Asphalt hilft Mercedes in Portimao
Mercedes ist im Duell mit Red Bull in Führung gegangen. Gefühlt, weil der Silberpfeil in Portimao das schnellere Auto war. Tatsächlich hat die leichte Überlegenheit von Mercedes einen anderen Grund. Der Asphalt spielte dem Titelverteidiger in die Karten.
Zwei Rennen lang einigten sich Toto Wolff und Helmut Marko auf die Formel: Der Red Bull RB16B ist zwei Zehntel schneller als der Mercedes W12. Wenn die beiden Erzfeinde aus der Alpenrepublik mal einer Meinung sind, muss sie stimmen. In Portimao schien sich das Bild zu drehen. Mercedes besetzte die erste Startreihe, Mercedes gewann das Rennen, ein Mercedes drehte die schnellste Rennrunde.
Doch die Ingenieure warnen vor voreiligen Schlüssen. "Verstappen hat uns die Pole Position und die schnellste Runde durch Fehler geschenkt. Er hat seine Runde in beiden Fällen wegen Überschreitens der Streckenbegrenzung verloren." Der entscheidende Faktor für den Sieg war nicht so einfach zu bestimmen. Hamilton hatte bis zu Verstappens zweiten Boxenstopp 4,1 Sekunden Vorsprung. Macht pro Runde einen Vorteil von 0,06 Sekunden. Eine Winzigkeit.
Upgrade-Rennen eröffnet
Verstappen erinnerte an das Jahr zuvor: "Portimao war schon letzte Saison nicht unsere beste Strecke. Wir wissen nicht warum. Das ist ein komischer Platz. Es gibt so wenig Grip. Vielleicht kommt Mercedes damit besser zurecht. Das darf keine Ausrede sein. Wir müssen auf jeder Strecke in der Lage sein, die schnellsten Runden zu fahren." Auch Hamilton hatte nicht das Gefühl, dass Mercedes im Wettrüsten ein entscheidender Schritt gelungen sei: "Red Bull hat eher etwas Speed verloren, als dass wir etwas gewonnen hätten. Aus irgendeinem Grund haben sie einen Schritt auf uns zu gemacht."
In der Theorie hätte sich die Lücke eigentlich öffnen sollen. Red Bull kam mit einem größeren Aero-Paket nach Portugal. Die Ingenieure hatten den Frontflügel, die Leitbleche, den Unterboden und den Diffusor überarbeitet. Nicht ganz mit dem gewünschten Erfolg. "Nur Perez ist das volle Paket gefahren. Max hat auf den Flügel verzichtet", verrät Sportchef Marko.
Mercedes hatte nur eine kleine Änderung am Heckflügel im Gepäck. Auch hier gab es kein eindeutiges Votum. Hamilton fuhr den alten Flügel, Bottas den neuen. Die Upgrades hatten also keinen Einfluss auf das Kräfteverhältnis. Dafür ein anderer Faktor. Und der hatte nichts mit der Konfiguration der beiden Autos zu tun. Und nur bedingt mit der Reifen.ischung.
Umstände helfen Mercedes./strong>
Die Schwachstelle des Mercedes ist sein Umgang mit den Hinterreifen. Sie neigen zum Überhitzen. Das hat sich besonders auf einer Strecke gezeigt, auf der die Hinterreifen am Limit sind. In Bahrain konnte Mercedes das Problem mit der Fahrzeugabstimmung einigermaßen unter Kontrolle halten. Ausgerechnet da servierte Red Bull dem Titelverteidiger den Sieg auf dem Silbertablett. Man gab dem WM-Gegner die Chance zum Undercut. Und Verstappen überholte Hamilton neben der Strecke.
In Imola und Portimao sah es wesentlich besser für die Silberpfeile aus. Die Mercedes.Ingenieure sind überzeugt: "Das lag hauptsächlich daran, dass wir dort das Problem mit den Hinterreifen einfacher im Griff hatten. In Imola haben uns die kühlen Temperaturen geholfen, in Portimao der glatte Asphalt. Da fällt die Strafe für uns geringer aus. Das hat nichts mit dem Kurvenlayout der beiden Strecken zu tun."
Portimao zählt zu den wenigen Strecken im Kalender, auf denen man 66 Runden attackieren kann, ohne dass einen die Reifen bestrafen. Noch dazu, wenn es die härtesten von Pirelli sind. Nur im Zweikampf kann es kritisch werden. Als Hamilton neun Runden lang hinter Bottas anstand, näherten sich die Temperaturen an den Hinterreifen wieder dem roten Bereich. Kaum war er vorbei, sind sie schnell wieder abgekühlt. Der Streckenbelag streichelte die Pirellis.
Auch der Wind spielte eine Rolle. Red Bull glaubt, dass ihr Auto anfälliger auf Seitenwind ist, weil es hinten höher steht. Das könnte stimmen. Wenn man die Rundenzeiten der beiden Hauptdarsteller vergleicht, dann ist bei Mercedes mehr Konstanz zu beobachten.
Sorgen vor Barcelona und Monte Carlo
Das kann übrigens auch ein Grund für die starke Form der Alpine in Portimao sein. Die haben normalerweise das gleiche Problem wie Mercedes. Diese Eigenheiten der Autos können auch die nächsten Rennen mitbestimmen. Barcelona und Monte Carlo macht Mercedes Angst. Beide Strecken bedeuten wieder mehr Stress für die Reifen. Dann kann der Mercedes auch nicht mehr seinen leichten Vorteil in den langsamen Kurven so ausspielen. Weil der nur gilt, solange die Reifen im Fenster sind.
In Barcelona und Monte Carlo könnte der dritte Sektor entscheiden. "Wenn wir dort die Reifen in den ersten zwei Sektoren nicht konservieren, werden wir in den langsamen Kurven am Ende der Runde leiden", heißt es aus dem Lager des Weltmeisters. Red Bull-Teamchef Christian Horner will sich mit einem endgültigen Urteil noch Zeit lassen: "Wir bekommen langsam ein Bild, wo die Stärken und Schwächen der einzelnen Autos liegen. Aber die Bedingungen hier waren mit der Kälte, dem Wind und dem rutschigen Asphalt sehr unnormal. Wenn wir ein Standard-Rennen in Barcelona haben, dann sollten wir mehr wissen."
Red Bull will seinen RB16B auf jeden Fall bis zur Sommerpause weiterentwickeln. "Dann sehen wir je nach WM-Stand weiter", erklärt Marko. Der späte Absprung zum 2022er Auto überrascht. Aber wer schenkt schon einen möglichen WM-Titel her gegen einen Vorteil für 2022, den keiner garantieren kann? "Das können wir Max nicht antun, jetzt, wo er zum ersten Mal ein Auto hat, mit dem er Weltmeister werden kann", sagt Marko. Auch Mercedes wird den Titel nicht freiwillig herschenken. Das deutete Toto Wolff bereits in Imola an. Für die Verfolger ist das eine gute Nachricht. Ein Entwicklungsvorsprung für das nächstjährige Auto könnte für McLaren und Ferrari die Lücke schließen.