Ferrari-Upgrade bringt Zehntel
McLaren und Ferrari liefern sich ein packendes Duell um den dritten WM-Platz. Nach Punkten hat McLaren derzeit die Oberhand. Doch Ferrari wird immer besser. Das neue Hybridsystem hat eingeschlagen. Und das Restprogramm spricht mehr für die Scuderia als für den Rivalen.
Die Formel-1-Saison biegt auf die Zielgerade ein. Es finden noch sechs Rennen statt. Nicht nur an der Spitze wird um Positionen gekämpft. Sondern auch direkt dahinter. McLaren und Ferrari schenken sich nichts. In den Niederlanden, beim 13. Saisonrennen, waren die Roten an ihrem Rivalen vorbeigegangen. McLaren konterte mit einem Doppelsieg in Italien und mehr Punkten in Russland.
Zuletzt in der Türkei wiederum machte Ferrari zehn Punkte gut. So steht es im Duell der nach Siegen beiden erfolgreichsten Teams der Formel-1-Geschichte derzeit 240 zu 232,5 – pro McLaren. Alles spricht für einen engen Zieleinlauf beim Saisonfinale in Abu Dhabi. Und trotz des kleinen Punkte-Defizits kann Ferrari optimistisch in die verbleibenden Rennen gehen. Es scheint, dass sich die Mannschaft aus Maranello einen kleinen Vorteil erarbeitet hat. Dank des neuen Hybrid-Systems.
Motorstrafe für Norris droht
Und beim Blick auf das Restprogramm fürchtet McLaren, dass die sechs Strecken in Summe besser zum SF21 passen als zum eigenen MCL35M. "Da erwarten uns wohl noch ein paar schwerere Rennen", fürchtet Teamchef Andreas Seidl. Es fehlt die klassische McLaren-Strecke mit langen Geraden und harten Bremszonen – wie Monza. Upgrades kommen zu diesem späten Zeitpunkt keine mehr nach. Es geht um Feintuning des Pakets. Und um das Ausnutzen von Chancen. Da ist McLaren für gewöhnlich gut.
Doch wenn das nicht die einzigen Faktoren wären. Es droht für Lando Norris noch eine Startplatzstrafe. Es ist äußerst fraglich, ob der Engländer mit seinem aktuellen Motoren-Kontingent über die Runden kommt. Norris hat noch einen V6-Turbo mit hoher Laufleistung, der wohl nur für Freitagseinsätze taugt, und ein frischeres Exemplar in der Hinterhand. Teamkollege Daniel Ricciardo kassierte seine Strafversetzung bereits in der Türkei.
Fortschritt durch Hybrid-Upgrade
Ferrari hat den Wechsel und die damit verbundene Strafe bereits hinter sich. Seit Russland fährt Charles Leclerc mit einem vierten Motor. Carlos Sainz hat ihn seit Istanbul im Auto. In beiden Fällen erreichte Ferrari mit 15 beziehungsweise 16 WM-Punkten trotzdem eine satte Ausbeute.
Mit dem frischen Triebwerk zog das überarbeitete Hybrid-System im SF21 ein. Und damit hat Ferrari ordentlich zugelegt. Das rote Auto ist auf der Geraden schneller geworden, und kann sich im Zweikampf besser behaupten. Das Zauberwort heißt "deployment" – also die Bereitstellung der Elektro-Power.
Maranello hat die Effizienz seiner Antriebseinheit verbessert. Dafür wurde die elektrische Spannung von 400 auf 800 Volt hochgefahren – wie das bei Mercedes, Honda und Renault bereits der Fall war. Praktisch jedes Teil des Hybridsystems mussten die Ingenieure daraufhin anpassen. Die Batterie. Die Elektro-Maschinen – MGU-K und MGU-H – sowie die Kontroll-Elektronik.
Das Ergebnis: Keine Power Unit geht am Ende der Geraden später in den Ladebetrieb über. Die Elektro-Leistung hält länger vor. Und auch beim Herausbeschleunigen schiebt der Antrieb stärker an. In Summe soll dadurch ein Fortschritt im Zehntelbereich gelungen sein, so die Berechnungen der anderen Motorenhersteller.
Wem schmeckt Austin besser?
Der Motor könnte sich für Ferrari als Joker im Schlussspurt erweisen. Lando Norris stellt fest. "Ferrari hat jetzt ein konkurrenzfähiges Auto und einen konkurrenzfähigen Motor." Teamchef Seidl fürchtet, dass Ferrari daraus in Austin Profit schlagen könnte. Der Bayer sieht den Gegner mit leichten Vorteilen auf dem Circuit of the Americas. "Es gibt ein paar lange Kurven, die uns nicht so schmecken."
Eigentlich hält Austin für beide Autos etwas bereit. Schnelle Kurven für McLaren im ersten Sektor. Eine harte Bremszone am Ende der langen Gerade vor Kurve 12, die dem Papaya-gelben Auto ebenfalls schmeckt. Dafür ein paar langsame Ecken für Ferrari im Schlussteil.
"In ein paar Abschnitten werden wir gut sein, in anderen weniger. Wir hoffen, dass die guten die schlechten überdecken, und es nicht andersherum läuft", sagt Norris. "Es gibt ein paar Fragezeichen zu den Bodenwellen, zum Wind, zu den Temperaturen. Ich glaube nicht, dass wir zwei Zehntel voraus sein werden. Aber auch nicht, dass wir zwei Zehntel hintendran sind." Spricht für eine enge Angelegenheit.