Der Matador ist zurück
Alpine ist bei seinem Heimspiel mit einem blauen Auge davongekommen. Lange sah es nach null Punkten aus. Doch dann zeigte Fernando Alonso einmal mehr, was er wert ist. Der Spanier spielte seine ganze Klasse aus und wundert sich, dass sich andere darüber wundern.
In den ersten fünf Rennen war Fernando Alonso ziemlich kleinlaut. Jedenfalls für seine Verhältnisse. Bis auf die tolle Aufholjagd in Portimao gab es nicht allzu viele Erfolgserlebnisse. Und der 17. Startplatz beim GP Monaco schlug ihm sichtlich aufs Gemüt.
Es war klar, dass sich auch ein zweifacher Weltmeister nach zwei Jahren Pause erst einmal wieder reinfuchsen musste. Er traf auf eine neue Generation von Autos und neue Reifen und einen Teamkollegen, der ein Jahr Erfahrungsvorsprung mit sich bringt.
Wenn schon Fahrer wie Vettel, Ricciardo, Perez und Sainz Eingewöhnungsschwierigkeiten hatten, obwohl sie nur das Team gewechselt haben, warum sollte es einem, der 2018 sein letztes Formel-1-Rennen gefahren ist anders gehen? Also lieber erst einmal den Ball flach halten.
Ein bisschen genervt haben die Fragen, wie lange es denn nun noch dauert, bis er wieder der alte Alonso sei, dann doch. "Ich weiß nicht, was Ihr euch erwartet habt", bellte er zuletzt die Fragesteller an. "Mir war von Anfang an klar, dass ich Zeit brauche, alles wieder neu zu lernen."
Probleme im ersten Stint
Diese Zeit ist jetzt abgelaufen. In Le Castellet qualifizierte sich Alonso zum zweiten Mal in Folge für das Q3, zum zweiten Mal in Folge vor Esteban Ocon, und zum zweiten Mal in Folge holte er Punkte mit einem Auto, das eigentlich nicht schnell genug für Punkte war.
Baku und Paul Ricard haben gezeigt, dass wir es jetzt wieder mit dem echten Alonso zu tun haben. Einem Fahrer, der mehr aus dem Auto rausholt, als drinsteckt. Einem, der seine ganze Erfahrung ausspielt, um in den entscheidenden Rennphasen zu profitieren. Und einem, der praktisch fehlerlos fährt. Und jetzt wundert sich Alonso, dass sich andere darüber wundern: "Ich bin immer noch der Fahrer, der ich immer war. Nur mit noch mehr Erfahrung."
Acht Punkten in Baku folgten vier in Paul Ricard. Das durfte man nach dem ersten Stint eigentlich nicht mehr erwarten. Alonso stürmte beim Start zwar gleich auf den achten Platz nach vorne, doch spätestens nach zehn Runden war klar, dass Alpine ein Problem mit den Reifen hat.
Der Meister beschwerte sich über starkes Körnen. Erst nahmen ihn die McLaren unter Beschuss, dann Sebastian Vettel. Esteban Ocon, der wie Vettel auf den harten Reifen gestartet war, konnte mit dem Aston-Martin-Pilot nicht mithalten. Das verhieß nichts Gutes für Alonsos zweiten Stint.
Halbe Sekunde pro Runde schneller
Der Spanier fuhr längst im Überlebensmodus. Er hielt trotz der Reifen-Misere noch bis zur 18. Runde durch. Das war wichtig, um dem harten Reifen nicht zu viele Runden aufzubürden. Als Alonso auf die Strecke zurückkehrte, schien der Zug für WM-Punkte abgefahren. Er lag 13 Sekunden hinter Charles Leclerc, elf hinter Daniel Ricciardo, zehn hinter Carlos Sainz und neun hinter Pierre Gasly auf dem 15. Platz. Und Vettel, der noch nicht Reifen gewechselt hatte, fuhr knapp drei Sekunden außerhalb seines Boxenstopp-Fensters.
Doch schon früh in diesem Stint zeigte sich, dass Alpines Star-Pilot schnellere Rundenzeiten fahren konnte als die Gruppe vor ihm. Umso länger das Rennen dauerte, umso größer wurde das Delta. In der Schlussphase gewann Alonso eine halbe Sekunde pro Runde auf seine Mitstreiter. An Leclerc und Sainz ging er auf der Strecke vorbei. Vettel fiel beim Boxenstopp hinter ihn. Ricciardo und Gasly lagen drei Runden vor Schluss in seinem Visier. "Ich kam nur nicht vorbei, weil Gasly von Ricciardo DRS bekam."
Jetzt, wo er in der neuen Formel 1 angekommen ist, hat der 32-fache GP-Sieger wieder Oberwasser. Man sah es an seiner kämpferischen Miene bei der Zoom-Pressekonferenz seines Teams nach dem Rennen. Der Matador spielte sein Spiel wie in besten Tagen. Den Blick stur nach vorne gerichtet, die Worte mit Bedacht so gewählt, dass sie ins Ziel treffen, immer im Angriffsmodus, ließ er keinen Zweifel daran, wer ab jetzt wieder der Chef im Ring ist.
Seit 20 Jahren gute Starts
Auf die Frage, wie er sich die zuletzt so starken Starts erkläre, meinte Alonso zu dem Reporter grimmig, ob er denn nicht aufgepasst habe. "Gute Starts sind seit 20 Jahren mein Markenzeichen. Da spielen weder das Auto, noch die Reifen eine Rolle, nur die Instinkte und die Kreativität." Dass diese Stärke jetzt noch deutlicher zutage tritt, liegt daran, dass er nun mit allen Prozeduren besser vertraut sei.
Als einer vorsichtig sein Überholmanöver gegen Leclerc lobt, hakt Alonso sofort nach: "Und das gegen Sainz habt ihr nicht gesehen? Das war genauso gut." Gleichzeitig stellte er noch einmal den Teamplayer in ihm heraus, falls es einer vergessen haben sollte: "Als Esteban hinter mir lag, bin ich in die Box, um ihm freie Fahrt zu geben. Er steckte ja im Kampf mit den Aston Martins."
Auch das mit den Schwankungen während des Wochenendes ist jetzt vorbei. "Ich hatte wie in Baku drei starke Tage, bin einmal von Platz acht auf Rang sechs vorgefahren und hier vom Platz neun auf acht. Ich fühle mich jedes Rennen besser im Auto. Portimao war ein erster Schritt vorwärts. Paul Ricard hat die steigende Formkurve bestätigt, nachdem uns auf den Stadtkursen wieder etwas Zweifel gekommen waren."
Zu viele Schwankungen
Trotz des positiven Trends warnt Alonso vor falschen Erwartungen. Die ersten sieben Rennen haben seiner Meinung nach das Kräfteverhältnis unter den Teams festzementiert. Da wird sich auch nicht mehr viel ändern. "Vorne fahren Mercedes gegen Red Bull. Ferrari und McLaren sind für uns normalerweise auch außer Reichweite, auch wenn wir jetzt die Ferrari zum zweiten Mal nach Portimao geschlagen haben. Aber in der Qualifikation sind sie vier Zehntel schneller."
Alonso sieht den Sieg über Ferrari als Ausreißer. "Unser Platz ist der Kampf mit Alpha Tauri und Aston Martin." Und da hat Alpine gehörig Rückstand. Alpine fehlen 16, respektive elf Punkte. "Weil wir zu viele Schwankungen haben", kritisiert Alonso.
Um die abzustellen müsse man noch die Reifen besser verstehen. "Wir waren jetzt zum zweiten Mal auf den harten Reifen schneller als der Rest. Das ist aber kein Gesetz. Es gibt auch Strecken, auf denen der weiche Reifen besser zu uns passt."
Und damit steht bei Rennen mit wenig Ausfällen die Erwartungshaltung fest, gibt der 39-jährige Spanier staatsmännisch bekannt. "In der Qualifikation bewegen wir uns zwischen den Plätzen acht und 12. Im Rennen kämpfen wir um die kleinen Punkte. Weil alles so eng ist, müssen wir aber bei den Rennen zur Stelle sein, bei denen die Punkte auf der Straße liegen."