So ist das Leben im Bulli wirklich

Wie ist es, für längere Zeit mit minimalistischer Ausstattung und begrenzten Rückzugsmöglichkeiten zusammenzuleben? Macht uns das glücklich? Welche Herausforderungen sind zu meistern? Wir wollten es wissen. Ein Resümee nach sechs Monaten Vanlife.
Im Frühjahr 2020 war es so weit, und wir starteten in unser persönliches Vanlife-Abenteuer. Für sechs Monate sollte es durch Nord- und Osteuropa gehen.
Ein Paar, ein Hund, ein Bulli – geht das gut?
Die Crew: Mario und Sina, die kleine Chihuahua-Hündin Twiggy und natürlich unser Bulli, den wir liebevoll Dorphine getauft hatten. In den Monaten vor der Abfahrt hatten wir Dorphine mit viel Leidenschaft selbst um- und ausgebaut, ein bisschen elektrifiziert und für unseren Geschmack zu einem sehr gemütlichen Zuhause umfunktioniert.
Nicht viel Schnickschnack, dafür aber alles an Bord, was man so benötigt oder, besser gesagt, wir glaubten zu benötigen. Campingerfahrung hatten wir bis dato relativ wenig. Klar, in jüngeren Jahren waren wir schon mal mit dem Zelt im Urlaub, aber gemeinsam in dieser Konstellation und dann gleich eine sechsmonatige Reise? Na, das konnte ja spannend werden. Lebten wir sechs Monate lang wirklich unseren Traum oder würde sich Vanlife gar als Alptraum entpuppen?
Um es schon einmal vorwegzunehmen: Ja, es sollte sich als unser ganz großes Glück herausstellen. In dem nunmehr etwas über einem Jahr, das seit unserer Rückkehr vergangen ist, konnten wir in Ruhe das Erlebte Revue passieren lassen. Wir haben eine tiefe Dankbarkeit für diese besondere Zeit entwickelt.
Vanlife im Bulli: 7 Quadratmeter Glück
Wir wurden auch immer wieder darauf angesprochen, wie es denn nun gewesen sei auf so engem Raum ständig beieinander und welche Tipps wir für andere Paare hätten. Und tatsächlich kamen wir im Laufe der Zeit zu der einen oder anderen Erkenntnis.
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist sicherlich, dass beide Partner den Traum vom einfachen, minimalistischen Reisen teilen. Jedoch sind auch andere Eigenschaften – die wir vorher nicht so wirklich auf dem Radar hatten – durchaus hilfreich, um eine entspannte gemeinsame Zeit zu (er-)leben.
Da wäre zum Beispiel das Thema Sicherheit unterwegs. Bereits nach unseren ersten Nächten des freien Stehens hat sich herausgestellt, dass wir beide ein ähnliches und relativ geringes Bedürfnis an Sicherheit haben. Und so fühlten wir uns beide im Wald oder am See in Schweden genauso wohl wie auf einem Parkplatz in Rumänien.
Auch unser Temperaturempfinden war glücklicherweise sehr angeglichen. Es machte keinem von uns etwas aus, auch bei unter null Grad ohne fest eingebaute Standheizung, dafür aber mit einer muckeligen dicken Decke im Bulli zu schlafen und dennoch gut gelaunt in den Tag zu starten.
Das soll nicht heißen, dass man möglichst viele Eigenschaften teilen muss, um gemeinsam eine fantastische Zeit zu verbringen. Dennoch sind wir der Überzeugung, dass eine gesunde Schnittmenge ähnlicher Interessen und ganz besonders auch gegenseitige nicht zu hohe Erwartungen zumindest sehr wertvoll sind.
Von Pannen und Unglücken
Doch egal wie an- und ausgeglichen man ist und wie gut man das Zusammenleben organisiert – früher oder später trifft man auf so einer Reise auf ungeplante Herausforderungen. Ob kleinere, wie tagelang verregnetes Wetter, oder auch größere in Form von Pleiten, Pech und Pannen. Jepp, sie kommen, das ist sicher.
Uns hat es zunächst in Schweden, im Norden des Landes, erwischt. Es sollte nur ein kurzer Stopp am Wegesrand werden … ein verhängnisvoller, denn kaum in die unscheinbar ausschauende und leicht ansteigende Waldzufahrt eingefahren, steckte Dorphine im sehr aufgeweichten und schlammigen Boden fest und es ging weder vor noch zurück.
Auch nach über einer Stunde vollem Körpereinsatz war es uns mit unseren Bordmitteln unmöglich, Dorphine zu befreien. Statt uns jedoch gegenseitig Vorwürfe zu machen, haben wir es als sportliche Herausforderung angenommen und konnten sogar über uns und die Misere lachen. Denn nicht nur Dorphine hatte deutliche Spuren, auch wir hatten eine gute Schlammpackung abbekommen. Ein Spaziergang entlang der Straße zum einzigen und zu unserem Glück auch bewohnten Haus eines älteren Paares samt ihrem kleinen Traktor wurde zu unserer Rettung.
Und wie das Leben so spielt, sollte dieses nicht unsere einzige Panne sein. Nach einem Stadtbummel in Stockholm wollte Dorphine urplötzlich nicht mehr starten. Nach einer kurzen Suche war der Übeltäter gefunden, der 12-Volt-Stecker des Anlassers war gebrochen.
In Slowenien hingen wir nach einem arg missglückten Wendemanöver mehr als unglücklich in einem Hang fest. In der Slowakei verloren wir beinahe unseren Auspuff, eine der Hinterradbremsen machte übelste Geräusche und in Estland und Norwegen haben nach über 20.000 Kilometern beide Reifen der Antriebsachse ihren Tribut gezollt. Solche Dinge gehören einfach dazu und wie so häufig im Leben ist doch die Frage, was man draus macht und lernt.
Wir sind stets gemeinsam an diese Herausforderungen herangegangen und haben sie als wertvolle Aspekte des Abenteuers Vanlife gesehen. Dank handwerklichem Geschick und guter Teamarbeit waren wir bei vielen Dingen selbst in der Lage, uns zu helfen. Und falls nicht, wie mitunter in Schweden oder Slowenien, haben wir immer sehr große Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft erfahren. Fun Fact: Der schon in Deutschland geschweißte und in Slowenien nochmals in einer Werkstatt gefixte Auspuff hält nunmehr seit über 15.000 Kilometern nur mit Kabelbindern.
Der Alltag im Van
Von den etwas größeren Herausforderungen zu den kleineren. Schließlich gibt es auch unterwegs Alltägliches wie den Van-Haushalt zu erledigen. Wasser entsorgen und auffüllen, Bett umbauen und das Geschirr spült sich auch auf einmal nicht mehr wie von Zauberhand. Wie daheim haben wir auch den mobilen Haushalt gemeinsam gemeistert und dabei nie den Spaß zu kurz kommen lassen. Und so endete unser morgendliches Ritual, das Bettenausschütteln und anschließende -lüften, um das ein oder andere Mal in einer lustigen Kissenschlacht.
Auch eine gut eingespielte Aufgabenteilung kann auf so engem Raum kleine Wunder bewirken, um sich nicht im Wege zu stehen. So hat sich beispielsweise einer morgens darum gekümmert, die kondensierte Feuchtigkeit von den Scheiben zu wischen, während der andere schon den Kaffee vorbereitet hat.
Tipp: Reise dokumentieren
Allen, die ebenfalls planen, mal länger als im Rahmen des normalen Urlaubs unterwegs zu sein, möchten wir noch den Tipp geben, dies in der einen oder anderen Form zu dokumentieren. Wir haben uns dafür entschieden, die Reise in einem Blog festzuhalten und jeden Abend die Erlebnisse des Tages gemeinsam Revue passieren zu lassen und aufzuschreiben. Das war ein wirklich schönes Ritual und hat sich zudem im Nachhinein als großes Glück herausgestellt.
Denn gerade bei dieser Art und Zeit des Reisens prasseln so viele Eindrücke und Erlebnisse auf einen ein, dass man sie gar nicht alle behalten kann. Und jetzt im Nachhinein die Möglichkeit zu haben, immer mal wieder in Ruhe zurückzugehen und uns auch an die kleinen Dinge zu erinnern, ist einfach nur großartig. Da wird uns dann immer wieder bewusst, was für eine wunderbare Zeit wir hatten und was wir alles erleben durften.
Nach sechs Monaten gemeinsam gelebtem Vanlife können wir sagen, dass es uns megaviel Spaß gebracht hat. Eine wesentliche Erkenntnis war, dass wir nicht sonderlich viel benötigen, um glücklich zu sein. Da wir beide harmoniebedürftig sind und keine gegenseitigen übertriebenen Erwartungen an uns gestellt haben, funktionierte das Zusammenleben auf engstem Raum super und so vermissten wir auch nicht die Möglichkeit, uns mal einen oder mehrere Tage aus dem Weg gehen zu können.