Die Not des Spitzenreiters
Nicht immer hält der Spitzenreiter die besten Karten in der Hand. Es gibt Momente, da ist man lieber Zweiter. Lewis Hamilton hat die Weltmeisterschaft verloren, weil er in Führung lag und sein Verfolger Max Verstappen auf alles reagieren konnte.
Stellen Sie sich vor, Lewis Hamilton wäre in diese letzte Runde des Jahres wie Max Verstappen mit weichen Reifen gegangen. Es hätte auch ein heißes Duell um den Sieg gegeben, doch Hamilton hätte deutlich bessere Chancen gehabt, seine Führung zu verteidigen. So aber trat er mit 44 Runden alten harten Reifen gegen einen Gegner an, der mit nahezu frischen Soft-Gummis unterwegs war. Das heißt mehr Grip in den Kurven, mehr Grip beim Bremsen, mehr Traktion. Hamilton konnte dieses Duell nicht gewinnen.
Dabei hatte er 57 Runden lang alles richtig gemacht. Den Start gewonnen und das Tempo nach Belieben kontrolliert. Verstappen hatte nicht den Hauch einer Chance. Nicht als ihm Sergio Perez eifrig Schützenhilfe leistete und sieben Sekunden schenkte, und auch nicht als ihm eine VSC-Phase wegen des liegengebliebenen Alfa-Sauber von Antonio Giovinazzi den ersten Steilpass zuspielte. Verstappen und Perez konnten in der 36. Runde auf frische harte Reifen wechseln, Hamilton nicht. Er hatte das Pech, dass die VSC-Phase drei Kurven vor der Boxeneinfahrt zu Ende ging.
Red Bull konnte immer reagieren
Den Strategen am Mercedes.Kommandostand war klar: Der Reifen.atz am Auto mit der Startnummer 44 musste bis zum bitteren Ende durchhalten. Auch wenn es zu einem echten Safety Car kommen würde. Plötzlich war der erste Platz kein Luxus, sondern ein Handikap. Verstappen lag mit 11 bis 13 Sekunden Rückstand in Hamiltons Boxenstopp-Fenster. Er konnte auf alles reagieren, was Mercedes sich für seinen Starpiloten ausdachte.
Wäre Hamilton an die Box gekommen, wäre Verstappen auf der Strecke geblieben und hätte die Führung geerbt. Mit den dann älteren Reifen zwar, aber der Zweitplatzierte hat in dem Moment nichts mehr zu verlieren. Er kann nur gewinnen. Zumal Red Bull mit Perez eine zweite Waffe in Stellung gebracht hätte, die das gleiche wie Hamilton macht. Und ihn beim Re-Start mit den identischen Reifen in Atem hält.
Da Hamilton auf der Strecke blieb, nutzte Red Bull die Gelegenheit, seine beiden Fahrer mit Soft-Reifen für das große Finale zu präparieren. Als Nicholas Latifi mit seinem Unfall eine späte Safety Car-Phase auslöste, konnte Mercedes nur noch hoffen, dass der Grand Prix unter Gelb zu Ende geht. Zu allem Überfluss war Valtteri Bottas als Wasserträger nicht zu gebrauchen. Der zweite Mercedes tauchte im Mittelfeld ab und verlor beim Re-Start auch noch zwei Plätze an die beiden Alpha Tauri-Piloten.
Mercedes hatte bessere Sonntagsauto
Der Protest war aus Sicht von Mercedes verständlich. Es war die einzige Chance, das Ergebnis noch umzudrehen. Red Bull hätte vermutlich auch Einspruch eingelegt, wäre das Rennen nicht mehr freigeben worden. Mit den gleichen Argumenten wie Mercedes. Rennleiter Michael Masi konnte in dem Spiel nicht gewinnen. Seine erste Priorität war die Sicherheit. Seine zweite, den Grand Prix noch einmal neu zu starten. Weil es sich die Rechteinhaber so wünschten, weil es der Großteil der Zuschauer befürwortet hätte. Sie bekamen eine irre letzte Runde geboten. Wer neutral war, wollte einfach nur eine Entscheidung auf der Strecke haben.
Der moralische Sieger des Rennens war Lewis Hamilton. Der Engländer fährt seit der Disqualifikation in Brasilien wie in einem Rausch. Man könnte sagen wie eine Maschine. Er wusste auf jede schnelle Runde von Verstappen die passende Antwort. Mercedes holte ihn bewusst eine Runde nach Verstappen an die Box. Wäre man auf ein großes Reifen.Delta gegangen und hätte mit dem Boxenstopp lange gewartet, hätte das Verstappen die Führung geschenkt. Das erschien dem Titelverteidiger bei der unberechenbaren Fahrweise des Holländers zu riskant. Rückblickend wäre es vielleicht besser gewesen, dann hätte Verstappen Hamiltons Probleme geerbt und auf alles nur reagieren können. Aber wer kann das schon wissen?
Der Mercedes war wie in Brasilien, Katar und Saudi-Arabien das schnellere Auto. Weil er besser in Balance war und pfleglicher mit seinen Reifen umging. Man könnte das auch so deuten. Mercedes hat nach einem Freitag der Extreme beim Setup den besseren Kompromiss gefunden. Einen, der ihnen Rennspeed gab. Red Bull war wie in Saudi-Arabien auf eine Runde der Star.
VSC-Phase beschenkt Alonso & Gasly
Im Rest des Feldes waren die Positionen nach dem Start ziemlich festgemauert. Auch auf dem modifizierten Yas Marina Circuit wird nicht mehr überholt. Es gab 24 Positionswechsel, drei davon nach dem Re-Start. Im letzten Jahr waren es noch 32. So sorgten zwei Defekte und ein fehlgeschlagener Taktikcoup für die größten Verschiebungen im Verfolgerfeld.
Sergio Perez war auf dem Weg zum dritten Platz, als ihn das Team bat, den Motor abzustellen. Der Öldruck war in gefährliche Bereiche gesunken. Das Pech von Perez war das Glück von Carlos Sainz. Der Spanier behauptete seinen Platz vom Start weg. Der späte Boxenstopp in Runde 19 reduzierte die Restlaufzeit der harten Reifen. Wichtig im Finale, denn die Alpha Tauri-Piloten hatten die späte Safety Car-Phase zum Reifen.echsel genutzt. Tsunoda kam nur 0,5 Sekunden hinter dem Ferrari ins Ziel.
Mit Charles Leclerc verzockten sich die Strategen um Inaki Rueda. Prinzipiell war es keine schlechte Idee, die VSC-Phase in den Runden 35 und 36 zu nutzen, um sich mit frischen Reifen einzudecken. Wer seinen harten Reifen.atz zwischen den Runden 13 bis 20 aufgezogen hatte, würde am Ende leiden. Leclercs Problem war, dass ihn der zusätzliche Boxenstopp auf den 12. Platz zurückwarf, und er von dort zuerst hinter Daniel Ricciardo und dann hinter Esteban Ocon anstand.
Fernando Alonso und Pierre Gasly waren als einzige auf harten Reifen ins Rennen gegangen. Die strategische Flexibilität, die ihnen diese Reifen.ahl gab, zahlte sich aus. In der VSC-Phase schlugen sie zu, profitierten von einem Boxenstopp, der acht Sekunden weniger Zeit kostet als unter Renntempo. Beide machten drei Plätze gut. Doch Alonso konnte die Alpha Tauri nicht halten. Die Alpine verloren massiv im zweiten Sektor, was für ein Power-Defizit spricht. Oder zu viel Abtrieb.