Platz 9 war das Limit
Fernando Alonso hat einen Lauf. Zum dritten Mal in Folge fährt er den Alpine ins Q3 und in die Punkteränge. Der Spanier hat Auto und Reifen verstanden und seinen Fahrstil angepasst. Darin ist er nach Aussage seiner Ingenieure ein Meister.
Fernando Alonso war zufrieden mit sich selbst. Das ist er immer, wenn er der Meinung ist, dass sein Rennen mit dem besten Auto im Feld zu einem Sieg geführt hätte. Der Alpine war auch am Red Bull-Ring nicht das beste Auto im Feld. Vielleicht das sechstbeste im engen Kampf mit Aston Martin. Was genau fehlt, ist so genau nicht herauszufinden. Die Ingenieure sagen: "Wir haben ein gutes Auto, aber ein schlechtes Reifenverständnis."
Tatsächlich ist die Alpine A521 eine launische Diva, die abhängig vom Streckenlayout und der Reifenwahl zwischen Gut und Böse schwankt. Auf Strecken mit flüssigen Kurvenfolgen wie Portimao, Barcelona und Paul Ricard kommen die Fahrer ohne Zittern ins Q3 und die Punkteränge. Sind die Kurvenradien kürzer, muss der Fahrer schon einen sehr guten Tag haben, um am Samstag und Sonntag in den Top Ten zu landen.
Schlüssel ist der Aufstieg ins Q3
Fernando Alonso ist das jetzt drei Mal in Folge gelungen. Auch auf Streckentypen, die wie der Red Bull-Ring nicht zum Auto passen. "Hier läuft es auf Schadensbegrenzung hinaus. Auch das zweite Rennen nächste Woche wird eine Herausforderung für uns", fürchtet Alonso. Viel mehr als der 9. Platz war nicht drin und ist auch kommende Woche nicht zu erwarten. "Das ist unser Limit auf dieser Strecke. Vielleicht hätte ich Stroll noch geknackt, wäre das Rennen länger gegangen. Der Aston Martin lag auf unserem Niveau. Aber Ferrari, McLaren und Alpha Tauri waren vom Speed her außer Reichweite."
Der Schlüssel für seine fünfte Punkteankunft in acht Rennen war laut Alonso der achte Startplatz. "Wir müssen auf dieser Strecke in den Top Ten losfahren, wenn wir von Punkten träumen wollen." Eigentlich hatte sich das erste Spielberg-Wochenende für Alpine ganz gut angelassen. Alonso war am Freitag Fünfter auf eine Runde und legte auch einen starken Medium-Longrun auf die Bahn. Doch dann wurde es mit jedem Tag zäher. Es passierte nicht zum ersten Mal, dass Alpine im Vergleich zu den anderen Tempo verliert, je weiter das Wochenende voranschreitet.
Das spricht dafür, dass die Ingenieure die Reifen noch nicht ganz entschlüsselt haben. Es fällt ihnen offenbar schwer, das Auto so zu trimmen, dass es gut auf eine Runde und über die Distanz ist. Alonso sah trotzdem ein positives Zeichen: "Diesmal lagen wir vom Reifenmanagement auf dem Niveau der anderen. Da waren zuletzt Alpha Tauri und Aston Martin noch viel besser als wir."
Alonso ein Fahrer ohne Fahrstil./strong>
Der zweifache Weltmeister fährt wieder, als hätte es die zweijährige Pause nie gegeben. Die Lernphase dauerte nach seinem Geschmack ein Rennen zu lange. Doch ab dem GP Aserbaidschan hatte der Veteran Auto und Reifen genügend verstanden und seinen Fahrstil angepasst. Einsatzleiter Alan Permane wundert sich nicht, dass Alonso so schnell seine Reflexe und Instinkte auf die neuen Parameter kalibriert hat. Er kennt Alonso noch aus der goldenen Renault-Zeit: "Fernando hat eigentlich gar keinen Fahrstil. Ich habe nie einen flexibleren Fahrer gesehen. Er hat ein unglaubliches Gespür dafür, was ein Auto und die Reifen verlangen und stellt sich auf alles ein." Die Auftritte in Indianapolis und Le Mans unterstreichen die Aussage.
Der 32-fache GP-Sieger eckte bei seinen früheren Arbeitgebern oft an, weil er eine kurze Zündschnur haben kann. Davon merkt man bei Alpine noch nichts. Alonso spart sich Vorwürfe und Kritik, nimmt intern lieber die Schuld auf sich als sie dem Auto oder den Umständen zuzuschieben. Er hat gelernt, dass es nichts bringt, das Team zu kreuzigen, wenn es nicht läuft. Deshalb zeigt er gerade seine konstruktive Seite.
Die Ingenieure sind von seinem Feedback und seiner Erfahrung beeindruckt und merken immer mehr, dass alles Hand und Fuß hat, was ihnen der Chefpilot erzählt. Je mehr Alonso seine Einschätzungen und Wünsche durch Ergebnisse untermauert, umso mehr nimmt er Esteban Ocon das Heft aus der Hand. Der Franzose ist nach einem starken Saisonstart in den Hintergrund gerückt. Ein Ingenieur erzählt: "Wir haben Esteban gewarnt. Wenn sich Alonso erst einmal wohlfühlt und alles unter Kontrolle hat, ist er praktisch nicht zu schlagen."
Kritik an Spielberg II-Reifenwahl
Nach außen ist der Matador längst der Wortführer. Alonso redet in klaren Sätzen, sagt was er denkt und kennt keine Angst vor Autoritäten. Am Ende des GP Steiermark nahm er gleich die Reifenwahl für den GP Österreich kommende Woche unter Beschuss. Pirelli geht dort eine Gummimischung weicher. "Das ist ein Geschenk an die schnellen Autos. Wir braucht den C5-Reifen, um ins Q3 zu kommen. Der wird im Rennen schnell auseinanderfallen. Die Topteams kommen mit dem C4 durchs Q2 und können dann auf dem besseren Reifen starten. Wenn sie schon eine gute Show wollen, dürfen sie den großen Teams nicht auch noch helfen."
Laut Alonso haben die Alpine-Ingenieure etwas im Kopf, was das Auto verbessern könnte. Er wird damit bis zum zweiten Training warten müssen, denn sein Cockpit geht für die ersten 60 Minuten an Testfahrer Guanyu Zhou. Wenn der Plan nicht das gewünschte Ergebnis bringt, dann wird es wieder eine Zitterpartie. "Dann wünsche ich mir eigentlich Regen. Das könnte uns eine Chance geben, besser als auf Platz 9 abzuschneiden."