Auto bereit, Piloten noch nicht?
Nach der verspäteten Fertigstellung des neuen Autos hat Williams die verlorene Zeit fast wieder reingeholt. Schwerer als beim Auto könnte das verkürzte Testprogramm allerdings in puncto Fahrer-Vorbereitung wiegen.
Im Williams-Motorhome stellte sich am Donnerstag (28.2.2019) erstmals in dieser Saison Paddy Lowe der Presse. Der Technik-Chef war wegen der Verzögerungen beim Bau des neuen FW42 in die Kritik geraten. Williams konnte erst mit zweieinhalb Tagen Verspätung mit den Testfahrten in Barcelona beginnen. Und auch eine Woche nach der Jungfernfahrt konnte der Brite noch keine konkreten Gründe für das Malheur vorbringen.
„Es ist so kompliziert, dass ich es nicht genau erklären kann. Es gibt auf jeden Fall mehrere Faktoren, die zu der Verzögerung geführt haben. Um es kurz zu machen: Die schiere Komplexität der modernen Formel-1-Autos hat uns auf dem falschen Fuß erwischt. Am Ende hatten wir einfach nicht alle Teile zusammen, um direkt in die Tests zu starten“, entschuldigte sich Lowe mit gesenktem Haupt.
Williams wieder voll im Spiel
Der Ingenieur, der früher bei McLaren und Mercedes gearbeitet hat, versuchte das Problem kleinzureden. „Wir sind ja nicht das erste Team, das ein neues Auto nicht rechtzeitig zum ersten Test fertig bekommen hat. Wir werden daraus lernen und es nächstes Jahr besser machen.“ Außerdem sei die verlorene Zeit ja auch schon fast wieder aufgeholt.
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„Wir haben jeden Tag unser geplantes Programm durchziehen können. Wenn bis zum Ende nichts mehr passiert, werden wir am Freitagabend alle Reifensätze verheizt und die gleiche Distanz zurückgelegt haben, wie bei einem normalen Test über die vollen acht Tage. Wir werden sicher mit zwei Rennautos und Ersatzteilen in Australien ankommen. Dann sind wir wieder voll im Spiel, als wäre nichts passiert.“
Immerhin gab Lowe zu, dass sich die Ingenieure durch das kompakte Programm einschränken mussten: „Im Vergleich zu einem kompletten Programm besteht der größte Nachteil darin, dass wir unsere Ergebnisse nicht so ausführlich analysieren und die weiteren Experimente darauf abstimmen können.“
Fahrer müssen Messdaten sammeln
Einschränken mussten sich auch die Fahrer. Gerne hätten sich Robert Kubica und George Russell etwas intensiver auf den neuen FW42 eingeschossen. Doch statt Setup-Arbeit durchzuführen und Qualifying- bzw. Rennsimulationen abzuspulen, waren Kubica und Russell oft deutlich unter ihrem persönlichen Limit und dem des Autos unterwegs, weil sie Messdaten sammeln mussten. Mit einem Fahrer, der noch gar kein Formel-1-Rennen absolviert hat, und einem Comebacker, dessen letzter Start mehr als acht Jahre zurückliegt, hätte man eigentlich anders verfahren müssen.
Lowe bat sein Fahrer-Duo um Verständnis für das unbefriedigende Testprogramm: „Es ist immer die Frage, wie man die beschränkte Zeit bei den Testfahrten am besten nutzt. Alle Punkte kann man einfach nicht abhaken. In unserer Situation mussten wir vor allem Messdaten sammeln, um zu überprüfen, ob unsere Entwicklungswerkzeuge in der Fabrik funktionieren. Diese grundlegenden Experimente kann man im Rahmen von Freitagstrainings bei einem Grand Prix nicht erledigen.“
Der Fokus der Ingenieure liege darauf, das schnellstmögliche Auto nach Melbourne zu bringen. Dass die Piloten dabei auf der Strecke bleiben, befürchtet Lowe nicht. „Ich habe keine Bedenken, dass unsere Fahrer nicht gut genug vorbereitet sind. Beide haben hier bei den Tests einen absolut perfekten Job abgeliefert. Robert hat am Mittwoch alleine 130 Runden abgespult – da war die letzte so gut wie die erste.“
Fragezeichen hinter Williams-Pace
Was die Pace des Autos angeht, wollte Lowe noch nicht ins Detail gehen. Nur so viel: Das Gefühl sei deutlich besser als noch vor 12 Monaten. Man wisse, wo die eigenen Schwächen liegen und wie man diese abstellen kann. Schon bei der Entwicklung des FW42 hatten die Ingenieure die Defizite des Vorgängers stets im Hinterkopf.
„Eine der negativen Eigenschaften unseres letztjährigen Autos war seine Unberechenbarkeit. Das Auto machte uns die Arbeit sehr schwer, weil es in einer Runde plötzlich nicht mehr das gleiche gemacht hat, wie in der Runde zuvor. Vor allem beim Verständnis der Reifen bekommt man Probleme, wenn man eine Plattform hat, die nicht konstant ist.“
Ob die Schwächen komplett abgestellt sind, konnte der Technikchef nicht sagen. Die ersten Signale seien aber positiv: „ Robert, der einige Erfahrung mit dem Vorgänger sammeln konnte, hat nach seinen ersten Runden einige ermutige Kommentare zum neuen Auto abgegeben“, verriet Lowe. „Seiner Meinung nach ist es ein großer Schritt nach vorne, was die Basis angeht. Die Fahrbarkeit habe sich extrem verbessert. Es lässt sich nun besser damit arbeiten, was die Pace, die Balance und das Reifenmanagement angeht.“
Paddy Lowe unter Erfolgsdruck
Das Traditionsteam Williams kann sich eine zweite Pleitensaison in Folge nicht leisten. Nach dem Fehlstart in die Testfahrten wurde in der Öffentlichkeit auch schon darüber diskutiert, ob Paddy Lowe der richtige Mann an der Spitze der Entwicklungsabteilung sei. „Ich hatte noch keine Zeit, mir Gedanken über meine eigene Rolle zu machen. Es gibt so viel zu tun“, bügelte Lowe die Frage nach seinem eigenen Schicksal ab.
Auch bei seinem Team sollen keine Köpfe rollen: „Ich habe es in der Formel 1 schon häufig erlebt, dass einfach die Leute ausgewechselt werden, wenn es nicht läuft. Doch die starken Teams machen gerade das nicht. Jeder Fehler bietet auch die Möglichkeit, daraus zu lernen und es das nächste Mal besser zu machen. Und wenn man Leute rauswirft, dann verliert man auch die Erfahrung. Es wäre außerdem zu einfach, einzelne Personen für die sehr komplexen Probleme verantwortlich zu machen.“