: freie Reifenwahl
Vettel baute als erster auf Soft-Reifen zurück. Leclerc folgte in letzter Minute. Obwohl Ferrari bei ihm mehr Zeit für das Timing der Runde hatte, schickte man seinen scheidenden Weltmeister auf ein freies Stück Straße. Ohne Windschatten verlor Vettel zu viel Zeit auf den Gerade. Der Großteil aber ging im zweiten Sektor verloren, der ihm in der dritten Trainingssitzung noch so gut gelungen war. "Ich habe dort nicht den Grip gespürt, den andere gespürt haben. Speziell Charles. Irgendwie habe ich die Schikane nicht in den Griff bekommen. Der Rest der Strecke ging eigentlich."
Der Sektorenvergleich hinkt, weil Leclerc im Q3 seine Q2-Zeit noch einmal um zwei Zehntel verbessern konnte und damit natürlich in allen Sektoren schneller wurde. Der Vollständigkeit halber das Delta zwischen den beiden Ferrari.Piloten: Leclerc gewinnt im ersten Abschnitt 0,124 Sekunden, im zweiten 0,287 Sekunden und im dritten 0,099 Sekunden. Auch die Idealzeit von 54,123 Sekunden hätte Vettel nicht weiter nach vorne gebracht.
So muss es für Vettel wieder das Rennen richten. Die freie Reifenwahl kann ein Vorteil sein. Nicht umsonst haben es viele Teams im Q2 mit Medium-Reifen probiert, um dann mit Ausnahme von Mercedes an der Aufgabe zu scheitern. Der Medium-Gummi beim Start könnte ein Einstopp-Rennen möglich machen. Mit den Soft-Reifen wird die Aufgabe schwieriger. Das trübt auch ein bisschen die Laune von Leclerc: "Ich wäre lieber auf dem Mediums gestartet. Und ich wäre im zweiten Training am Freitag gerne mehr Runden gefahren, um in den Longruns ein Gefühl für das Rennen zu finden. Ich glaube nicht, dass wir das drittschnellste Auto im Feld haben, aber ich werde versuchen, das Beste aus meiner Startposition zu machen."