Reifen-Direktive überrascht Hamilton
Wir checken die zehn Teams vor dem GP Frankreich in Le Castellet auf Neuigkeiten ab. Viel drehte sich um das Reifendrama von Baku. Lewis Hamilton lässt durchblicken, dass seiner Meinung nach einige Teams tricksen. Max Verstappen widerspricht.
Mercedes
Nach zwei Pleiten fordert Teamchef Toto Wolff die Rückkehr zu gewohnter Stärke: "Zuletzt hatten wir immer nur einen unseren Fahrer vorne dabei. Bei diesem engen Titelrennen müssen wir aber mit beiden Autos konkurrenzfähig sein." Zwei Hamilton-Siege 2018 und 2019 sollten da ein gutes Omen für den GP Frankreich sein. Die Ingenieure und Fahrer hoffen, dass die schnellen und mittelschnellen Kurven der 5,842 Kilometer langen Strecke und die vorhergesagte Hitze das Problem mit den Reifentemperaturen von alleine lösen. Vielleicht kann die Schwäche der Mercedes auf den Stadtkursen in Paul Ricard zur Tugend werden. In Portimao und Barcelona hat man Red Bull auch deshalb geschlagen, weil die Reifenabnutzung geringer war.
Die Spannungen zwischen Mercedes und Red Bull nehmen zu. Lewis Hamilton nimmt Pirelli für die Reifenplatzer in Schutz und spielt damit den Ball in die Ecke des WM-Gegners. "Pirelli hat mit den neuen Reifen einen guten Job gemacht. Sie können nichts für diese Reifenschäden. Es gibt neue Richtwerte. Die FIA muss jetzt aber auch die Einhaltung der Reifendrücke strenger überwachen." Aus Sicht des Weltmeisters spricht die modifizierte Technische Direktive der FIA Bände: "Jeder kann das hinein interpretieren, was er will. Ich jedenfalls bin überrascht, dass etwas geklärt werden muss, das eigentlich klar ist."
Der ominöse "Brake Magic"-Knopf, der Hamilton ausgetrickst hat, hat jetzt eine Abdeckung bekommen, damit der Fahrer nicht mehr so einfach den Schalter aus Versehen betätigen kann. "Eine Änderung am Lenkrad ist in so kurzer Zeit nicht zu machen."
Valtteri Bottas kann die Gerüchte über seine Ablösung nicht mehr hören. "Es ist seit vier Jahren das gleiche. Die gleichen Fragen, dieselben Störgeräusche. Mir hat keiner im Team mitgeteilt, dass ich 2022 nicht mehr dabei bin. Das sind die üblichen Spekulationen und Stories, um Klicks zu machen. Ich will mich jetzt erst auf das Triple konzentrieren und mir dann Gedanken über meine Zukunft machen."
Ferrari
Ferrari erwartet bei der Rückkehr auf eine normale Rennstrecke die Rückkehr in die normale Welt. Das bedeutet wieder ein heißes Rennen mit McLaren um den dritten Platz hinter Mercedes und Red Bull. Das Technikbüro von Maranello wirft dafür einen neuen Frontflügel in die Schlacht. Ferrari wird in Paul Ricard den größten Vorteil vermissen, der die roten Autos auf den Stadtkursen von Monte Carlo und Baku so beflügelt hat. "Wir konnten die Reifen schnell auf Temperatur bringen. Die anderen hatten Schwierigkeiten damit. Das wird hier nicht passieren", prophezeit Carlos Sainz.
Der Spanier ist Realist: "Das Rennen in Baku ist ein besserer Maßstab für unsere Qualitäten als die Qualifikation. Da hat uns eine halbe Sekunde gefehlt. Ich denke, dass uns Paul Ricard auf den Stand zurückbringt, auf dem wir in Barcelona waren. Wir haben noch ein paar Defizite, die wir lösen müssen."
Sainz kann als ehemaliger McLaren-Pilot gut die Unterschiede zwischen den beiden Autos ausmachen. Und der McLaren ist mit dem Mercedes-Motor im Heck eher noch besser geworden. "Die meisten Unterschiede sind offensichtlich. Wir sind schneller in langsamen Kurven, sie in schnellen und auf Geraden. In mittelschnellen Kurven ist es mal so und mal so. Wir zünden die Reifen schneller an, sie halten sie länger in Schuss."
Red Bull
Red Bull streitet jede Reifendruck-Schwindelei ab. Trotzdem werden die Konkurrenten ein waches Auge auf die Rundenzeiten der Red Bull.Piloten werfen. Sollten sie nicht so schnell sein wie gewohnt, werden bestimmt gleich wieder Gerüchte hochkochen. Max Verstappen beteuert: "Wir haben nichts falsch gemacht. Pirelli hat keinen Zugriff auf die Daten während des Rennens. Wir haben sie ihnen geliefert. Daraus war klar ersichtlich, dass wir uns korrekt verhalten. Genauso wie Aston Martin." Sergio Perez will den Beteuerungen von Pirelli nicht trauen: "Wir müssen uns weiter Sorgen um die Reifen machen." Das klingt nach einer beschädigten Beziehung.
Verstappen versucht den Ball flach zu halten, um die Erwartungshaltung zu dämpfen. Der WM-Spitzenreiter sieht Paul Ricard als echte Nagelprobe. "Wir waren nie besonders gut auf dieser Strecke. Ich hoffe, das ändert sich. Mercedes wird auf den normalen Strecken wieder zurückkommen. Die Reifenabnutzung wird ein wichtiger Faktor werden." Umso mehr schmerzt die verpasste Chance von Baku, den Vorsprung auf Hamilton auszubauen. Er ist weiter bei vier Punkten eingefroren.
Aston Martin
Aston Martin rüstet auf. Das Team hat den früheren Toro Rosso-Ingenieur Luca Furbatto als neuen Entwicklungschef verpflichtet. Er berichtet direkt an Technikdirektor Andy Green. Nach zwei starken Rennen schlägt jetzt laut Sebastian Vettel die Stunde der Wahrheit: "In Paul Ricard werden wir sehen, wo wir mit unserem Auto wirklich stehen. Die beiden Stadtkurse zuletzt haben das Bild möglicherweise ein bisschen verzerrt."
Lance Stroll ärgert sich immer noch über den Reifenplatzer von Baku: "Wir waren sehr gut unterwegs. Die Overcut-Strategie hätte funktioniert. Es wäre echt interessant gewesen herauszufinden, was dabei herauskommt, wenn ich am Ende mit frischen weichen Reifen ins Rennen gegangen wäre."
Der Kanadier wurde zum zweiten Mal Opfer eines Highspeed-Crashs nach einem Reifenplatzer. "Der Einschlag in Mugello war viel härter. Der Unfall in Baku war mehr oder weniger ein Highspeed-Dreher mit einem Mauerkontakt. Ich hatte noch Glück, dass es an einer Stelle passiert ist, wo man mein Auto sehen konnte. Wenn du direkt hinter Kurve 18 abfliegst besteht die Gefahr, dass dich ein anderes Auto aufgabelt." Das Vertrauen in Pirelli ist jedenfalls beschädigt, auch wenn sich Stroll mit offiziellen Anklagen zurückhält. Nur so viel: "Wir haben nichts falsch gemacht und uns an die Vorgaben gehalten."
Williams
Nicholas Latifi ist immer noch sauer, dass er in Baku drei Strafpunkte bekommen hat. Das ist die Höchststrafe dafür, dass Latifi nicht wie von der Rennleitung befohlen in der ersten SafetyCar-Runde durch die Boxengasse gefahren ist. "Ich habe von der Box den Befehl "stay out" bekommen. Also bin ich draußen geblieben. Ich sehe nicht ganz ein, warum ich für etwas bestraft werde, was nicht mein Fehler ist. Es war ein Regelbruch, aber ich habe niemanden in Gefahr gebracht. Drei Punkte ist ziemlich heftig. Die schleppe ich jetzt ein ganzes Jahr mit mir herum."
George Russell traut sich keine Prognose zu, wie gut sein Williams auf dem Kurs von Paul Ricard gehen wird: "Die Formel 1 ist voller Überraschungen. Die Rückkehr zu einer normalen Rennstrecke sollte uns helfen, aber wenn der Wind hier oben wie üblich stark bläst, ist es nicht so gut für uns." Eine Entscheidung über seine Zukunft erwartet Russell in der Sommerpause: "Da passiert es doch immer. Bis jetzt habe ich noch keinen Vertrag unterschrieben." Der Williams-Pilot warnt jedoch davor, sich zu sicher zu sein. "Die Formel 1 ist ein brutales Geschäft. Es gibt nur 20 Plätze. Drei schlechte Rennen in Folge, und du kannst draußen sein."
Alpine
In Baku hat die FIA das Auto von Fernando Alonso zum Detailcheck herausgefischt. Die FIA-Prüfer haben das Innenleben der Hinterradaufhängung des A521 untersucht und keine Auffälligkeiten gefunden. Die Fahrerpaarung für 2022 steht auch schon fest. Esteban Ocon unterschrieb bis 2024 und ist jetzt exklusiv ein Alpine-Fahrer. Alonso hat für 2022 noch einen Vertrag. Der Spanier fühlt sich mit seinem Auto immer besser vertraut. "Seit Portimao geht es bergauf. Ich habe nur noch Probleme, ein Gefühl für die Reifen in den ersten zwei Runden zu bekommen. Die Samstage müssen besser werden."
Mit drei Q3-Qualifikationen und drei Zielankünften in den Punkterängen sieht sich Alonso im Plan. "Ich weiß gar nicht, warum mir die Leute immer einreden wollen, dass ich Probleme habe, mich wieder reinzufinden. Das Comeback läuft so wie ich es erwartet habe." Nach den mäßigen Vorstellungen auf den beiden Stadtkursen will Alpine wieder in den Kreis der Teams zurückkehren, die aus eigener Kraft um WM-Punkte kämpfen. Alonso glaubt: "Die Strecke in Paul Ricard sollte uns entgegenkommen. Wir sollten wieder zu der Form zurückkommen, die wir in Portimao und Barcelona gezeigt haben."
Alpha Tauri
Pierre Gasly hat schlechte Erfahrungen mit seinem Heimrennen in Paul Ricard. "2018 hatte ich eine Kollision mit Ocon, 2019 bin ich nur Zehnter geworden." Nach den guten Vorstellungen bei den Stadtrennen ist man bei Alpha Tauri gespannt, wie sich der AT02 auf einer klassischen Rennstrecke schlägt. In Barcelona, einer vergleichbaren Strecke, hatte das Team sein bisher schlechtestes Wochenende. Das Auto wird mit ein paar neuen Teilen ausgerüstet. "Kleinigkeiten", sagt Teamchef Franz Tost. "Das wird bis Ungarn so weitergehen."
Haas
Mit den Plätzen 13 und 14 in Baku ist Haas an die neunte Stelle der Konstrukteurs-WM gerutscht. Es wird schwer werden, die Position zu verteidigen. Williams ist normalerweise schneller. Ein 12. Platz würde schon reichen, und der ist bei George Russell immer drin. Nikita Mazepin hat sich bei Mick Schumacher für seine Aktion in der letzten Runde entschuldigt. Da versuchte der Russe einen Angriff seines Teamkollegen auf der Zielgerade durch einen überraschenden Spurwechsel abzuwehren.
Schumacher reagierte am Funk für seine Verhältnisse ziemlich ungehalten. "Weil du kaum noch reagieren kannst, wenn du mit Tempoüberschuss aus dem Windschatten heraus anfliegst. Nach dem Rennen haben wir uns alle beruhigt. Zuerst hat Guenther mit Nikita gesprochen, dann kam ich dazu. Die Wogen sind geglättet." Schumacher hofft, dass die Aussprache geholfen hat und dass Mazepin in Zukunft die Regeln beachtet. "Sonst wäre es schwer, wieder Vertrauen aufzubauen."
Mazepin sieht den Zwischenfall weit weniger dramatisch: "Beide Autos kamen mit einem intakten Frontflügel zurück an die Boxen. Der Lack war auch noch dran. Als ich sah, dass Mick auf mich aufgeschlossen hat, habe ich Platz gemacht. Wir kämpfen ja nicht um Punkte. Ich habe mich bei Mick entschuldigt, weil er offenbar in der Situation eine andere Meinung hatte. Trotzdem werde ich auch in Zukunft nicht freiwillig Platz für ihn machen."
McLaren
Nicht alle freuen sich auf das bevorstehende Triple mit Paul Ricard und zwei Mal Spielberg. Für Daniel Ricciardo dagegen kann es gar nicht genug Rennen am Stück geben: "Das gibt mir Gelegenheit, mehr und regelmäßig Erfahrungen auf normalen Strecken mit dem McLaren zu sammeln. Ich bin auf einem guten Weg, mich an das Auto zu gewöhnen."
Im Vergleich McLaren gegen Ferrari bestätigt Lando Norris die Aussagen von seinem Ex-Teamkollegen Carlos Sainz. "Ferrari ist in den Kurven schneller, vor allem in langsamen. Es ist gut für uns, dass die Punkte am Sonntag vergeben werden und nicht am Samstag. Charles stand schon zweimal auf Pole, aber sie konnten es im Rennen nicht umsetzen. Sie machen mehr Fehler als wir." Da wird Ferrari wohl widersprechen.
Alfa-Sauber
Alfa Sauber-Teamchef Fred Vasseur macht eine klare Ansage: "Wir wollen zum dritten Mal in Folge punkten." Sein Fahrer Antonio Giovinazzi glaubt: "Im Mittelfeld geht es so eng her, dass es nicht ausreicht, nur der Schnellste zu sein, um zu punkten. Du musst auch der Schlaueste sein." Der Italiener lobt weiter sein Auto: "Der Speed im Rennen stimmt. Das sieht man an Baku. Ich bin als Letzter losgefahren und kam knapp hinter den Punkterängen ins Ziel."