Deutsche Premiumautos in USA voll förderfähig
US-Präsident Biden will schon lange Kaufanreize für E-Autos einführen. Endlich tritt das Gesetz in Kraft. Audi, BMW und womöglich auch Mercedes profitieren davon.
Bereits kurz nach seiner Amtseinführung hat US-Präsident Joe Biden das Kernelement seiner politischen Vorhaben vorgestellt: Ein insgesamt 2,25 Billionen Dollar teures Konjunktur-Paket, das bis 2029 umgesetzt werden sollte. Es würde vor allem über Steuererhöhungen für Unternehmen in den kommenden 15 Jahren finanziert. Ein beträchtlicher Teil davon, nämlich 621 Milliarden Dollar, sollte in die Verkehrs-Infrastruktur fließen. Und zwar vor allem in die Modernisierung von 20.000 Meilen des Straßennetzes sowie von 10.000 Brücken (115 Milliarden Dollar), des öffentlichen Nahverkehrs (85 Milliarden Dollar) oder des Schienennetzes (80 Milliarden Dollar).
Der größte Teil von 174 Milliarden Dollar war für die Förderung der E-Mobilität vorgesehen. Das Geld sollte einerseits in die Verbesserung der Lade-Infrastruktur gesteckt werden: Die US-Regierung plante einer Verfügung zufolge die Errichtung von landesweit einer halben Million Ladestationen. Andererseits sollten die finanziellen Mittel für Kaufanreize für Elektroautos ausgegeben werden. Das Ziel ist – für US-Verhältnisse – weiterhin ambitioniert: 2030 soll die Hälfte aller neu zugelassenen Pkw mit Elektroantrieb fahren. Die Vorgabe umfasst neben batterie- auch wasserstoffelektrische sowie Hybridautos. Parallel sollen die Verbrauchs- und Abgasstandards für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor verschärft werden.
Kaufanreize ähnlich wie in Deutschland
Um das Ziel zu erreichen, sollen – wie auch in Deutschland – Kaufanreize helfen. Wie diese genau aussehen könnten, gab der vom Senatsausschuss erarbeitete Gesetzentwurf "Clean Energy for America" vor. Er bestand aus Steueranreizen bei der Nutzung nachhaltiger Energie und der Aufhebung oder Kürzung von solchen für fossile Brennstoffe, aber auch aus direkten E-Auto-Kaufanreizen. Die Kosten für Letzteres wurden anfangs auf 31,6 Milliarden Dollar geschätzt. Drei Jahre, nachdem der Marktanteil von E-Autos die 50-Prozent-Schwelle erreicht hat, sollte die Förderung auslaufen.
Inzwischen ist daraus der "Inflation Reduction Act" geworden, ein Gesetz also, mit dem in erster Linie die Inflation gesenkt werden soll. Es umfasst eine lange, insgesamt 374 Milliarden Dollar teure Liste an Verordnungen für den Klima- und Umweltschutz und hat mit einer knappen Mehrheit – Vizepräsidentin Kamala Harris musste ihr Tie-Breaker-Stimmrecht einsetzen – den US-Senat passiert. Nachdem es auch vom Repräsentantenhaus verabschiedet und von Biden unterschrieben wurde, kann es nun in Kraft treten.
Mit dem "Inflation Reduction Act" wurde eine Kaufprämie für Elektroautos verabschiedet. Formell handelt es sich um eine Steuergutschrift von 7.500 Dollar, die bereits beim Kauf des Autos vom Preis abgezogen wird. Eine solche gab es bereits, aber die Regelung wird angepasst: Die bisher gültige Obergrenze von 200.000 Fahrzeugen je Hersteller soll künftig wegfallen. Mit dem Ergebnis, dass Modelle der absatzstarken E-Auto-Bauer General Motors, Ford oder Tesla künftig wieder förderfähig sind. Die Förderung kommt jedoch nur für Modelle mit einem Kaufpreis bis 55.000 Dollar (Standard-Pkw) oder 80.000 Dollar (SUV, Pick-ups und Nutzfahrzeuge) infrage. Und für Käufer, die brutto nicht mehr als 150.000 Dollar als Einzelperson oder 300.000 Dollar pro Haushalt verdienen.
Förderung auch für PHEVs und Gebrauchtwagen
Die Käuferinnen und Käufer eines Plug-in-Hybriden sollen ebenfalls in den Genuss der Kaufprämie kommen, sofern das gewünschte Auto über eine Batterie mit einer Kapazität von mindestens sieben Kilowattstunden verfügt. Beim Kauf eines "mindestens zwei Modelljahre" alten und höchstens 25.000 Dollar teuren gebrauchten Elektroautos gibt es eine Steuergutschrift von 4.000 Dollar. Allerdings nur dann, wenn exakt für dieses Auto nicht bereits die Neuwagenförderung in Anspruch genommen wurde.
Bidens ursprünglicher Plan ging weit über diese Summen hinaus. Einen Sockelbetrag von 7.500 Dollar sollte es beim Kauf eines E-Fahrzeugs auf jeden Fall geben. Weitere 2.500 Dollar winkten, wenn dieses Auto in den USA gefertigt wurde. Und für den Fall, dass es von Mitarbeitern, die in einer Gewerkschaft organisiert sind, gebaut wurde, stellte der Gesetzentwurf noch einmal dieselbe Summe in Aussicht. Doch Bidens Parteifreund bei den US-Demokraten und Senator für den erzkonservativen Bundesstaat West Virginia, Joe Manchin, hatte den Gesetzentwurf im Senat immer wieder blockiert. Bei persönlichen Verhandlungen mit Biden hat Manchin erreicht, dass das eingangs erwähnte Konjunktur-Paket immer weiter abgeschwächt wurde – auch in Hinblick auf dessen finanziellen Umfang.
Extrem strenge Förder-Vorgaben
Anders als geplant stellen sich auch die Bedingungen dar, die ein förderfähiges E-Auto mitbringen muss. Erste Voraussetzung: Es muss in Nordamerika montiert worden sein. Den ersten Teil von 3.750 Dollar gibt es aber nur, wenn ab 2024 mindestens 40 Prozent der für die Akkus nötigen Mineralien aus den USA oder Ländern stammen, die ein Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten haben. Die restliche Hälfte fließt erst, sollten mindestens 50 Prozent aller Batteriekomponenten aus solchen Nationen kommen. Beide Prozentwerte sollen über die Jahre ansteigen, bis auf 100 Prozent im Jahr 2029. Autos mit chinesischen Batteriekomponenten soll die Förderung dagegen komplett verwehrt werden. Und zwar dem Vernehmen nach bereits ab 2023.
Entsprechend kurz ist die Liste der mit Eintreten des neuen Gesetzes voll förderfähigen Elektroautos. Das US-Energieministerium hat eine etwa zwei Dutzend Modelle umfassende Übersicht veröffentlicht, die das jeweilige Auto und dessen Modelljahr benennt. Darauf befinden sich nicht nur Produkte von US-Herstellern, sondern auch jene ausländischer Marken wie Nissan und Volvo, die das jeweilie Modell für die nordamerikanischen Märkte vor Ort bauen (siehe Tabelle über diesem Absatz). Aus Deutschland sind Audi (Q5 Plug-in-Hybrid), BMW (3er Plug-in-Hybrid) und Mercedes-Benz (EQS SUV) Nutznießer der neuen Regeln. Wobei die Aufnahme des Mercedes in die Liste überrascht, da das Auto auch in seiner günstigsten Version über 80.000 Dollar kosten wird. Dasselbe gilt für den mindestens 87.400 Dollar teuren Lucid Air.
US-Auto-Lobby beschwert sich
Weil aktuell so wenige der eigenen Modelle von den Förderregeln profitieren, sind die Vorgaben so gar nicht nach dem Geschmack der US-Autoindustrie. Aktuell werden fast in jedem Elektroauto Komponenten aus China oder Rohstoffe aus Ländern, die nicht an einem Freihandelsvertrag mit den USA partizipieren, verbaut. Folglich wäre laut einer Aufstellung des Auto-Lobbyverbandes "Alliance for Automotive Innovation" heute auch kein einziges US-Elektroauto förderfähig, wenn bereits die 2029er-Regeln gelten würden.
Präsident Biden hatte sich das eigentlich anders gedacht, als er seine Landsleute während des Wahlkampfes aufgefordert hatte: "Kauft amerikanisch!" Neben der Autoproduktion selbst will der US-Präsident die inländischen Zulieferketten stärken: Von den kleinsten Teilen bis zum fertigen Auto soll möglichst alles in den USA produziert werden – auch, um sich besser gegen Teilemangel zu wappnen, wie wir ihn aktuell bei Halbleiter-Chips erleben. Damit verfolgt er das Ziel, "die amerikanischen Autoarbeiter und Hersteller in die Lage zu versetzen, sich im 21. Jahrhundert an die Spitze zu setzen".
Zu diesem Zweck will Bidens Regierung präziser formulieren und die Regeln verschärfen, ab welchem Punkt ein Produkt – insbesondere ein Auto – überhaupt "amerikanisch" ist. Dies definiert seit vielen Jahrzehnten der letztmals 1978 grundlegend reformierte "Buy American Act", den Biden nun anpassen wird. Nach ihm müssen sich Behörden richten, wenn sie neue Autos anschaffen wollen und dabei Vorgaben einhalten müssen, dass diese aus amerikanischer Produktion stammen. Verkürzt ausgedrückt: Wenn schon viele Milliarden Dollar an Steuergeld für neue Autos ausgegeben wird, sollen diese wenigstens in den USA produziert worden sein.
Honda Passport ist das "amerikanischste" Auto
Speziell für Autos existiert darüber hinaus der "American Automobile Labeling Act". Hier listet die Verkehrssicherheits-Behörde NHTSA bei allen in den USA angebotenen Autos auf, zu welchem Prozentsatz diese über Teile verfügen, die in den Vereinigten Staaten oder Kanada hergestellt wurden. Spätestens, wenn es beim Händler steht, muss das Fahrzeug die Kundschaft per Aufkleber über diesen Prozentsatz informieren. Heute gelten Produkte als "Made in America", wenn mindestens 55 Prozent des Wertes ihrer Bestandteile in den USA oder Kanada hergestellt wurden. Diesen Anteil wird die Regierung schrittweise anheben. Noch in diesem Jahr steigt der Schwellenwert auf 60 Prozent, 2024 müssen es mindestens 65 Prozent sein. Fünf Jahre später gilt sogar ein Mindestanteil von 75 Prozent.
Die Prozentregelung führt übrigens dazu, dass nicht nur Autos amerikanischer Hersteller als "Made in America" gelten. Aktuell würde übrigens nur ein Automodell überhaupt die ab 2029 geltenden Anforderungen erfüllen: Der nur für den amerikanischen Markt produzierte Honda Passport, der laut NHTSA-Index zu 75 Prozent aus nordamerikanischen Teilen besteht. Das beste US-Modell, der Lincoln Corsair, kommt mit 72 Prozent auf Platz zwei, gefolgt vom in Tuscaloosa, US-Bundesstaat Alabama, gefertigten Mercedes GLE. Auch das in Kalifornien gebaute Tesla Model 3 kommt bisher nur auf 65 Prozent amerikanischer Teile. Dieses liegt der aktuellen Ausgabe des nicht offiziellen "American Made Index" der US-Website Cars.com übrigens vorne, gefolgt vom Ford Mustang und dem Markenbruder Model Y. Hier liegt der Honda Passport gerade einmal im hinteren Bereich der Top Ten.
Deshalb werden große Teile aus Bidens Job- und Innovations-Programm in die Autoindustrie fließen. Das Geld soll nicht nur verwendet werden, um neue Arbeitsplätze – als Ziel nennt der Präsident eine Million Jobs – zu schaffen. Diese sollen "gute Arbeitsplätze" sein, mit guter Bezahlung – möglichst nach Tarif – sowie der Möglichkeit, einer Gewerkschaft beizutreten. Gleichzeitig soll dank der Investitionen die Ausbildung von Beschäftigten verbessert sowie Forschung und Entwicklung vorangetrieben werden.
Biden will auch den ÖPNV stärken
Trotzdem verfolgt der neue US-Präsident das Ziel, den Verkehr im Land weniger vom Auto abhängig zu machen. Dabei hat er vor allem die größeren Städte im Blick: Leben dort 100.000 Einwohner oder mehr, sollen ihnen "qualitativ hochwertige, emissionsfreie öffentliche Verkehrsmittel" zur Verfügung stehen. Ob es sich dabei um neu geschaffene Stadtbahnnetze handelt, die bestehenden ÖPNV- und Buslinien verbessert oder die Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer optimiert wird, soll von den Bedürfnissen der jeweiligen Stadt und ihrer Einwohner abhängen.
Im Zentrum der Politik, welche die Biden-Harris-Administration verfolgen will, steht der Kampf gegen den vom Menschen gemachten Klimawandel. Das Demokraten-Duo hat bereits am ersten Amtstag den Wiedereintritt in das von Trump aufgekündigte Pariser Klimaabkommen initiiert und will in seiner Legislaturperiode die ersten Schritte gehen, damit die USA bis 2050 klimaneutral wirtschaften können. Dazu gehört auch, dass Biden die von Trump erlassenen Lockerungen der unter Obamas Präsidentschaft eingeführten strengen Verbrauchs- und Emissions-Vorschriften wieder einkassiert. Mehr noch: Er hat angekündigt, die Vorgaben seines Parteifreundes noch einmal nachschärfen zu wollen, ohne diesbezüglich jedoch ins Detail zu gehen. Allerdings hat das Weiße Haus einem konkreten Enddatum für die Zulassung neuer Verbrenner-Fahrzeuge, wie es andere Nationen und der US-Bundesstaat Kalifornien bereits definiert haben, eine Absage erteilt.
An Bidens Seite kümmert sich ein ehemaliger Rivale um die konkrete Umsetzung dieser Vorhaben: Pete Buttigieg wurde vom neuen US-Präsidenten als Verkehrsminister nominiert und vom US-Senat mit großer Mehrheit in dieser Funktion bestätigt. Buttigieg ging ebenfalls als demokratischer Kandidat ins Rennen um die Präsidentschaft und schnitt überraschend stark ab. Der frühere Bürgermeister der Stadt South Bend im US-Bundesstaat Indiana zog dann aber zurück und unterstützte schließlich Biden bei dessen Kampagne. Buttigieg dürfte Bidens Kurs bedingungslos mittragen.
Hinweis: Da der Dollar- aktuell fast deckungsgleich dem Euro-Kurs entspricht, haben wir die genannten Geldbeträge im Text nicht umgerechnet.