Schuldzuweisungen gehen weiter
Wir haben die zehn Teams in Budapest auf Neuigkeiten abgecheckt. Lewis Hamilton und Max Verstappen haben noch einmal klar gemacht, dass sie bei der Bewertung des Silverstone-Crashs unterschiedlicher Meinung sind. Und Ferrari will sich nicht in die Rolle des Geheimfavoriten drängen lassen.
Donnerstag ist der PR-Tag vor einem Grand Prix. auto motor und sport stöbert für Sie im Fahrerlager Geschichten und Gerüchte auf. Wir fragen bei den Ingenieuren nach, was neu am Auto ist und bei den Fahrern, wie sie das Rennen einschätzen. Hier ist unser Streifzug durch die zehn Garagen.
Mercedes
Zwei Wochen nach der Silverstone-Kollision mit Max Verstappen musste sich Lewis Hamilton natürlich noch einmal Fragen zum Crash gefallen lassen. Doch der Weltmeister hatte keine Lust, die Szene noch einmal durchzuspielen: "Alles ist gesagt, was gesagt werden musste. Natürlich könnte ich noch einmal erklären, was da genau passiert ist, aber ich möchte meine Energie nicht damit verschwenden." Nur so viel: "Ich habe das Manöver mit meiner ganzen Erfahrung analysiert und würde es genauso noch einmal durchziehen."
Hamilton bestätigte, dass es vor Ungarn einen Kontakt mit dem WM-Rivalen gab: "Ich habe Max angerufen, um zu fragen, wie es ihm geht und ob man sich noch respektiert. Ich glaube nicht, dass wir uns nach dem Rennen respektlos verhalten haben. Natürlich haben wir uns sehr über den Sieg und die vielen Fans gefreut. Und ich werde meine Emotionen sicher nicht verstecken."
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Viele Experten erinnert das Duell schon an den Kampf zwischen Senna und Prost. Das könnte der ganzen Formel 1 zusätzliche Aufmerksamkeit bringen: "Das war damals einfach aufregend", blickt Hamilton zurück. "Ich habe mir aber keine Gedanken darüber gemacht, ob das gut für den Sport war. Ich möchte die aktuelle Situation auch nicht mit der Vergangenheit vergleichen. Wichtiger ist, dass wir uns mit den Autos enge Duelle auf der Strecke liefern können."
Was den Fight gegen Red Bull angeht, sieht sich der Mercedes-Star trotz des Sieges in Sachen Pace noch nicht auf Augenhöhe: "Ich glaube, dass sie hier immer noch die Oberhand haben werden. Aber wir haben jetzt immerhin das Potenzial, ihnen einen Kampf liefern zu können." Hamilton gilt mit acht Siegen in Budapest als Hungaroring-Experte: "Ich weiß auch nicht, woran das liegt. Ich liebe es einfach hier. Es ist eine richtige Old-School-Strecke. Sie hat mir immer gut geschmeckt."
Ferrari
Wenn der Hungaroring das Monaco ohne Häuser ist, dann müsste Ferrari wieder Geheimfavorit sein. Umso mehr, weil Ferrari seit den beiden Österreich-Rennen Fortschritte gemacht hat. Der neue Unterboden hat den Abtrieb stabilisiert, die Ingenieure haben eine Fahrwerksabstimmung gefunden, die die Vorderreifen schont. Außerdem ist man bei Ferrari überzeugt, dass einige Gegner Federn lassen mussten, seit die FIA die Reifendrücke besser überwacht.
Charles Leclerc will sich nicht zu große Hoffnungen machen. "Unser Ziel ist es, das Mittelfeld anzuführen. Das sollte auf dieser Strecke möglich sein. Wenn mehr daraus wird, nehmen wir es dankend an." Er selbst steht mit dem Hungaroring allerdings etwas auf Kriegsfuß: "Ich war hier irgendwie nie besonders gut unterwegs. Auf dieser Strecke muss man sauber fahren. Mein Fahrstil ist wohl ein bisschen zu aggressiv dafür."
Red Bull
Max Verstappen hat noch ein paar blaue Flecken von seinem Unfall in Silverstone, fühlt sich sonst fit genug für die Fortsetzung im Titelkampf. Um seine Reflexe aufzupolieren ist Verstappen am Simulator ein 24 Stunden-Rennen in Spa-Francorchamps gefahren, von denen er achteinhalb Stunden hinterm Steuer saß. Ergebnis: Alles in bester Ordnung: "Ich bin bereit."
Obwohl sich Lewis Hamilton kurz telefonisch bei seinem Unfallgegner meldete, hat sich Verstappens Ärger längst noch nicht gelegt. Der Holländer betonte noch einmal, dass er die ausgelassene Feierei seines Kontrahenten nach der Zieldurchfahrt unsportlich fand. Und dass die Strafe nicht dem Vergehen entspreche.
"Da muss man mehr Menschenverstand walten lassen. Mercedes und wir sind 40 Sekunden schneller als das drittschnellste Auto im Feld. Da sind 10 Sekunden nicht viel, wenn man dafür seinen direkten Konkurrenten rauskegelt. Ich habe ihm Platz gelassen und nichts falsch gemacht. Er ist einfach untersteuernd in mich reingerutscht."
Sergio Perez steht nach drei bescheidenen Auftritten unter Zugzwang. "Silverstone war ein totales Desaster. Schon der Sprint hat alle meine Chancen zerstört", gibt der Mexikaner offen zu. Red Bull erwartet, dass er Verstappen im Titelkampf hilft indem er die Kreise der Mercedes stört und ihnen wenn möglich Punkte wegnimmt.
Was die Bilanz in der ersten Saisonhälfte angeht, zeigt sich der Neuling im Team einigermaßen zufrieden: "Die Ergebnisse haben nicht immer gestimmt, aber die Pace ist besser, als es von außen aussieht. Wir haben erst zehn Rennen absolviert. Die nächsten Zehn werden wichtiger."
Mangels Alternativen dürfte ihm der Platz bei Red Bull auch im nächsten Jahr sicher sein: "Je schneller ich über meine Zukunft bescheid weiß, desto besser. Ich mache mir aber keine großen Sorgen. Ich schaue mich auch nicht nach Alternativen um."
Aston Martin
Sebastian Vettel began seine Pressekonferenz am Donnerstag mit einem Knalleffekt. Zu Ehren von Geburtstagskind Fernando Alonso hatte der Heppenheimer eine Konfetti-Kanone gezündet. Leider ging der Knall nach hinten los. Vettel hielt die Papp-Röhre mit dem Ausgang nach unten. Dafür gab es ein paar lobende Worte in Richtung des Spaniers: "Sein Talent ist unbestritten, er ist einer der ganz Großen dieses Sports. Ihm gelang, was viele für unmöglich hielten, nämlich Michael Schumacher zu schlagen."
Was die Pace seines eigenen Autos angeht, erkennt Vettel Fortschritte. Diese will er in Budapest auch in Punkte umsetzen. Dazu würde ein Startplatz in den Top Ten helfen. Das wäre die halbe Miete für WM-Punkte, die ihm in den letzten drei Rennen versagt geblieben sind. "Wir sollten bei der Punktevergabe dabei sein, wenn wir ein sauberes Wochenende hinkriegen."
Williams
Klappt es diesmal mit den ersten Punkten für Williams? George Russell sieht gute Chancen, weil Williams schon in den letzten beiden Jahren auf dieser Strecke seine besten Rennen hatte. Und dieses Jahr ist der Williams besser denn je. "Wir waren immer stark hier in Budapest, aber es ist auch die Strecke, auf der ich das meiste Pech hatte", erinnert Russell an die Vergangenheit.
In dieser Saison war der Engländer schon mehrmals nahe dran an etwas Zählbarem, doch die einzige echte Chance bot nach Ansicht von Russell das Rennen in Imola, wo er nach der Kollision mit Valtteri Bottas in der Mauer landete. "Wir müssen nicht noch einmal darüber diskutieren, wer damals Schuld war. Aber ich saß im Cockpit und hätte das Rennen beenden müssen."
Die große Frage lautet, wer George Russell im nächsten Jahr bei Williams ersetzt, wenn das Talent zu Mercedes aufsteigt. Der britische Rennstall hat sich bereits auf die Suche gemacht. Von Valtteri Bottas über Nico Hülkenberg, Nyck de Vries und Guanyu Zhou ist alles dabei, wenn man dem Fahrerlagerfunk glauben darf.
Alpine
Der GP Ungarn ist für Fernando Alonso ein Meilenstein. Hier hat er vor 18 Jahren seinen ersten Grand Prix gewonnen und 2007 den Titel weggeworfen, als man ihn für ein Foul an Teamkollege Lewis Hamilton bestrafte. Einen Tag vor dem ersten Training feierte der Spanier seinen 40. Geburtstag. "Ich bin selbst erschrocken als ich die Zahl auf der Dekoration im Motorhome gesehen habe. Ich fühle mich aber noch längst nicht so alt", spottete der Alpine-Pilot.
Das Team bringt noch einmal ein Aerodynamik-Upgrade, das schon vor sechs Wochen den Windkanal passiert hat. Mittlerweile laufen die Uhren in Enstone längst voll für 2022. Alonso hat normalerweise ein gutes Gefühl dafür, wie sein Alpine aufgrund der Streckencharakteristik laufen wird. Diesmal nicht. "Ich bin mir unsicher. Es könnte sein, dass hier noch mehr Autos um das gleiche Stück Strecke kämpfen als sonst. Wir werden das perfekte Wochenende brauchen, wenn wir um Punkte kämpfen wollen."
Alpha Tauri
Pierre Gasly fährt mit Wut im Bauch. Beim ersten Spielberg-Grand Prix kostete ihn eine unverschuldete Kollision mit Charles Leclerc in der Startrunde WM-Punkte, in Silverstone ein Reifenschaden kurz vor Schluss. Der Franzose fährt die beste Saison seiner Karriere. Die Chancen zu Red Bull aufzusteigen sind dennoch gering. "Meine Zukunft liegt in der Hand von Red Bull. Sie bestimmen, ob ich aufsteigen darf oder ob ich als Teamleader bei Alpha Tauri bleiben soll. Das hängt unter anderem auch davon ab, wie gut Sergio (Perez) fährt."
Yuki Tsunoda freut sich schon auf die Sommerpause, in der er den Umzug nach Italien abschließen will. Die Woche nach Silverstone verbrachte er in einem Hotel in England ohne Klimaanlage. "Ich war jeden Tag im Simulator und habe die Nächte in einem viel zu heißen Zimmer verbracht. Deshalb kann ich es kaum erwarten, dass ich nach dem Rennen in Ungarn endlich wieder in mein neues Zuhause in Faenza kann. Dann mit Air Condition."
Dort steht allerdings der strenge Teamchef Franz Tost regelmäßig auf der Matte. Der Österreicher wünscht sich für die zweite Saisonhälfte vor allem weniger Fehler: "Meine Ergebnisse waren ein Auf und Ab. Auch die Rundenzeiten. Ich hatte gute Runden, dann wieder schlechte, die in der Mauer endeten. Da muss ich konstanter werden", gibt auch der Rookie zu.
Haas
Haas konzentriert alles auf die Saison 2022. Deshalb werden alle unnötigen Ausgaben für das aktuelle Auto vermieden. Der Reifentest in Silverstone nach dem GP England war allerdings Pflicht. Die 18-Zoll-Reifen von Pirelli gehören zum 2022er Paket. "Wenn wir da wieder ins Mittelfeld zurückkehren wollen, müssen wir jede Gelegenheit nutzen uns darauf vorzubereiten. Für die Fahrer war es wichtig, ein Gefühl für die Reifen zu bekommen, für die Ingenieure um Daten zu sammeln", erklärt Teamchef Guenther Steiner.
Für den Teamfrieden war es gut, dass Nikita Mazepin in Silverstone vor Mick Schumacher ins Ziel gekommen ist. Damit sind ein bisschen die Rufe aus der russischen Ecke verstummt, dass Mazepin nicht gleichwertiges Material erhält. Der Fahrer selbst arbeitet noch an der Optimierung des Setups. "Ich brauche von der Aero-Balance in den schnellen Kurven etwas anderes als Mick. Am Anfang hat das nicht gepasst. Das hat den Reifenverschleiß erhöht. Wir sind jetzt aber auf einem guten Weg und verbessern uns Schritt für Schritt."
McLaren
Mit seinen flüssigen Kurven zählt der Hungaroring wie Silverstone zu den Strecken, die Daniel Ricciardo in seinem Anpassungsprozess entgegenkommen. Der Ungarn-Sieger hofft, dass sich die Lücke zu Teamkollege Lando Norris weiter schließt. In Silverstone waren auf eine Runde nur zwei Tausendstel, über die Renndistanz aber 14 Sekunden.
Trotzdem sieht Ricciardo einen Aufwärtstrend. "Wenn ich hier noch einmal ein gutes Resultat abliefere, dann bin ich auf dem richtigen Weg." Und was wäre ein gutes Resultat? "Natürlich würde ich gerne mal wieder mit Champagner spritzen. Aber noch einmal Top 5 wie in Silverstone wäre schon gut."
Alfa Romeo
Teamchef Frédéric Vasseur bleibt seinem Optimismus treu: "Die Ziele sind die gleichen wie in den letzten Rennen: Mit zwei Autos ins Q2 am Samstag und in die Punkte am Sonntag. Wir waren in den letzten Rennen immer in Punktenähe, speziell in Silverstone, einer Strecke, die unserem Auto eigentlich nicht so liegt. Es wäre gut, wenn wir in die Sommerpause mit einem Erfolgserlebnis gehen könnten."
Der Vorwurf geht dabei auch ein bisschen an Kimi Räikkönen, der den zehnten Platz on Silverstone im Zweikampf mit Sergio Perez verlor. Ohne seinen Dreher hätte der Finne den Platz zurückbekommen, weil Red Bull seinen Fahrer für frische Reifen an die Boxen beorderte.
Der Routinier muss dringend seinen Speed in der Qualifikation verbessern. Bei den letzten Rennen war immer schon im Q1 Schluss. "Das muss besser werden. Besonders hier in Budapest, wo das Überholen so schwierig ist." Das Streckenlayout kommt dem Auto nur in einem Punkt entgegen: "Es gibt nur eine Gerade. Das hilft uns."
Robert Kubica wird für Alfa Romeo auf der Rennstrecke, an der er vor 15 Jahren im BMW sein Debüt gab, wieder ein Freitagstraining bestreiten. Der 36-jährige Pole sitzt in der ersten Sitzung im Auto von Räikkönen. Der Mann mit den meisten GP-Starts wird es verschmerzen. Er kennt den Hungaroring in- und auswendig. Es ist sein 19. Start in Budapest.