Kriegt Red Bull noch die Kurve?
Mit dem Klassiker in Spa-Francorchamps beginnt der dritte Dreierpack der Saison. Kann Max Verstappen die Dauersieger von Mercedes noch einmal ärgern? In der Vorschau haben wir die letzten Infos zum Traditionsrennen in den Ardennen.
Normalerweise gehen dem Grand Prix von Belgien immer vier Wochen Sommerpause voraus. Dieses Mal mussten die 20 Piloten jedoch mit nur einer einzigen Woche Ferien auskommen. Der Klassiker in Spa-Francorchamps bildet den Auftakt zum dritten Dreierpack der Saison, der mit den Italien-Rennen in Monza und Mugello Anfang September komplettiert wird.
Will Red Bull noch ein Wörtchen um den WM-Titel mitreden, muss Max Verstappen nun endlich eine Siegesserie starten. Lewis Hamilton reist bereits mit einem Vorsprung von 37 WM-Punkten aus den ersten sechs Grands Prix in die Ardennen. Die Red-Bull-Verantwortlichen haben aber angekündigt, dass der RB16 noch einmal mit Aero-Upgrades aufgerüstet wird. Aber auch Mercedes ist in der kurzen Pause nicht untätig geblieben.
Spannung herrscht auch in Sachen Ferrari. Vor zwölf Monaten verließ Charles Leclerc den Belgien-Klassiker noch als strahlender Sieger. Will er das Kunststück dieses Jahr wiederholen, braucht es aber wohl ein kleines Wunder. Vielleicht kommt der Scuderia ja das Wetter entgegen. Die Meteorologen sagen ein feuchtes Wochenende voraus. Wann es genau regnen wird, ist noch nicht klar. Klar ist nur, dass die Temperaturen nicht über die 20°C-Marke klettern werden.
Die Strecke: Circuit de Spa-Francorchamps
Der Ardennen-Klassiker in Spa-Francorchamps wird auf der längsten Strecke im Kalender (7,004 Kilometer) ausgetragen. Der Traditionskurs, auf dem 1925 zum ersten Mal Rennwagen ihre Runden gedreht haben, ist mit Höhepunkten nur so gespickt. Eau Rouge, La Source, Rivage oder Blanchimont klingen sowohl Formel-1-Fans als auch Fahrern wie Musik in den Ohren.
"Eine Runde in Spa ist wie 20 Runden auf einem anderen Kurs, was den Spaß und die Adrenalinausschüttung angeht", beschrieb Fernando Alonso einmal das Erlebnis. Die spektakuläre Eau Rouge-Kurve, bei der eine 300 km/h-Links-Rechts-Kombination mit einer Senke und einem anschließenden Bergaufstück kombiniert ist, gilt als die aufregendste Passage im ganzen Formel-1-Kalender.
Der technische Fortschritt der Autos und breite Auslaufzonen haben der ehemaligen Mutkurve allerdings etwas den Schrecken genommen. Trotz Querbeschleunigungen von 4g müssen die Piloten in Eau Rouge längst nicht mehr lupfen. Die neue Mutprobe hieß nun "Pouhon". Der abschüssige Linksbogen mit zwei Scheitelpunkten wird mit mehr als 270 km/h genommen. Für zusätzliche Würze sorgt das bekannt launische Ardennen-Wetter. Im Regen müssen die Piloten ihr ganzes Talent unter Beweis stellen.
Fast Facts:
- Streckenlänge: 7,004 Kilometer
- Rundenzahl: 44
- Gesamtdistanz: 308,052 Kilometer
- Rundenrekord Rennen: 1:46.286 min (Bottas, 2018)
- Pirelli-Reifen: C2, C3, C4
- Reifenverschleiß: hoch
- Spritverbrauch: hoch (72% Vollgasanteil)
- Bremsbelastung: niedrig
- Boxenstopp-Zeit: 17,4 Sekunden
- Safety-Car-Wahrscheinlichkeit: 80 Prozent
Setup
Top-Speed steht bei den Ingenieuren in Spa ganz oben auf dem Zettel. Nach der Haarnadel La Source geht es 25 Sekunden lang mit Vollgas den Berg hinauf bis zur Les Combes-Schikane. Hier will niemand unnötig steile Heckflügel fahren, die den Luftwiderstand erhöhen. Der Abtriebslevel liegt ungefähr auf dem Niveau von Kanada und Aserbaidschan. Nur in Monza wird mit noch weniger Abtrieb gefahren.
Das Fahrwerk muss an die hohen Kurvengeschwindigkeiten angepasst werden. In der Regel bedeutet das eine härtere und tiefere Abstimmung, um Stabilität ins Auto zu bekommen. Zu weit runter darf man mit der Fahrzeughöhe aber auch nicht gehen, sonst setzt der Unterboden in Eau Rouge auf. Der Frontflügel wird im Vergleich zu anderen Strecken etwas steiler gestellt, um Untersteuern in den schnellen Kurven zu verhindern.
Anspruchsvoll ist der Highspeed-Kurs vor allem für die Motoren, weshalb die Teams hier oft neue Triebwerke zum Einsatz bringen. Bremsen und Kühlung sind dafür nicht so stark gefordert. In Sachen Reifen bringt Pirelli nicht wie sonst üblich die härteste Kombination an Mischungen, sondern die mittelharten C2-, C3- und C4-Gummis. Wir sind gespannt, ob das für etwas mehr Varianten bei der Strategie führen wird.
Technik-Updates:
Für Technik-Freunde ist Spa normalerweise immer eines der Highlights des Jahres. Doch im enggestrickten Corona-Kalender blieb vor dem Highspeed-Festival kaum Zeit, größere Ausbaustufen zu entwickeln. Red Bull hat wie bereits erwähnt ein Aero-Upgrade im Gepäck, mit dem die Kurvenlage stabilisiert und plötzliche Strömungsabrisse verhindert werden sollen. Sportchef Helmut Marko erwartet eine "spürbare Verbesserung".
Aber auch bei Mercedes hat man angekündigt, für den Dreierpack in Spa, Monza und Mugello neue Teile nachzulegen. Bei Ferrari stand zuletzt eher Fehlersuche auf dem Plan. Immerhin konnten die italienischen Ingenieure das Problem in der elektronischen Steuereinheit, das zum Ausfall von Charles Leclerc in Barcelona geführt hat, erfolgreich identifizieren und beheben.
Favoriten:
Mercedes hat dieses Jahr nur ein einziges Mal Schwäche gezeigt: Große Hitze und weiche Reifen brachten Hamilton und Bottas beim zweiten Silverstone-Rennen zu Fall. In Spa-Francorchamps erwarten wir kein weiteres Pirelli-Drama. Und bei gemäßigten Temperaturen sollte auch die Technik schadlos über die Runden kommen. Der Silberpfeil kann somit seine Kombination aus effizienter Aerodynamik und bärenstarkem Motor voll ausspielen.
Beim letzten Einsatz des "Party Modus" vor dem Verbot in Monza rechnen wir fest mit einer Pole Position von Hamilton oder Bottas. Die Frage lautet, wie weit Verstappen den Rückstand dann im Rennen verkürzen kann und ob vielleicht das Wetter hilft. Für Alexander Albon, der vor zwölf Monaten in Spa sein Red-Bull-Debüt gab, kann man nur hoffen, dass ihm die Technik-Upgrades neues Vertrauen ins Auto geben. Vor allem die Quali-Leistungen des Thailänders wurden zuletzt kritisiert.
Sollte der zweite Red Bull schwächeln, dürfte er wieder in die Fänge der Racing-Point-Piloten geraten. Sergio Perez und Lance Stroll lernen immer mehr dazu, wie sie das Potenzial aus ihren rosa Rennautos kitzeln können. Setup-Fehler wie noch beim ersten Silverstone-Rennen sind nun nicht mehr zu erwarten. Racing Point wird das Mittelfeld wohl wie schon in Barcelona wieder klar anführen.
Dahinter streiten sich Ferrari, Renault, McLaren und Alpha Tauri um die übrigen Punkteplätze. Für Ferrari ist zu befürchten, dass der Power-Nachteil in Spa voll durchschlagen wird. Wenn Vettel und Leclerc auf der Geraden nicht zur leichten Beute werden wollen, müssen flachere Flügel montiert werden. Das wiederum geht auf Kosten der Kurvengeschwindigkeit und des Reifenverschleiß.
So lief das Rennen im Vorjahr – GP Belgien 2019:
Von einem Power-Nachteil bei Ferrari war letztes Jahr in Spa noch nichts zu spüren. Mit mehr als einer halben Sekunde Vorsprung sicherten sich Leclerc und Vettel im Qualifying die beiden Plätze in der ersten Startreihe. Doch im Rennen blies Mercedes plötzlich zur Attacke. Um sich vor dem Undercut von Hamilton zu schützen, wurde Vettel relativ früh an die Box geholt. Der Heppenheimer musste den Bremsklotz spielen, damit Leclerc an der Spitze nicht unter Druck gerät.
Obwohl es am Ende noch einmal ganz eng wurde, gelang das Taktikspiel. Leclerc rettete 0,9 Sekunden Vorsprung vor Hamilton über die Linie und feierte damit seinen Premierensieg in der Formel 1. Für Ferrari war es der erste Erfolg der Saison. Nur für die Vettel-Fans gab es keinen Grund zu feiern. Das Opfer der Strategie landete am Ende hinter Bottas nur auf Position vier.
Für die vielen Verstappen-Anhänger auf den Tribünen lohnte sich die Reise ebenfalls nicht. Der Niederländer musste sein Heimrennen nach einer selbstverschuldeten Kollision in der Anfangsphase vorzeitig aufgeben. Teamkollege Albon schaffte es beim Red-Bull-Debüt vom letzten Startplatz immerhin auf den fünften Platz. Der Rookie profitierte dabei allerdings von einem späten Ausfall seines Kumpels Lando Norris, der in der letzten Runde mit einem Defekt ausrollte.
In der Galerie haben wir noch einmal die Bilder des aufregenden Belgien-Grand-Prix von 2019.