„Mick will, dass sein Vater stolz auf ihn ist“
Haas hat sich entschieden, die Saison 2021 zu opfern, um nächstes Jahr einen großen Sprung nach vorne zu machen. Im Interview mit auto motor und sport spricht Teamchef Guenther Steiner über den Stand der Entwicklung und wie seine jungen Fahrer mit der schwierigen Situation umgehen.
Bei Haas wurde im Winter auf Sparflamme entwickelt. Ist es jetzt aber noch schlechter gelaufen als befürchtet?
Steiner: Nein, es kam, wie wir es erwartet hatten. Es ist nicht besser oder schlechter – es ist einfach die Realität. Wenn man nicht entwickelt, ist es immer schwierig, das Resultat zu akzeptieren. Aber man muss sich seiner Entscheidung bewusst sein. Und ich bin auch jetzt noch sicher, dass es richtig war. Wir lagen letztes Jahr einfach zu weit hinten. Selbst wenn wir über den Winter mehr für das aktuelle Auto gemacht hätten oder jetzt noch etwas reinstecken würden, dann würde uns diese Investition auch nicht weiterbringen. Wir hätten dann nur Zeit und Fokus für die 2022er-Entwicklung verloren. Und darauf liegt unsere ganze Konzentration. Das habe ich immer klar gesagt. Natürlich ist es nicht schön, da zu sein, wo wir gerade sind. Und die Realität trifft einen hart. Aber wir haben immer mit offenen Karten gespielt. Unsere Partner wussten es, die Fahrer wussten es, niemand ist überrascht. Wir müssen jetzt den Kopf oben halten und uns weiter auf 2022 konzentrieren.
Und für Teambesitzer Gene Haas ist das auch okay?
Steiner: Er ist natürlich nicht besonders happy, aber er weiß, wie der Plan aussieht. Alles ist klar kommuniziert worden. Wenn man etwas verspricht und es dann nicht hält, wird man ja unglaubwürdig. So sollte niemand ein Problem damit haben.
Bei Nikita Mazepin hat man nicht immer das Gefühl, dass er akzeptiert, wo die Limits des Autos liegen.
Steiner: Das ist ganz normal bei jungen Fahrern. Der Druck wäre noch viel höher, wenn wir vorne in den Punkten rumfahren würden. Wir haben immer gesagt, dass wir unsere Piloten jetzt weiterentwickeln wollen, damit sie nächstes Jahr bereit sind anzugreifen.
Muss man im Fall Mazepin nicht aber auch irgendwann dazwischengehen?
Steiner: Ich glaube schon, dass er es versteht. Und er ist zwischendurch auch vorsichtiger unterwegs. Ein Pilot muss immer nah ans Limit gehen, ohne darüber hinauszuschießen. Aber wie will man ans Limit gehen, wenn man nicht weiß, wo das Limit liegt? Ich sage unseren jungen Fahrern immer: Ihr werden erst im zehnten Rennen verstehen, wie wenig ihr im ersten Rennen wusstet. Momentan glauben sie, dass sie alles schon verstehen. Erst mit der Zeit merken sie, wie viel sie dazulernen. Da müssen wir etwas Geduld haben. Nikita will natürlich zeigen, was er kann, und ist selbst ein bisschen ungeduldig. Und dann passiert auch mal was.
Manche Funksprüche von Mazepin hören sich dazu auch noch etwas respektlos an.
Steiner: Ja, manchmal wirkt es etwas unfreundlich. Aber er ist einfach sehr direkt. Das ist sein Charakter. Er meint das nicht so. Er hat ein sehr gutes Verhältnis zu seinem Renningenieur. Da sehe ich kein Problem.
Ab wann tut es im Budget weh, wenn er weiter Sachen kaputt macht?
Steiner: Dem Budget tut es immer weh. Aber wir haben natürlich einkalkuliert, dass es Unfälle gibt. Da geht man nach den Erfahrungswerten aus den Vorjahren. Es gibt also kein festes Unfall-Budget. Man kann einen Schaden auch nicht immer einfach in Geld aufrechnen. Manchmal hatte ein Auto alte Teile dran, die sowieso am Ende ihrer Lebenszeit waren.
Freut es Sie, dass es im Mittelfeld eng zugeht und einige Teams jetzt das alte Auto doch noch etwas länger entwickeln wollen?
Steiner: Da wäre ich nicht traurig drüber. Das würde uns natürlich für 2022 in die Karten spielen. Aber ich kenne ihre Pläne nicht. Die anderen werden das 2022er-Projekt wohl nicht ganz vernachlässigen. Aber sie machen sicher weniger als wir. Ich hoffe, dass wir aufholen und wieder um Punkte kämpfen können. Wir waren ja ganz hinten und brauchten deshalb etwas mehr Anlaufzeit. Wir wollen einfach wieder dahin zurück, wo wir 2016 und 2017 waren. Bis jetzt läuft bei uns alles nach Plan.
Gibt es noch Hoffnung, vielleicht Alfa Romeo oder Williams einzuholen?
Steiner: Alfa hat sich gut weiterentwickelt. Die liegen weit vorne. Bei Williams muss man mal sehen. Wir können nur besser werden. Vor allem auch durch den Fortschritt der Fahrer. Zu was es am Ende reicht, weiß ich nicht. Natürlich ist es uns nicht egal, wo wir landen. Wir wollen ja nicht einfach nur so mitfahren.
Wie sind Sie beim Motor aufgestellt? Ist der Ferrari-Antrieb konkurrenzfähig?
Steiner: Der aktuelle Motor ist sicher besser als im letzten Jahr. Das Defizit wurde ausgemerzt. Das sieht man ja auch an den Leistungen von Ferrari selbst. Daran liegt es nicht, dass es bei uns nicht läuft. Aber nächstes Jahr müssen wir ja den E10-Kraftstoff verwenden, was wieder Einfluss auf den Motor hat. Da kann man noch nicht sagen, wie es dann aussehen wird.
Sind Ihre Fahrer 2022 bereit für den großen Schritt?
Steiner: Das müssen wir sehen. Es sind jetzt gerade mal zwei Rennen vorbei. Da lässt sich noch nicht sagen, wie gut sie wirklich sind. Aber bis nächstes Jahr sollten sie genügend Erfahrung gesammelt haben, um weiter vorne mitfahren zu können. Natürlich wäre es immer besser, wenn man einen Weltmeister im Team hätte. Aber ich sehe da kein großes Problem.
Können Sie noch etwas auf die Arbeitsweise von Mick Schumacher eingehen? Was ist er für ein Typ?
Steiner: Er ist sehr fleißig und fokussiert. Es ist schön zu sehen, dass er es wirklich will. Mick macht das Ganze nicht nur, weil sein Vater siebenmal Weltmeister war. Er will selbst Weltmeister werden. Und er arbeitet hart dafür. Er nutzt nicht einfach seinen Namen aus, nur um hier dabei zu sein. Er will, dass sein Vater stolz auf ihn ist. Er ist ein sehr gut erzogener junger Mann. Und er liebt seinen Job. Er hat richtig Freude daran, was wichtig ist, wenn man so viel für diesen Sport geben muss.
Schumacher tritt ganz anders auf als sein Teamkollege. Müssen Sie als Teamchef auch unterschiedlich mit den Fahrern umgehen?
Steiner: Absolut. Sie sind unterschiedliche Typen, und das ist auch okay. Wir brauchen ja keine Marionetten hier, sondern richtige Charaktere. Damit kann ich gut umgehen. Sie sind verschieden, aber es gibt kein richtig oder falsch. Ich mag nicht den einen mehr als den anderen.
Mazepin muss man wohl etwas einbremsen. Muss man Schumacher dagegen eher anstacheln? Er wirkt in seinem Auftreten oft sehr zurückhaltend.
Steiner: Ich glaube, das wird sich mit der Zeit legen. Er hat einfach die Entscheidung getroffen, dass er es so angehen will. Diese Entscheidung will ich ihm auch nicht ausreden. Sonst kreiert man etwas, was er nicht ist. Er ist halt lieber etwas vorsichtiger, bevor er in irgendein Fettnäpfchen tritt.
Ist er intern auch eher vorsichtig? Oder geht er mit den Ingenieuren anders um?
Steiner: Er kann auch fordernd sein, wenn es sein muss. Aber er ist dabei immer korrekt und höflich. Er weiß schon, was er will. Nikita ist in seiner Art natürlich etwas anders. Beide kommen aus unterschiedlichen Kulturen und sind anders aufgewachsen. Das heißt aber nicht, dass Nikita unkorrekt ist. Wir müssen einfach mit den verschiedenen Charakteren umgehen können.
Redet Ihnen der Vater von Nikita Mazepin viel rein?
Steiner: Nein, eigentlich nicht. In Imola war er nicht einmal an der Strecke. Natürlich respektieren wir, dass er unser Hauptsponsor ist. Ich habe eine gute Beziehung zu ihm. Ich glaube, dass er Vertrauen in das Team und in unsere Arbeit hat. Wir müssen ihn natürlich immer informiert halten, was aber ganz normal ist.
Das Budget für nächstes Jahr ist aber auf jeden Fall schon gesichert?
Steiner: Ja, das steht alles. Unser Team steht wieder auf sicheren Füßen. Ich bin momentan eigentlich richtig happy. Der Sponsoren-Markt ist aktuell ziemlich gut. Die Leute haben Interesse an uns, obwohl es sportlich gerade nicht so gut läuft. Man hat offenbar Vertrauen in uns, dass es nächstes Jahr wieder aufwärts geht.
Haben Ihnen die Russland-Diskussionen geschadet?
Steiner: Nein, überhaupt nicht. Natürlich wurde am Anfang viel geredet. Aber wir leben in einer globalen Welt. Irgendwann haben die Leute gemerkt, dass wir hier in der Formel 1 nichts mit gedopten Biathleten zu tun haben. Jeder versteht, dass es nur Politik ist.