Alpha Tauri neuer WM-Fünfter
Nur Red Bull verließ Baku mit mehr WM-Punkten als Alpha Tauri. Pierre Gasly bewies im Chaos mal wieder große Übersicht. Yuki Tsunoda erholte sich nach seinem Quali-Unfall. Durch die 21 Punkte ist das Team auf bestem Kurs, sein Saisonziel zu erreichen.
Alpha Tauri ist auf dem Vormarsch. In Baku rückte das Schwesterteam von Red Bull auf den fünften WM-Platz. Vorbei an Aston Martin. Die fünfte Position im Konstrukteurs-Pokal ist das erklärte Saisonziel der Mannschaft aus dem italienischen Faenza, die in Aserbaidschan zum Höhenflug ansetzte. Pierre Gasly sah die Zielflagge als Dritter, Yuki Tsunoda als Siebter. Die Fahrer setzten das Potenzial des Autos um.
Dass es für Alpha Tauri auf dem Stadtkurs zu einer Punkteflut kommen kann, hatten bereits der Freitag und Samstag angedeutet. Man muss sich nur die Trainingsergebnisse anschauen. Gasly belegte erst den sechsten, dann den fünften Platz. Im dritten Training war er sogar Schnellster. Der Teamkollege sprang ab Freitagnachmittag in die Top 10 des Klassements.
Beide Alpha Tauri schafften den Einzug ins Q3. In der Qualifikation segelte Gasly um 0,347 Sekunden an der Pole-Position vorbei. Um 0,115 Sekunden an der ersten Reihe. Und um zwei Tausendstel an Platz drei. Tsunoda krachte zwar in die Absperrung, trotzdem machte der Japaner sichtbare Fortschritte. Die Vorstellung erinnerte an den Saisonauftakt.
Fortschritte durch Updates und Setup
Das Auto harmonierte mit dem Baku City Circuit. Es passte ab der ersten Minute. Gasly: "Wir hatten nicht erwartet, so stark zu sein. Von der ersten Runde an habe ich mich wohl gefühlt, das Auto gespürt. Ich war in der Lage, es auszuquetschen. Nicht mal auf die erste Reihe hat viel gefehlt. Im Rennen konnten wir anfangs sogar mit der Spitzengruppe mithalten."
Die Vorstellung beim GP Monaco hatte das Team optimistisch gestimmt, auch in Baku das Mittelfeld aufzumischen. Schon in den Häuserschluchten von Monte Carlo hatte der AT02 gezeigt, dass langsame Kurven für Red Bulls B-Team nicht unbedingt ein Stolperstein sein müssen. Es kommt auf den Typ an.
So wie im letzten Sektor von Barcelona passen sie dem AT02 nicht. So wie in Monaco und Baku schon. Teamchef Franz Tost erklärt den Unterschied. "Langsame Kurven mit kurzen Radien sind für uns besser als langsame mit langen Radien." Deshalb war das Auto auch bei den Tests und zum Saisonauftakt in Bahrain so stark.
Je geringer der Lenkeinschlag, desto weniger läuft das Auto Gefahr, ins Untersteuern zu verfallen. In langgezogenen langsamen Kurven passiert genau das. Es fehlt Stabilität am Scheitelpunkt, die Fahrer können das Auto nicht schnell genug drehen und wieder aufs Gas steigen. Hinzu kommt, dass Alpha Tauri die Schwächen mit konsequenter Entwicklung gelindert hat. "Wir haben mit den Updates in den letzten Rennen und Verbesserungen am Setup generell Fortschritte in langsamen Kurven gemacht", führt der Teamchef aus.
Leichtes Spiel für Vettel
Die abgerufene Leistung in Aserbaidschan war aber dann doch eine Überraschung. Das fünfte Podest der Teamgeschichte (3x Toro Rosso, 2x Alpha Tauri) sowieso. "Wir müssen verstehen, warum wir so gut waren. Derzeit tun wir es nicht", sagt Gasly, der in absoluter Top-Form fährt. Auch ohne die beiden Zwischenfälle um Lance Stroll und Max Verstappen wäre ein Top-Ergebnis unter den besten fünf herausgesprungen. "Pierre hatte alles unter Kontrolle. Reifenmanagement, Bremsen, Spritverbrauch", lobt Tost.
Dabei kämpfte der WM-Achte ab Rennmitte mit stumpfen Waffen. Sein Honda-Sechszylinder verlor an Leistung. Das kostete Top-Speed. "Im Vergleich zu Yuki habe ich viel Zeit auf den Geraden verloren. Ich musste eine Menge Schalter betätigen, um den Schaden zu limitieren."
Deshalb sei Sebastian Vettel in Runde 36 überhaupt erst vorbeigekommen. Gasly schaffte es nicht, genug Puffer zwischen sich und den Aston Martin zu legen, bevor die Autos auf die Zielgerade einbogen. "Ich war sehr schnell im Mittelsektor, aber Sebastian war hinten heraus nicht zu halten. Er hatte leichtes Spiel." Im Mittelsektor in den vielen Kurven half der tendenziell größere Heckflügel. Mit dieser Entscheidung schwamm Alpha Tauri in Baku gegen den Strom der Konkurrenz. Gasly hätte sich mit den Motorproblemen am Ende aber einen kleineren Flügel gewünscht.
Tsunoda findet auf Weg zurück
Den dritten Platz gegen Charles Leclerc nach dem Neustart verteidigte der Franzose mit Händen und Füßen. Er konterte den Angriff des Ferrari auf der Zielgerade, indem er sich sofort in den Windschatten des roten Autos hängte. In den Kurven eins bis drei bremste Gasly auf letzter Rille, um Leclerc abzuwehren. "Wir waren wie Löwen, die rausgelassen wurden. Die letzten zwei Runden waren sehr intensiv. Ich musste mit dem Motorenproblem die Ellbogen ausfahren. Ich wollte unbedingt auf das Podest, dachte aber, ich lande in der Mauer."
Keinen Spielraum für Fehler gab es nicht nur wegen der eng stehenden Barrieren. Hinter dem Duo lauerte Lando Norris auf seine Gelegenheit. Doch der Mann der Chaos-Rennen boxte sich durch, und eroberte nach dem zweiten Platz in Brasilien 2019 und dem Sieg in Monza im Vorjahr sein drittes Podium der Karriere. "Meine Sammlung ist komplett. Sieger, Zweiter, Dritter."
Für Alpha Tauri war es ein rundum gelungenes Rennwochenende. Rookie Tsunoda kämpfte sich zum zweiten Mal in die Punkte. Den Ausrutscher in der Qualifikation sah ihm die Teamführung nach. "Sein Speed im Rennen war teilweise so hervorragend, dass ich Angst hatte, es passiert gleich was", gestand der Teamchef. "Von Yuki werden wir noch viele dieser Vorstellungen erleben. Da kommt noch viel mehr, vor allem in der zweiten Saisonhälfte mit wachsender Erfahrung."
Dieses Mal machte Alpha Tauri auch keine Fehler bei der Strategie (wie in Imola) oder verwachste beim Setup wie in Portimao. Alles stimmte. Ein auffälliges Beispiel: Im dritten Teil der Qualifikation ließ man erst mal die Hauptdarsteller fahren und kam erst raus, als die ihre Reifen wechselten. Tsunoda zog Gasly im Windschatten auf den vierten Startplatz. Besser hätte das Team die Taktik nicht exerzieren können. In Summe standen am Rennsonntag 21 Punkte – kein Mittelfeldteam sammelte mehr.