„Max will was beweisen“
Wir haben die zehn Teams vor dem GP Monaco auf Neuigkeiten abgecheckt. Im WM-Duell zwischen Mercedes und Red Bull wird der Ton schärfer. Charles Leclerc sieht sich nicht als Außenseiter-Tipp. Und Sergio Perez hofft, endlich seine Rolle bei Red Bull zu spielen.
Nach einem Jahr Pause kehrt der Saisonhöhepunkt wieder zurück. Immerhin mit 7500 Zuschauern. Man mag sich streiten, ob es ein Glück oder Unglück ist, einen der begrenzten Tribünenplätze zu ergattern. Die Preise liegen zwischen 589 und 1026 Euro. Monte Carlo schlägt sich wieder mal selbst.
Auf der Rennstrecke erwartet uns Routine. "95 Prozent des Rennens findet am Samstag statt", beschreibt Pierre Gasly die Besonderheit des Stadt-Grand Prix. 2019 haben wir nur zwei Überholmanöver gezählt. Und eines, das fast schief ging. Max Verstappens Angriff auf Lewis Hamilton an der Spitze endete mit einem Ausflug in die Auslaufzone der Hafenschikane. So lebt dieser Grand Prix, der zum 67. Mal ausgetragen wird, von vielen kleinen großen Geschichten. Manche werden schon im Vorfeld erzählt. Wir haben sie aufgeschrieben.
Mercedes
Selbst der preisgekrönte Lewis Hamilton gibt zu, dass er Respekt vor dieser Rennstrecke hat. "Die ersten Runden sind immer ein großer Schock, wie schnell es hier um die Strecke geht." Er nimmt die alte Dame Monte Carlo aber auch in die Kritik: "Es ist keine gute Strecke, um Rennen zu fahren. Alles konzentriert sich auf die eine Runde am Samstag. Auf der Skala der Rennstrecken, wo überholen schwer ist, liegt Monte Carlo außerhalb jeder Rangliste. Man sollte sich überlegen, etwas daran zu ändern."
In der Heckflügel-Affäre hat Mercedes erreicht, was man erreichen wollte. Die FIA verschärft ab dem GP Frankreich die Heckflügel-Tests. Das könnte Red Bull und einige andere Teams in Schwierigkeiten bringen. Die strengeren Tests können mehr als nur Rundenzeit kosten. In einem Jahr, in dem die Teams so schnell wie möglich auf das neue Auto umschwenken müssen und der Kostendeckel die Entwicklungsmöglichkeiten einschränkt, wäre so eine Nachbesserung eine Ablenkung, die man nicht braucht.
Nachdem Mercedes bereits einen Nebenkriegsschauplatz mit Red Bull eröffnet hat, beginnt jetzt auch Hamilton gegen seinen WM-Gegner zu sticheln. "Max macht mir den Eindruck, dass er sich im Zweikampf etwas beweisen will. Ich bleibe meiner Linie treu. Das Rennen ist ein Marathon und kein Sprint. Deshalb werde ich weiter jeden Kontakt auf der Strecke vermeiden."
Wie üblich gibt Hamilton die Favoritenrolle wieder an den Gegner ab. "Red Bull war immer stark hier. Es wird extrem schwer, sie auf dieser Strecke zu schlagen." Valtteri Bottas bekräftigt: "Auf dem Papier ist Monte Carlo eine Red Bull-Strecke." Die Ingenieure erklären warum: "Wir sind in Barcelona schon mit unserem größten Flügel gefahren. Red Bull hat am Freitag gezeigt, dass sie noch einen größeren auf Lager haben. Sie haben also mehr Abtrieb als wir."
Ferrari
Charles Leclerc könnte den beiden WM-Kandidaten in Monte Carlo in die Suppe spucken. Sein Ferrari ist stark in langsamen Kurven, die Motorleistung spielt nicht die entscheidende Rolle, und Leclerc hat auf dem Stadtkurs ein Heimspiel. Die Statistik spricht allerdings gegen den Ferrari-Star. Bis jetzt hat Leclerc noch kein Rennen in Monte Carlo beendet, noch nicht einmal in den Nachwuchsformeln. Dafür landete sein neuer Teamkollege Carlos Sainz bei jedem seiner fünf Monte Carlo-Starts in den Punkterängen.
Charles Leclerc warnt davor, Ferrari als Geheimfavorit für Monte Carlo einzustufen, nur weil die roten Autos in Sektor 3 von Barcelona auf Augenhöhe mit Mercedes und Red Bull gefahren sind. "Das ist nicht vergleichbar. Wir hatten in Barcelona ein Auto, das sehr nett mit den Reifen in den ersten beiden Sektoren umgegangen ist. Das hat uns in Sektor 3 geholfen. Wir sollten deshalb nicht davon träumen, dass wir hier mit Mercedes und Red Bull kämpfen." Auch wenn er es so gerne wollte: "Die Rennstrecke war mein Schulweg. Hier bin ich aufgewachsen. Hier habe ich meinen Idolen in diesen unglaublichen Autos zugeschaut. Es gäbe nicht Größeres als in Monte Carlo zu gewinnen."
Für Sainz ist Monte Carlo der ultimative Test, ob er schon volles Vertrauen in den Ferrari SF21 gefasst hat, der sich so komplett anders anfühlt als der McLaren, den er in den beiden vorangegangenen Saisons gefahren ist. "Wenn ich hier schnell bin, habe ich es geschafft. Wenn nicht, muss ich weiter an mir arbeiten."
Red Bull
Sergio Perez hat Max Verstappen in Monte Carlo etwas voraus. Der Mexikaner stand schon mal auf dem Podium im Fürstentum. 2016 als Dritter in einem Force India. Verstappens Monte Carlo-Bilanz dagegen ist die Geschichte verpasster Möglichkeiten. 2015 Crash mit Romain Grosjean in Ste.Dévote. 2016 Crash im Training, Start aus der Box und Crash im Rennen. 2017 Platz 5 nach unglücklichem Boxenstopp-Timing. 2018 Crash im Training, letzter Startplatz und Platz 9 im Rennen. 2019 Zweiter auf der Strecke, aber wegen einer Fünfsekunden-Strafe nur Vierter in der Wertung.
Verstappen will das ändern. "Dieses Jahr wäre es so wichtig." Der Holländer will sich nicht in die Favoriten-Rolle drängen lassen. "Wie sollen wir das wissen, bevor wir einen Meter gefahren sind?" Verstappen widerspricht, dass er auf Kollisionskurs mit Hamilton ist: "Bis jetzt haben wir es erfolgreich vermieden. Auch ich bin nicht auf einen Kontakt mit Lewis scharf. Und beweisen muss ich auch nichts."
Sergio Perez will endlich die Ergebnisse einfahren, die sich das Team von ihm erwartet und er von sich selbst. "Der Druck kommt von mir selbst. Das Team muss mir gar nicht sagen, was ich zu tun habe. Ich weiß selbst, was mein Job ist." Der Mexikaner sieht sich nicht als Schattenmann von Max Verstappen. "Meine Aufgabe ist es, das Maximum aus dem Auto herauszuholen und die Ergebnisse abzuliefern, die das Auto verdient." Perez glaubt, dass er sich auf dem richtigen Weg befindet: "Der Samstag von Barcelona war ein Ausreißer. Und dafür gab es gesundheitliche Gründe."
Aston Martin
Lance Stroll sieht die aktuelle Lage von Aston Martin realistisch: "Die ersten zwei Rennen haben wir wegen günstiger Umstände Punkte geholt. Die Resultate in Portugal und Spanien spiegeln besser die Qualität unseres Autos nieder. Wenn es keine Geschenke gibt, landen wir zwischen den Plätzen 11 und 14. Wir haben in Spanien nichts hergeschenkt. Aber als mich Gasly gegen Ende des Rennens angegriffen hat, hatte ich nichts dagegen zusetzen. Wenn wir nach vorne kommen wollen, müssen wir hart arbeiten und weiter Upgrades bringen."
Auch diesmal werden die Aston Martin neue Teile am Auto haben. Da die alten Aero-Pakete im Moment noch nicht wirken, versuchen die Ingenieure auch mit speziellen Fahrzeugabstimmungen der Aerodynamik zu helfen. "Das verbessert die Abtriebswerte, macht die Autos aber für Lance und Sebastian schwerer zu fahren", erzählt uns einer aus dem Team. Das ist nicht unbedingt das, was man in Monte Carlo braucht. Für Sebastian Vettel ist die größte Herausforderung von Monte Carlo, dass es keinen Platz für Fehler gibt: "Es gibt natürliche Strecken-Limits. Das wird dem Max gefallen." Gemeint war Streckenlimit-Kritiker Max Verstappen.
Williams
Ist Monte Carlo die goldene Gelegenheit für die Teams am Ende des Feldes? George Russell glaubt, dass der Williams in dieser Saison ein besseres Auto als in den beiden Jahren davor ist: "Vom Speed her liegen wir zwischen Platz acht und neun. Wir waren in zwei von vier Rennen nah an den Punkten. Für mich ist dieses Jahr jedes Rennen eine Chance."
Alpine
Technikdirektor Marcin Budkowski hofft, dass die Zwischenzeiten im dritten Sektor von Barcelona eine Aussagekraft für Monte Carlo haben. "Unser Auto ist in langsamen Kurven besser als in schnellen." Fernando Alonso pflichtet bei: "Ich bin optimistisch, dass wir es mit zwei Autos ins Q3 und in die Punkte schaffen." Der Spanier hofft, dass er endlich seine Schwäche in der Qualifikation abstreifen kann. Esteban Ocon führt im Trainingsduell 3:1. Der Franzose fährt zum ersten Mal seit 2018 wieder im Fürstentum. 2019 hatte er kein Cockpit. 2020 fand kein Grand Prix statt.
Ocon lobt die Fortschritte, die das Team seit dem Saisonstart gemacht hat: "In Spanien hatten wir in der Qualifikation ein fantastisches Auto. Wir müssen es noch für das Rennen verbessern. Doch in Monte Carlo ist ein guter Samstag mehr als die halbe Miete."
Alpha Tauri
Nach zwei bescheidenen Vorstellungen in Portimao und Barcelona ist Monte Carlo nicht der ideale Ort für eine Wiedergutmachung. Der Alpha Tauri AT02 mag keine langsamen Kurven. Und Yuki Tsunoda ist noch nie in Monte Carlo gefahren. "Meine einzige Stadtkurs-Erfahrung beschränkt sich auf Macau. Und auf den Simulator." Für Pierre Gasly ist Monte Carlo "meine Lieblingsstrecke." Richtig Spaß machen die 3,337 Kilometer zwischen Hafen und Casino aber nur, wenn das Vertrauen in das Auto da ist. "Sonst ist es ein ziemlicher Kampf."
HaasF1
Mick Schumacher kennt Monte Carlo aus der Formel 2. "Ich bin gespannt, wie sich dieses Strecke in einem Formel 1.Auto anfühlt." Der deutsche Rookie hofft, dass ihm der berühmte Stadtkurs vielleicht die einmalige Chance bietet an WM-Punkten zu riechen. "Zuerst einmal muss ich Vertrauen in das Auto fassen. Dann müssen einige andere dieses Vertrauen nicht haben. Dann sehen wir weiter." Veteran Räikkönen rät dem Monte Carlo-Novizen: "Bleib auf der Strecke. Du lernst mit jeder Runde dazu."
Nikita Mazepin fühlt sich in der Formel 1 noch nicht richtig angekommen. Der Russe gibt vor dem schwierigsten Rennen des Jahres zu: "Ich habe noch nicht so viel Vertrauen in das Auto, wie ich es mir wünsche. Die Balance ist jedes Mal anders, und ich brauche immer ziemlich lange, bis ich sie endlich einigermaßen hinkriege. Die meiste Zeit kämpfe ich mit dem Auto." Keine guten Aussichten für den Stadt-Grand Prix.
McLaren
McLaren hat jetzt Planungssicherheit. Die nächsten drei Jahre fahren Daniel Ricciardo und Lando Norris für das britische Traditionsteam. Mit Norris hat sich McLaren eines der vier ganz großen Talente gesichert. "Ich fühle mich wohl im Team, bin happy mit den letzten zwei Jahren und den Plänen, die das Team hat. Es ist ein anderes Team als vor zwei Jahren. Da ist viel mehr Energie drin. Alle wollen den nächsten Schritt Richtung Mercedes und Red Bull machen."
Daniel Ricciardo freut sich mit: "Es ist gut für das Team, dass schon so früh im Jahr Klarheit herrscht. Kontinuität ist wichtig in der Formel 1." Der Australier will sich noch nicht auf einen Vergleich seiner Teamkollegen einlassen. "Es ist noch zu früh, Lando in die Reihe meiner Teamkollegen einzuordnen. Ich kann nur sagen, dass er verdammt schnell ist." Der Monaco-Sieger von 2018 ist schnelle Teamkollegen gewöhnt: Von Sebastian Vettel über Max Verstappen zu Nico Hülkenberg und Esteban Ocon.
Auf dem Papier müsste McLaren mit Monte Carlo auf Kriegsfuß stehen. Langsame Kurven sind nicht die Stärke des MCL35M. "Wenn man den dritten Sektor in Barcelona als Referenz nimmt, dann könnte man das so sehen. Aber der Vergleich hinkt. Monte Carlo ist so anders mit seinen Bodenwellen und Randsteinen. Die Autos sind viel weicher abgestimmt als in Barcelona", relativiert Ricciardo
Die Einmal-Lackierung der beiden McLaren hat Motorsport-Geschichte geschrieben, aber nie in der Formel 1. Die Farbkombination hellblau-orange für McLaren-Partner Gulf Oil passt eher zu Le Mans, wo Ford, Porsche, Mirage und McLaren in dieser Lackierung angetreten sind.
Alfa Sauber
Kimi Räikkönen startete in Monte Carlo zwei Mal von der Pole Position und hat 2005 den Klassiker gewonnen. Es ist eine Art Hassliebe, die den Rekordteilnehmer mit dieser Strecke verbindet. "Wenn das Auto passt, dann ist es die tollste Strecke, die du dir vorstellen kannst. Wenn nicht, macht es keinen Spaß." Voraussagen wagt Räikkönen nicht: "Die Strecke ist speziell, dass du keine Prognosen machen kannst. Ich kann nicht mal sagen, ob unser Auto auf dieser Strecke gut sein wird."