Was hat Mercedes noch im Köcher?

Mercedes muss langsam die Wende einleiten, sonst droht Red Bull in beiden Weltmeisterschaften davonzufahren.
Wir checken die zehn Teams vor dem GP Österreich auf Neuigkeiten ab. Mercedes gibt sich kämpferisch. Lewis Hamilton investierte extra Arbeit, um beim Setup des Autos noch etwas herauszuholen.
Donnerstag ist der PR-Tag vor einem Grand Prix. auto motor und sport stöbert für Sie im Fahrerlager Geschichten und Gerüchte auf. Wir fragen bei den Ingenieuren nach, was neu am Auto ist und bei den Fahrern, wie sie das Rennen einschätzen. Hier ist unser Streifzug durch die zehn Garagen.
Mercedes
So weit ist es schon gekommen. Teamchef Toto Wolff feiert den zweiten und dritten Platz beim GP Steiermark als Erfolg. In Bezug auf maximale Schadensbegrenzung hat er Recht. Red Bull hatte das schnellere Auto, und das war mit Max Verstappen am Steuer unschlagbar. Wolff sieht aber noch andere Dinge, die nach den drei vorangegangenen Niederlagen in Monte Carlo, Baku und Paul Ricard Mut machen: "Unsere Fahrer haben gute Leistungen gezeigt, unsere Boxenstopps waren exzellent, und unsere Strategie-Entscheidungen waren stark."
Das zweite Rennen auf der gleichen Strecke bringt nach Ansicht des Teamchefs auch Chancen mit sich: "Am vergangenen Wochenende haben wir am Freitag mit dem Fahrzeug-Setup experimentiert und wir hoffen, dass wir uns diesmal im ersten Training in einer besseren Position befinden, auf der wir dann aufbauen können."
Lewis Hamilton steckte nach einem freien Tag den Kopf mit den Ingenieuren zusammen, um die zweieinhalb Zehntel zu finden, die Mercedes letzte Woche von Red Bull trennten. Er setzte sich sogar in den verhassten Simulator. "Wir denken darüber nach, wie wir über das Setup mehr aus dem Auto rausholen können." Was zeigt, dass Mercedes keine entscheidenden Upgrades mehr im Köcher hat. In England sorgte die Ankündigung des scheidenden Technikchefs James Allison für Aufregung, dass doch noch neue Teile ans Auto kommen. Das stand im Widerspruch zu den Einlassungen von Teamchef Toto Wolff nach dem Rennen. Der Österreicher hatte das Wettrüsten für diese Saison nahezu als beendet erklärt.
Die Wahrheit liegt in der Mitte. Mercedes hat vor dem GP Aserbaidschan die letzten Entwicklungsteile abgesegnet, die bis zur Sommerpause Schritt für Schritt ans Auto kommen. Ein Teil in Silverstone, der andere in Zandvoort. "Nichts, was uns drei oder vier Zehntel bringen würde", hört man aus den Kreisen der Ingenieure. Jetzt geht es hauptsächlich darum, das zu optimieren, was man hat. Das gilt auch für den Motor. "Man kann auch ohne Hardware-Änderungen Leistung gewinnen. Am Anfang lässt man sich immer mehr Spielraum. Mit mehr Laufzeit, kommt mehr Sicherheit. Und höhere Power-Stufen."
Seit Mitte Juni läuft der Windkanal für das 2022er Auto. Es wird auch keine Rückkehr des 2021er Modells in den Windkanal geben, wie Wolff ausgeführt hat. Es wäre eine ziemlich sinnlose Übung, die das Team nur für die Saison 2022 schädigen würde. Valtteri Bottas glaubt immer noch an die Wende: "Ja, wir können noch Rennen gewinnen. Vielleicht geben uns die weicheren Reifen eine Chance."
Ferrari
Ferrari hatte im ersten Österreich-Rennen Startplätze geopfert, um die Reifen zu schonen. Der Aufstieg von beiden Fahrern im Rennen gab dem Ansatz von Ferrari Recht. Carlos Sainz warnt aber zu glauben, dass damit das Reifenproblem gelöst ist. Weichere Gummimischungen und kühleres Wetter können kontraproduktiv sein: "Je weicher die Gummimischung ist, umso mehr sind wir unserem Problem mit den Vorderreifen ausgesetzt. Und kühlere Temperaturen sind auch keine Garantie, dass es deshalb besser läuft. Normalerweise hast du dann mehr Körnen."
Charles Leclerc bricht trotz dem guten Rennen letzte Woche auch nicht in Euphorie aus. "So böse die Überraschung in Frankreich war, so gut war sie in Österreich. Jetzt geht es darum zu verstehen, warum es einmal so schlecht und einmal so gut lief." Der Monegasse ärgert sich immer noch über seine Kollision mit Pierre Gasly in der ersten Runde: "Ich habe mir das Leben unnötig schwer gemacht. Mit Pierre habe ich mich ausgesprochen." Gasly kann schon wieder darüber lachen: "Charles und ich sind enge Freunde. Wir sind uns schon ein paar Mal nahegekommen. Irgendwann musste es passieren. Es war keine Absicht von ihm. So eine Fehleinschätzung kann vorkommen."
Red Bull
Max Verstappen geht als Favorit in das zweite Spielberg-Rennen. Doch der Holländer warnt: "Normalerweise rückt das Feld beim zweiten Rennen auf der gleichen Strecke zusammen. Die anderen Teams werden aus dem, was nicht so gut gelaufen ist, gelernt haben. Und dann kommen da noch die weicheren Reifen als Unbekannte dazu." Sein Fazit: "Das wird eine größere Herausforderung für uns als das erste Wochenende."
Sergio Perez fährt bei Red Bulls zweitem Heimrennen seinen 200. Grand Prix. "Die ersten 100 fühlten sich schon viel an. 200 ist eine Zahl, die ich mir nie hätte vorstellen können. Aber ich bin noch jung. Weitere 200 Rennen kann ich nicht garantieren, aber 100 mehr könnten es schon werden."
Der Mexikaner ist optimistisch, dass er beim zweiten Österreich-Grand Prix eine bessere Rolle spielen kann als beim ersten: "Das zweite Rennen auf der gleichen Strecke wird mir helfen, das Auto noch besser zu verstehen. Ich habe eine gute Referenz vom ersten Wochenende, und ich weiß, was ich besser machen muss. Spannend wird auch, welchen Einfluss die weicheren Reifen auf die Rundenzeiten und die Rennstrategie haben."
Aston Martin
Sebastian Vettel ist froh, dass es noch ein zweites Wochenende am Red Bull.Ring gibt. "Da können wir das korrigieren, was letztes Wochenende schiefgelaufen ist. Der Samstag lief nicht gut, und dann sind wir im Rennen in diesem Zug festgesteckt, aus dem es keinen Weg vorwärts gab." Der Ex-Champion machte seinem Teamkollegen ein Kompliment: "Lance hat letzte Woche das Maximum aus dem Auto rausgeholt. Viel mehr dürfen wir hier nicht erwarten."
Aston Martin gab eine weitere Verpflichtung für sein Technikbüro bekannt. Und wieder kommt der Neuzugang von Red Bull. Nach Dan Fallows wechselt auch der Aerodynamiker Andrew Alessi die Fronten. Weitere könnten Folgen. Fallows war Alessis Chef. Da könnten noch weitere Jünger des ehemaligen Aerodynamikchefs folgen. Vettel kann sich noch dunkel an die beiden Ingenieure aus seiner Red Bull.Zeit erinnern: "Ich bin mir sicher, dass sie uns helfen. Aber ich stecke nicht hinter diesen Wechseln. Meine Red Bull.Zeit liegt schon viel zu weit zurück."
Williams
George Russell glaubt nach dem sensationellen Rennen vergangene Woche daran, dass diese Saison ihm von Zeit zu Zeit eine faire Chance gibt, aus eigener Kraft in die Punkte zu fahren. Der erste Grand Prix in Spielberg wäre so eine Möglichkeit gewesen. Der Red Bull.Ring ist eine Motorenstrecke. Das spielte Williams in die Hände. "Dazu kam, dass es relativ windstill war. Da haben wir mit unserem Auto weniger Probleme."
Russell spürte vor dem Boxenstopp nicht, dass sich das Motorenproblem ankündigte. "Ich habe erst gemerkt, dass etwas faul ist, weil ich 20 Sekunden stand, bevor es wieder weiterging. Wir hatten zwei Jahre lang kein Problem mit dem Druckluftsystem. Es meldet sich erst, wenn der Druck unter eine bestimmte Grenze fällt. Dann schaltet einfach der Motor ab. Wir waren kurz davor. Deshalb haben wir versucht, wieder Luft aufzufüllen."
Alpine
Für Chefingenieur Ciaron Pilbeam liegt die Hauptaufgabe am Freitag darin, den C5-Reifen von Pirelli zu testen. "Auf dieser Strecke sind wir noch nie mit der weichsten Mischung gefahren. Die Frage ist, wie viel Abnutzung du für den Grip-Gewinn des Reifens einhandelst, und ob dich ein Start auf diesem Reifen in ein Zweistopp-Rennen zwingt."
Fernando Alonso fürchtet, dass der Einsatz von Pirellis Superkleber den Topteams bessere Karten in die Hände spielt. Weil Mercedes und Red Bull, vielleicht sogar Ferrari und McLaren in der Lage sein werden, auf dem C4-Reifen durch das Q2 zu kommen. Der Spanier fordert sein Team auf: "Wir müssen einen noch besseren Job als letzte Woche machen. Sonst wird es schwer mit Punkten. Das Streckenlayout ist nicht ideal für unser Auto."
Alpha Tauri
Nach dem ersten Spielberg-Rennen fischte sich die FIA das Auto mit der Startnummer 22 zum Generalcheck heraus. Untersucht wurden die Schnittstelle zwischen Chassis und Motor, das Lufteinlass-System, der Auspuff, das Ölsystem, Benzinpumpen und Leitungen, das Hydrauliksystem und alle Steuergeräte. Befund: Alles in Ordnung. Pierre Gasly ging zwar beim GP Steiermark leer aus, war aber wenigstens zufrieden mit seinem Auto. Der Franzose hofft, dass ihm die weicheren Reifen keinen Strich durch die Rechnung machen. "Normalerweise sind wir von weicheren Mischungen stärker betroffen als von den härteren."
Haas
Nikita Mazepin atmet auf. Endlich mal eine Strecke, die er in einem Formel 1-Auto schon kennt. Weil er letzte Woche schon da war. "Ich bin noch nie so gut vorbereitet in ein Formel 1-Rennen gegangen. Das hilft. Es könnte allerdings regnen. Und dann ist die Erfahrung vom ersten Wochenende nicht mehr so viel wert."
Für Aufregung sorgte eine Geschichte, dass Mazepin seit Saisonbeginn ein schwereres Auto fährt als Mick Schumacher. Tatsächlich hat das Chassis, das noch aus dem letzten Jahr stammt, ein bisschen Speck angesetzt hat. Allerdings macht das in der Rundenzeit nur einen Unterschied von 0,05 Sekunden aus. "Und in Spa bekommt Nikita ein neues Chassis", beruhigt Teamchef Guenther Steiner die Gemüter.
Mazepin ist überzeugt, dass er mit seinem Auto einen Nachteil gegenüber Schumacher hat: "Weil ich Kompromisse bei der Gewichtsverteilung und beim Setup eingehen muss." Mick Schumacher geht mit einem guten Gefühl in die zweite Auflage des Grand Prix am Red Bull.Ring. "Spielberg 1 war neben Portimao mein bislang bestes Rennen. Mit dem C2-Reifen konnte ich fast die Zeiten des Mittelfeldes fahren."
McLaren
Daniel Ricciardo feierte am Donnerstag vor dem GP Österreich seinen 32.Geburtstag. Das schönste Geschenk bekam der Australier schon 2011. "Es war ein paar Tage nach meinem Geburtstag, als ich meinen ersten Formel 1-Vertrag unterschrieben habe." Das war für HRT. Seitdem hat Ricciardo sieben Grand Prix gewonnen. Doch in diesem Jahr kommt der Strahlemann aus Perth nicht in Form. Sein McLaren bereitet ihm Kopfzerbrechen.
Im ersten Spielberg-Rennen ging Ricciardo zum zweiten Mal in dieser Saison leer aus. Er gab zu: "Ich war nach dem Rennen echt frustriert. Am Montag habe ich den ganzen Ärger in der Sauna rausgeschwitzt. Jetzt geht es mir besser. Ich werde es diese Woche wieder versuchen und habe eine gute Idee, was ich besser machen muss."
Lando Norris fürchtet, dass wieder nur bestenfalls der fünfte Platz für ihn herausspringt. "Wenn vorne keiner ausfällt, ist das unser Maximum." Die Freude über den dritten Startplatz währte nur 24 Stunden lang. "Dann wurden wir im Rennen überrundet und lagen im Ziel 35 bis 36 Sekunden hinter Bottas und Perez. Das holst du nicht von heute auf morgen auf."
Alfa-Sauber
Nach den Erfahrungen des ersten Wochenendes muss Alfa Romeo auch diesmal auf Williams aufpassen. Die zwei Punkte auf dem Konto sind kein Ruhekissen. George Russell war vor einer Woche auf Platz 8 unterwegs, als ein Motorproblem sein Rennen beendete. Kimi Räikkönen fordert nach seinem elften Platz letzte Woche: "Wir müssen schneller werden." Das bezieht er nicht nur auf das Auto. "Ich habe in der Qualifikation eine Kurve verhaut. Das darf mir nicht mehr passieren." Der Veteran empfiehlt, das Gewicht mehr auf das Rennen zu legen. "Wir müssen im Rennen schnell sein. Dann ist es auch nicht so wichtig, ob wir Fünfzehnter oder Achtzehnter sind."