Ferrari als Verstappen-Schreck
Ferrari stahl am ersten Trainingstag von Zandvoort Lokalheld Max Verstappen die Show. Aber nur auf eine Runde. Im Longrun bestimmte Red Bull das Tempo. WM-Gegner Lewis Hamilton war nach einem Motorschaden nur Zuschauer. Wir beantworten die letzten Fragen zu den ersten Übungsrunden auf dem Dünenkurs.
Auf einer neuen Rennstrecke wünschen sich die Fahrer und Ingenieure so viele Trainingsrunden wie möglich. Doch der erste Trainingstag in Zandvoort meinte es nicht gut den Akteuren. Die Auftaktsitzung schrumpfte nach Vettels Motordrama von 60 auf 24 Minuten. Am Nachmittag sorgten Hamilton mit seinem Motorproblem und Mazepin mit seinem Ausrutscher in Kurve 11 für zwei weitere Unterbrechungen. Insgesamt blieben 46 von 60 Minuten übrig.
Ein zweites Problem auf der kurzen Strecke war der Verkehr. Das Timing der schnellen Runden bestimmte das Resultat. Max Verstappen musste seinen besten Versuch abbrechen, weil vor ihm Mazepin ins Kiesbett flog. "Der Verkehr könnte in der Qualifikation eine entscheidende Rolle spielen", prophezeit Pierre Gasly.
Im Dauerlauf machte Red Bull die beste Figur. Valtteri Bottas beklagte bei seinem Longrun zu viel Übersteuern. Er musste das komplette Programm alleine abspulen. Hamilton wird wegen der verlorenen Trainingszeit in der dritten Sitzung einen Longrun nachholen
Auf eine Runde ist mit Ferrari zu rechnen. Wie in Monte Carlo. Das Layout passt dem Auto. Ferrari feierte einen Freitags-Doppelsieg. "Bis jetzt sieht es gut aus, und ich habe das Gefühl, dass wir noch gar nicht alles gezeigt haben. In den Longruns müssen wir noch zulegen. Das wird morgen unser Fokus sein", berichtete der Tagesschnellste Leclerc. Im Dauerlauf fehlte nicht nur auf Red Bull und Mercedes Zeit. Auch WM-Gegner McLaren war über die Distanz deutlich schneller.
Zandvoort stand bei den Fahrern auf Anhieb hoch im Kurs. Old School zieht bei jung und alt. "Eine epische Strecke", jubelte Hamilton. "Sie haben gar nicht so viel geändert", wunderte sich Sebastian Vettel. "Und da, wo sie was geändert haben, war es in die richtige Richtung. Die Steilkurven machen echt Spaß. Das ist der Weg, den wir gehen müssen. Es gibt zu viele Kurven, die nach außen hängen. Das ist zwar von der Drainage bei Regen besser, aber zum Fahren eher langweilig."
Sechs Dinge, die Sie wissen müssen...
Darf Holland mit einem Verstappen-Sieg rechnen?
Auf eine Runde stahl Ferrari Superstar Verstappen die Show. Wäre heute schon Samstag, würde die erste Startreihe in Rot strahlen. Auch Esteban Ocon und Valtteri Bottas waren schneller als der Holländer, der seinen besten Versuch wegen einer roten Flagge nach einem Dreher von Mazepin abbrechen musste.
Da Verstappen unter Rot noch einen langsam dahinrollenden Aston Martin überholte, herrschte zunächst Sorge im Red-Bull-Lager, dass es noch ein Nachspiel geben könnte. Doch es ist eher unwahrscheinlich, dass sich einer der Sportkommissare traut, dem Nationalhelden beim Heimspiel eine Strafe zu verpassen?
Es sieht wieder nach einem engen Rennen zwischen Red Bull und Mercedes aus. Auf eine Runde könnte sogar Mercedes die Nase vorne haben. Wenn man die Probleme in den Kurven 2 und 3 löst. "Da verlieren wir Zeit", verrät Chefingenieur Andrew Shovlin.
Die Ingenieure führen das eher auf die Linienwahl durch diese Kurven als auf das Untersteuern zurück, das fast alle Fahrer im ersten Streckensektor zu befallen scheint. Mercedes ist der Meinung, dass Bottas mit einem besseren Sektor 1 sogar an die Spitze hätte fahren können. Und Hamilton kam wegen seines Motorschadens nur drei Runden weit. In der Früh hatte der Engländer die Bestzeit gesetzt.
Red Bull sucht noch ein bisschen nach der Balance. Zu viel Untersteuern in Kurve 9 und Kurve 11, etwas Übersteuern in anderen Ecken. "Dafür waren wir im Longrun den anderen zwischen zwei und vier Zehntel voraus. Und auch Perez ist in den Dauerläufen gut dabei", macht sich Sportdirektor Helmut Marko Mut.
Bottas verlor im Schnitt drei Zehntel auf den Red Bull-Piloten. Das Ziel bei Red Bull heißt trotzdem ganz klar Pole Position. Nicht nur, weil das Überholen so schwer ist. Marko meint ohne Mitleid: "Schaut euch an, was auf den Tribünen und in der Stadt los ist. Die Fans erwarten von Max die Pole. Alles andere wäre für sie eine Enttäuschung, und Max steht unter dem Druck zu liefern."
Was ist mit den Mercedes-Motoren los?
Am Morgen Sebastian Vettel, am Nachmittag Lewis Hamilton. Beide strandeten früh in den Trainingssitzungen mit Motorschäden. Waren etwa die Steilkurven schuld, in denen das Öl bei Fliehkräften bis zu 5g auf eine Seite des Motors gedrückt wird? Bei Mercedes glaubt man nicht, auch wenn Hamilton den Motor wegen rapide sinkendem Öldruck abstellen musste. "Wenn es ein generelles Problem in den Steilkurven gäbe, hätte es alle acht Autos betroffen."
Hamilton hatte noch Glück im Unglück. Der Schaden trat an seinem ältesten Motor im Pool auf. Wenn die Untersuchung in Brixworth ergeben sollte, dass er nicht zu retten ist, wird der Weltmeister mit zwei Einheiten durch den Rest der Saison kommen müssen. Damit hätten wir Gleichstand im Duell mit Max Verstappen, der nach dem Unfall in Silverstone einen Motor verloren hat.
Auch bei Vettel wird es jetzt knapp. "Der Motor ist weg. Jetzt habe ich nur noch zwei", bedauerte der Heppenheimer. Aston Martin griff am Nachmittag auf ein älteres Exemplar im Kontingent zurück. Vettel betätigte sich selbst als Feuerwehrmann. "Die Streckenposten hatten nur Schaumlöscher. Aber die richten zu großen Schaden an. Ich wollte einen Kohlendioxydlöscher. Der erstickt die Flammen wirkungsvoller, weil er dem Feuer den Sauerstoff nimmt."
Ist Ferrari in Monaco-Form?
Viele Kurven, wenig Geraden: Diesen Mix liebt der Ferrari SF21. Charles Leclerc und Carlos Sainz führten die Zeitenliste an. Sainz warnt aber vor zu großer Euphorie: "Es sieht so aus, dass die anderen mehr Pech mit gelben und roten Flaggen als wir."
Red Bull-Sportchef Helmut Marko räumt ein, dass Leclercs Bestzeit für Verstappen unerreichbar gewesen wäre, hofft aber: "Die Ferrari fahren am Freitag immer mit weniger Sprit. Und im Longrun sind wir stärker." Teamchef Christian Horner fürchtet: "Ferrari kann uns hier gefährlich werden. Wir wissen seit Monte Carlo, wie gut sie auf diesem Typ Strecke sein können."
Über die Distanz muss Ferrari aber noch Rundenzeit finden. Carlos Sainz landete auf den Soft-Reifen nur im Mittelfeld. McLaren, Alpine und Alpha Tauri waren schneller. Gleiches Bild bei Charles Leclerc auf dem Medium-Gummis. Da lag sogar Lance Stroll im Aston Marton vor dem Ferrari. Recht deutlich mit vier Zehnteln Vorsprung sogar. Allerdings legte Leclerc bei seinem Longrun vier Runden mehr zurück.
Ist Alpine ein Geheimfavorit?
Nur Ferrari und Alpine brachten beide Autos in die Top 6. Esteban Ocon und Fernando Alonso waren einigermaßen optimistisch, doch mit den Plätzen 3 und 6 hatte selbst Teamchef Laurent Rossi nicht gerechnet. "Wir wussten, dass dieser Typ Strecke uns liegt, und wir bekommen unser Auto am Freitag für eine schnelle Runde meistens gut hin. Die Kunst ist es jetzt, ein Setup für das Rennen zu finden, das uns in der Qualifikation nicht zu sehr schadet."
So schlecht waren die Dauerläufe der Autos in den Trikolore-Farben gar nicht. Fernando Alonso verlor auf den Soft-Reifen im Schnitt nur eine Zehntelsekunde auf den Longrun von Sergio Perez. Esteban Ocon fuhr auf den Medium-Sohlen auf Ferrari.Niveau. Der Franzose hielt aber sechs Runden länger durch als Leclerc.
Aston Martin sucht noch seine Form. Sebastian Vettel verlor den Großteil der Morgensitzung und verbrachte den ersten Teil des Nachmittags noch damit die Strecke zu lernen. Sein Fazit:; "Sowohl das Auto als auch ich können uns steigern. Ich hoffe, wir machen einen Schritt und die anderen nicht."
Wie halten die Reifen?
Für die große Unbekannte hatte Pirelli die drei härtesten Mischungen ausgepackt. Der Respekt vor den 5g-Kurven Scheivlak und Arie Luyendijkbocht war zu groß. Am ersten Trainingstag stellte sich heraus, dass der Soft-Rennen kein Minutenbrenner, sondern ein Dauerläufer ist. Mit Abkühlrunden dazwischen drehten manche Fahrer noch im dritten Versuch auf der C3-Mischung ihre schnellsten Runden.
Im Longrun machte der Medium-Reifen die bessere Figur. Bei vergleichbaren Autos waren die Dauerläufe auf der mittleren Mischung um fünf bis sieben Zehntel schneller als mit dem Soft-Gummi. Der harte Reifen ist keine Wunsch-Option. Nur Daniel Ricciardo, Pierre Gasly und Nicholas Latifi unterzogen Pirellis härtester Mischung einem ausführlichen Test. Der Reifen bietet zu wenig Grip.
Sportchef Mario Isola würde trotzdem nicht ausschließen, dass der harte Reifen im Rennen zum Einsatz kommt. "Erinnern wir uns an Portimao. Da hat ihn im Training auch kaum einer eingesetzt. Im Rennen sind ihn dann fast alle gefahren."
Ein interessantes Detail noch am Rande. Wegen der Steilkurven sind die kurveninneren Reifen um 20 Prozent mehr belastet als das bei einer flachen Kurve der Fall wäre. Nach den Berechnungen von Pirelli gibt der Soft-Reifen auf eine Runde gegenüber dem Medium einen Vorteil von 0,7 Sekunden. Zwischen Medium und Hart liegen fünf bis sechs Zehntel.
Welches Setup verlangt Zandvoort?
Mercedes-Chefingenieur Andrew Shovlin reduzierte die Antwort auf einen Satz: "Zandvoort sieht zwar nicht wie Budapest aus, aber die Strecke stellt uns vor die gleichen Anforderungen." Also maximaler Abtrieb. Mercedes hatte seinen größten Heckflügel ausgepackt, Red Bull den zweitgrößten.
Das Streckenlayout und die vielen schnellen Passagen vertragen zwar etwas weniger Flügel, doch zwei Faktoren sprechen für mehr Abtrieb. Der neue Asphalt zwischen Kurve 12 und Kurve 4 ist extrem glatt, die Strecke durch den ständig wehenden Dünensand sehr rutschig. Außerdem rechnen die Teams damit, dass sowieso nicht überholt werden kann. Damit spielt Effizienz nicht die entscheidende Rolle, sondern die eine schnelle Runde in der Qualifikation. Und da zahlt sich viel Anpressdruck immer aus.
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