Darum lief es im Rennen besser
McLaren ist Ferrari in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft wieder davongezogen. Im zweiten Österreich-Rennen machte der MCL35M sichtbare Fortschritte. Lando Norris nahm es sogar mit Red Bull und Mercedes auf. Trotzdem bestand eine Diskrepanz zwischen Quali- und Rennpace. Woran liegt das?
Wie sich Zeiten ändern. Vor dem Saisonstart wäre Lando Norris über jeden dritten Platz überglücklich gewesen. Nach neun Rennen hat er drei kleine Pokale gesammelt: in Imola, Monte Carlo und Österreich. Doch nach dem dritten Rang im zweiten Spielberg-Rennen mischte sich ein wenig Enttäuschung in den Jubel. Der McLaren-Pilot sah sich durch eine Strafe nach einem Zweikampf mit Sergio Perez um den zweiten Platz gebracht.
Da sieht man, dass die Ansprüche an sich selbst und das Team steigen. McLaren pirscht sich in kleinen, aber sichtbaren Schritten an die Topteams der Königsklasse heran. "Erstmals seit Jahren waren wir in der Lage, gegen Red Bull und Mercedes zu kämpfen", resümierte Norris. "Dieses Podium haben wir uns verdient. Wir haben es über unsere Pace herausgefahren. Es brauchte keine glücklichen Umstände. Ich bin trotzdem etwas enttäuscht, weil es ein zweiter Platz hätte sein können – deshalb fühlt sich dieses Podest vielleicht am schlechtesten für mich an."
Teamchef Andreas Seidl lobte seinen Schützling: "Hut ab, dass sich Lando von der Strafe nicht hat aus der Ruhe bringen lassen. Das zeigt, wie abgeklärt er bereits ist. Er hat den Vorfall abgehakt und sich auf das weitere Rennen konzentriert." Der 21-Jährige hat in seiner dritten Saison den nächsten Schritt gemacht. "Er fordert viel ein, weil er genau weiß, was er braucht. Er hat einen guten Überblick im Rennen. Der Dialog mit den Ingenieuren ist gut."
Extra-Grip als Hilfe
Dieses Mal war McLaren nicht nur in der Qualifikation ein Gegner für die beiden Topteams, sondern forderte sie auch im Rennen. Am ersten Wochenende in Spielberg hatten Norris noch 0,279 Sekunden auf Max Verstappen auf Pole Position gefehlt. Und keine Zehntel auf die Mercedes vor ihm. Eine Woche später verkürzte der Engländer auf 48 Tausendstel gegenüber dem Red Bull und ließ die Mercedes in der Quali beide hinter sich.
Im ersten Rennen wurde Norris noch überrundet. Über die Distanz war für ihn gegen die Spitzenautos nichts auszurichten. Wie kann das sein? Man hat es in dieser Saison schon öfter gesehen, dass Teams wie McLaren und Ferrari in der Qualifikation näher dran sind, sogar Paroli bieten können, im Rennen aber abfallen. Das hat damit zu tun, dass der Extra-Grip der Reifen auf eine Runde die Schwächen des Autos überdeckt. Die Mittelfeldteams profitieren überproportional davon.
McLaren schaffte es, den Peak der Reifen auszureizen – also die maximale Haftung zu generieren. Der Extra-Grip festigt das Auto beim Einlenken, in Kurven. Doch je mehr der Reifen abbaut, desto stärker fällt McLaren dann im Vergleich zu den Topautos ab. Weil dann die Empfindlichkeit der Aerodynamik steigt, und es keinen Faktor X gibt, der ausgleicht.
Unterschied zwischen Quali und Rennen
Beim zweiten Grand Prix in Österreich hatte McLaren ein klar besseres Rennauto. Norris sah die Zielflagge nur noch 20,019 Sekunden hinter Sieger Verstappen, 2,046 Sekunden hinter Valtteri Bottas im Mercedes und vor Hamilton. Das Team nannte die Gründe für die Steigerung. Die Ingenieure verbesserten die Abstimmung. Ein kleines Upgrade am Unterboden brachte mehr Abtrieb. In Summe lag der MCL35M stabiler in den Kurven – vor allem in den schnellen. Die verhältnismäßig kühlen Temperaturen am Renntag von 21 Grad Celsius halfen Auto und Reifen.
Mehr Stabilität in Kurven führt zu weniger Rutschen, und dadurch weniger Reifen.erschleiß. Ein Schlüssel war es, dass sich Norris auf derselben Reifen.ischung wie die Red Bull und Mercedes für das Rennen qualifizierte. Die Spitze startete geschlossen auf der Medium-Mischung. Strategisch gab es also keinen Nachteil mehr. Das war in der Vorwoche noch anders. Damals hatte das Auto mit der Startnummer 4 die weiche Garnitur auf den Radträgern.
Mit verbessertem Speed machte es für Norris plötzlich Sinn, sich zu verteidigen. Weil das Podest drin lag. Trotzdem zeigte auch der zweite Grand Prix in der Steiermark, dass im Renntrimm eine Lücke aufreißt. Verstappen war über die 71 Runden im Schnitt 0,28 Sekunden schneller als Norris. Und man muss bedenken, dass der Niederländer früh die Motorleistung herunterregelte, Randsteine mied und sein Rennen auf die Verfolger ausrichtete. Der Unterschied zeigt sich im ersten Stint. Hier war Verstappen durchweg um vier bis fünf Zehntel schneller als der McLaren – und eben kein halbes Zehntel wie in der Quali noch.
Speed für Platz zwei war da
Hamilton verzweifelte bis zur 20. Runde hinter seinem Landsmann. Weil der Mercedes trotz Windschatten und DRS wieder keine Rakete auf den Geraden war. Hamilton erreichte eine Maximalgeschwindigkeit von 317,9 km/h. Norris war im Vergleich im Rennen um sieben km/h schneller mit offenem Flügel und Vordermann. Selbst ohne DRS hatte er Hamilton lange im Griff. Als der Weltmeister endlich vorbei war, zeigte sich, dass auch der Mercedes an diesem Tag schneller war. Er entwischte Norris bis zum Boxenstopp um fast fünf Sekunden.
Dass der Mercedes besser ist, sah man bereits in der Qualifikation. Im zweiten Durchgang auf den Mediumreifen war Hamilton rund eineinhalb Zehntel schneller als Norris. In Q3 drehte sich die Rangfolge, weil die Silberpfeile eben nicht jene Bergspitze des Reifen. erklommen. Der Reifen vom Typ C5 schmeckte dem W12 nicht. Von den Ingenieuren hieß es außerdem dazu. "Wir gehen voll auf Rennpace und stimmen unser Auto dafür ab. Die Teams im Mittelfeld verfolgen manchmal einen anderen Ansatz."
Norris hatte nicht den Speed von Hamilton und schon gar nicht von Verstappen. Aber von Bottas. Der WM-Vierte hätte den Finnen im zweiten Mercedes ohne die 5-Sekunden-Strafe wahrscheinlich geschlagen. Bottas gehörte mit 310,4 km/h zu den langsamsten Autos im Feld. Der Messpunkt befindet sich vor der vierten Kurve. Norris ließ sich später nicht abschütteln. "Ich konnte ihm sogar in verwirbelter Luft folgen. Leider bin ich nie nah genug gekommen, um DRS aktivieren zu dürfen. Wenn ich ihm zu dicht kam, ist das Auto zu sehr gerutscht."
In Summe eroberte McLaren 21 Punkte. "Von uns aus könnten wir immer in Spielberg fahren", witztelte der Teamchef. Bis jetzt hat McLaren in jedem Saisonrennen zweistellig gepunktet. Die Konstanz ist der Schlüssel, um Ferrari im Rennen um den dritten Platz im Konstrukteurs-Pokal hinter sich zu halten. Beide Autos müssen in die Top 10.
Am zweiten Spielberg-Wochenende gelang das auch Daniel Ricciardo. Der Australier atmete nach einer abermals verpatzten Qualifikation auf. "Wir haben schon das ganze Jahr gesehen, dass er sich im Rennen mit vollen Tanks leichter tut", sagt Seidl. Die Aufgabe an Ricciardo ist es, endlich auch auf eine Runde abzuliefern.