Fullsize-Luxus mit Doppelherz

Bentley bringt auch vom noch frisch renovierten Bentayga eine hybridisierte Variante auf den Markt.
Bentley bringt den Bentayga erneut als Hybrid. Taugt der V6-Antriebsstrang mit 449 PS Systemleistung zur artgerechten Fortbewegung des reichlich 2,6 Tonnen schweren SUV?
So ein bisschen hat der Start des zweiten Bentayga Hybrid schon geruckelt – also der beim Erscheinen, nicht der des Motors an sich. Wäre ja auch komisch, schließlich hat sich der Antriebsstrang schon bewährt, unter anderem im Porsche Cayenne. Hinterm chromglänzenden Maschendrahtgrill und dem aufgefrischten Gesicht mit den funkelnden Scheinwerfern steckt die bekannte Kombo aus Dreiliter-V6-Benziner plus E-Maschine in der ZF-Achtgangautomatik. Es gäbe ja noch den 2,9-Liter-V6 im Konzern, biturbogeladen und für die eher dynamischen Aufgaben vorgesehen. Doch man entschied sich wie gehabt für den 340 PS und 450 Newtonmeter starken Dreiliter mit seinem Twinscroll-Turbolader. Gemeinsam mit der 128 PS starken E-Maschine liefert der Antriebsstrang eine Systemleitung von 449 PS und 700 Newtonmeter Drehmoment an die vier Räder.
Klingt mächtig, doch in der Praxis drücken die 2.645 Kilogramm (Werksangabe) des Fullsize-SUV spürbar aufs Temperament. Solange der E-Motor seine 350 Newtonmeter reinboostet ist alles schick, doch wehe der Akkustand (17,3 kWh brutto) geht gegen Null (E-Reichweite etwa 40 Kilometer), dann zieht es der hybriden Antriebsherrlichkeit ziemlich die Decke weg. Übrig bleibt ein spürbar angestrengt drehender Solo-Benziner, der sich etwa bergauf in Drehzahlen jenseits 5.000/min flüchtet. Nicht schlimm, aber auch nicht souverän.
In einer so majestätischen 5,14 Meter-Hülle darf es auch ruhig ein dazu passender Motor sein, entweder drehmomentwuchtige Diesel oder ein amtlicher V8 oder gar W12. Oder? Ins Grübeln kommt man schon, wenn der Tritt aufs Pedal zwar Vortrieb erzeugt, echter Wumms jedoch ausbleibt. Andererseits arbeiten die beiden Maschinen in Kooperation mit der Automatik normalerweise gediegen im Hintergrund. Erst bei gesteigerter Last spürt man die leicht schabenden Vibrationen des V6. Seine Arbeitsgeräusche verpuffen ansonsten weitestgehend in der piekfein schallgedämmten ultrasoliden Karosserie des Bentayga.
Solidität? Begeisternd!
Überhaupt: Karosserie und Solidität, das können sie einfach bei Bentley in Crewe. Hier gibt es auch noch physische Tasten und Regler für das nicht immer hundertprozentig intuitive Konzern-Infotainment. Vergnügen bereitet es dennoch ebenso wie der serienmäßigen Musikanlage zu lauschen, ganz gleich ob der Serienanlage oder dem optionalen Naim-Soundystem. Gut für die rund 166.000 Euro (Basis) und die rund 215.000 Euro der First Edition darf man ja auch einiges erwarten. Und bekommt es, etwa in Form von insektenstichfreien, griffigen Tierhäuten (weitgehend steppgenäht).
Zudem montiert Bentley alles in kaum erreichter, faszinierend unerschütterlicher Qualität. Alles? Nun da gibt es diesen Aufsatz auf dem Armaturenbrett für die runde Analoguhr und zwei flankierende Lüftungsdüsen. Wer da draufdrückt erntet profanes Plastik-Knistern. Shocking. Wo der Rest doch wie aus dem Vollen gearbeitet scheint, sich anfühlt und klingt, etwa die Türbrüstungen, der Metall-Aschenbecher oder die Verkleidungen.
Schade, denn ansonsten ist es ein besonderes Vergnügen, mit diesem motorisierten NVH-Meisterbock (NVH: Noise, Vibration, Harshness) auf Tour zu gehen. Klar wirken manche Nebenstraßen wie überraschend geschmälert, aber der Bentayga macht sie sich trotzdem Untertan – egal mit welchem Tempo. Die grandiose große Plattform des Konzerns in Bentley-eigener Prägung mischt mit Luftfederung und Adaptivdämpfern sowie einer ordentlich rückmeldenden Lenkung Komfort, Präzision und Aufbaukontrolle. Kutteriges Wanken ist nicht, ebenso wenig wie harsches Durchreichen von Unebenheiten. Der Bentayga informiert, ohne zu provozieren. Trotz des enormen Gewichts dürfen seine Besitzer ruhig Landesstraßen auf die Haustrecken-Liste nehmen, der Brummer kann nicht nur Autobahn.