Mit Schaden auf die Freitags-Pole
Mercedes knapp vor Red Bull. Das Duell der Superstars geht weiter. Diesmal könnte sich noch Valtteri Bottas mit einmischen. Beide Mercedes wurden durch Schäden leicht eingebremst. Im Verfolgerfeld drängeln sich 14 Fahrer in einer Sekunde. Die Überraschung waren die beiden Alpine.
Die Story des Jahres geht weiter. Das ist die Prognose nach dem ersten Trainingstag von Portimao. Mercedes gewann beide Sitzungen. Max Verstappen war beide Male Zweiter. Die Abstände sind denkbar knapp, auf eine Runde und über die Distanz. Diesmal machte auch Valtteri Bottas eine gute Figur. Doch der Finne muss seine Form endlich auch mal über das ganze Wochenende konservieren.
Im Longrun war Bottas stärker. Hamilton klagte über Probleme mit der Balance, vermutlich verursacht durch Schäden an der Verkleidung. Die Mercedes-Ingenieure registrierten Abtriebseinbußen. Auch Bottas stellte seinen Silberpfeil leicht beschädigt ab. Lewis Hamilton warnte jedoch davor, daraus voreilige Schlüsse zu ziehen: "Wir wissen nicht, wie Max in seiner schnellsten Runde unterwegs war."
Der große WM-Gegner verbrachte zwei Mal neun Minuten wegen Einstellarbeiten am Brake-by-wire System in der Box. Und Red Bull.Kollege Sergio Perez verzweifelte: "Es fällt mir schwer rauszufinden, was ich brauche, um die Reifen anzuzünden." In der Rangliste der schnellsten Runden landete der Mexikaner nur auf Platz zehn. Dafür war Perez im Dauerlauf auf den Medium-Reifen hinter Bottas, Verstappen und Leclerc Viertschnellster.
Auch in Portimao bestätigte sich der Trend der ersten Rennen. Der Vorsprung der Spitze zum Mittelfeld ist auf drei Zehntel geschrumpft, und das Mittelfeld ist noch enger zusammengerückt. Zwischen Charles Leclerc auf Platz vier und Antonio Giovinazzi auf Rang 17 liegen nur 1,041 Sekunden. Innerhalb dieser Gruppe kam es zu einer Verschiebung. Alpine rückte auf, die Alpha Tauri rutschten ab. "Zwei bis drei Zehntel können dich sechs bis sieben Plätze kosten", bedauerte Pierre Gasly.
Die Longruns sind wegen des verkürzten Trainingsprogramms am Freitag und in der Folge starken Verkehr auf der Strecke nicht mehr so einfach zu vergleichen wie im letzten Jahr. Diesmal kamen am Nachmittag auch noch höhere Asphalttemperaturen und ein starker Wind dazu.
Tenor der Fahrer: "Es war unheimlich schwer, konstante Runden zu drehen." Daniel Ricciardo bewertete das Ergebnis so: "Wenn du zu viel Attacke gemacht hast, ist dir das Heck ausgebrochen. Vorne liegt, wer am schnellsten langsam fahren konnte."
Ein Ärgernis waren wieder einmal die Streckenlimits. Am Vormittag wurden wegen Verstößen in den Kurven 1 und 4 insgesamt 35 Rundenzeiten gestrichen, am Nachmittag waren es 30. Darunter auch Mick Schumachers schnellste Runde mit 1.21,232 Minuten. Damit wäre der Haas-Pilot vor Antonio Giovinazzi auf Platz 17 gelandet.
Sechs Dinge, die Sie wissen müssen...
Hat das Red Bull.Upgrade Wirkung gezeigt?
Red Bull kam mit großem Gepäck nach Portimao. Die Bremshutzen vorne, der seitliche Kanten des Unterbodens, die seitlichen Leitbleche und der Diffusor waren neu oder modifiziert. Trotzdem blickte Max Verstappen beide Mal einem Mercedes in den Auspuff. In der Früh Valtteri Bottas, am Nachmittag Lewis Hamilton. Der große Befreiungsschlag war es noch nicht.
Andererseits waren die Abstände zu Mercedes mit 0,025 und 0,143 Sekunden nicht alarmierend. Es lief nicht ganz rund bei Red Bull. Verstappen plagten ausgerechnet in der zweiten Sitzung Probleme mit dem Brake-by-wire System. Das reduzierte seine Fahrtzeit auf 26 Runden.
Der Medium-Longrun des Holländers mit einem Schnitt von 1.23,116 Minuten ist schon deshalb höher einzuschätzen als die 1.23,062 Minuten von Bottas, weil Verstappen seinen Zwölf-Runden-Stint relativ früh auf die Bahn setzte, während die Mercedes-Piloten zuerst einmal jeweils Sprit für sieben Runden auf den Soft-Reifen verbrannten, bevor sie die Medium-Gummis aufgeschnallt haben. Valtteri Bottas traute sich die Prognose zu: "Wer über Nacht besser arbeitet, steht morgen auf der Pole Position."
Kann Mercedes jetzt auch schnelle Kurven?
Bei den ersten beiden Rennen verlor Mercedes seine Zeit auf die Red Bull in den schnellen Kurven. Neun der 15 Kurven im Autodromo do Algarve sind über 200 km/h schnell. Und das sollte von der Papierform her das Hoheitsgebiet von Red Bull sein. Trotzdem führte Mercedes beide Zeitenlisten an.
Die GPS-Analyse dagegen bestätigt das Bild der ersten beiden Rennen. Red Bull gewinnt die Schlacht der schnellen Kurven. 10 km/h in Kurve 1, 6 bis 7 km/h in den Kurven 7 und 8. Mercedes ist am Scheitelpunkt der Kurve 3, 5, 10 und 13 jeweils um 5 km/h schneller. Verstappen macht im direkten Vergleich mit Hamilton in der Summe aller schnellen Kurven ein Zehntel gut, verliert aber 0,3 Sekunden in den langsameren Ecken.
Ist Alpine zurück im vorderen Mittelfeld?
Alpine überraschte sich mit den Plätzen fünf und sechs selbst. Das war Ferrari-Niveau und besser als McLaren und Alpha Tauri, die bei den ersten Rennen noch deutlich vor den französischen Rennern lagen.
Technikdirektor Marcin Budkowski zog vor Trainingsbeginn ein eher zurückhaltendes Zwischenfazit: "Das Mittelfeld teilt sich in drei Gruppen. Vorne McLaren und Ferrari, hinten Aston Martin und wir, und dazwischen Alpha Tauri. Wir müssen uns an Ferrari und McLaren orientieren. Und wenn wir die beiden einholen wollen, müssen wir erst an Alpha Tauri vorbei. Bei den ersten beiden Rennen betrug unser Rückstand drei Zehntel. Das hört sich nicht viel an, ist aber viel, wenn man die Zeit aufholen muss. Vor allem in der Kürze der Zeit, die uns noch bleibt, bis wir auf das 2022er Auto umschwenken."
Budkowski machte sich aber auch Hoffnung: "Der Abstand wird je nach Streckentyp schwanken." Portimao zählt offenbar zu den Strecken, die dem Alpine A521 liegen. Seit dem letzten Rennen in Imola sind keine nennenswerten Entwicklungsschritte mehr dazugekommen.
Fernando Alonso führte den positiven ersten Tag auf eine gute Basisabstimmung zurück: "Ich habe mich im Auto wohler als bei den ersten beiden Rennen gefühlt und war schnell happy mit dem Setup. So konnte ich mich früh darauf konzentrieren die Strecke zu lernen und mit den Reifen zu arbeiten."
Der Alpine zählte wie der Red Bull zu den Autos, die schon in der ersten Runde mit den Soft-Reifen schnell waren. Mercedes, McLaren und Ferrari brauchten zwei Runden Anlauf.
Die wahre Geschichte erzählen vermutlich die Longruns. Da waren Ferrari und McLaren schneller als Alpine. Alpha Tauri dagegen muss noch Rundenzeit finden. Der Medium-Longrun von Pierre Gasly ist nicht relevant. Er fuhr die vier Runden am Ende des Trainings mit wenig Benzin im Tank. Sein Kommentar: "Das Auto fühlte sich nicht so gut wie bei den letzten Rennen an."
Hat McLaren mit Portimao ein Problem?
Das Bild kennen wir aus Imola. Auch dort startete McLaren mit angezogener Handbremse in das Wochenende, kam dann aber am Samstag und Sonntag groß raus. "Wir haben noch ein paar Probleme mit der Balance, wissen aber woran wir arbeiten müssen", erzählte Lando Norris. Der Engländer warnt trotzdem vor zu großen Erwartungen: "Es wird diesmal nicht so einfach ins Q3 zu kommen. Dass Ferrari stark ist wissen wir. Jetzt kommt auch noch Alpine dazu. Und die waren in den letzten Rennen ein Stück hinter uns."
Daniel Ricciardo spürt Fortschritte in seinem Anfreundungsprozess mit dem Auto: "Der McLaren wird mehr und mehr zu meinem Auto. Ich fasse langsam Vertrauen." Der Australier war in seiner besten Runde zwei Zehntel schneller als sein Teamkollege. McLaren geht mit einem kleinen Aerodynamikpaket in den dritten WM-Lauf. Ferrari baute den neuen Unterboden, der am Auto von Charles Leclerc getestet wurde, wieder ab. Es gibt im Moment nur ein Exemplar davon. In Barcelona werden es zwei sein. Dann werden beide Autos damit ausgerüstet.
Warum sind die Rundenzeiten so langsam?
Lewis Hamilton fuhr im letzten Jahr mit 1.16,625 Minuten auf die Pole Position. Es könnte ein Langzeit-Rekord werden. Am ersten Trainingstag kamen die Piloten nicht unter 1.19,648 Minuten. Und diese Zeit wurde am Vormittag gefahren. Das sind satte drei Sekunden Differenz zur 2020er Pole Position und fast zwei Sekunden zur Freitagsbestzeit. Dabei sollte der damals frisch verlegte Asphalt mittlerweile mehr Grip haben.
Gut, die Autos sind seitdem sechs Kilogramm schwerer geworden. Das sind aber nur zwei Zehntel, die durch mehr Motorleistung wahrscheinlich kompensiert wird. Pirelli reiste mit den gleichen Reifenmischungen wie im letzten Jahr an die Algarve. Anders ist nur die Karkasse, die aber nicht für das gesamte Zeit-Delta stehen kann. In Imola war die Formel 1 nur acht Zehntel langsamer als im Vorjahr, in Bahrain waren es bei mehr Streckenlänge 1,7 Sekunden.
Die Fahrer machten hauptsächlich den Wind und das warme Wetter am Nachmittag für die enttäuschenden Rundenzeiten verantwortlich: "Der Asphalt sieht weniger rutschiger aus, ist aber immer noch so glatt wie im letzten Jahr. Diesmal kam der Wind dazu. Es war einfach, das Heck des Autos zu verlieren, speziell im letzten Sektor", berichtete Daniel Ricciardo. Lando Norris ergänzte. "Der Wind war besonders an den exponierten Stellen auf den Hügeln unberechenbar. Mal ging es, und in der nächsten Runde hat er wieder geblasen. Es war unheimlich schwer, konstant schnell zu fahren."
Warum begann das Training mit Verspätung?
Das zweite Training begann wie im Vorjahr mit Verspätung. Der Grund war der gleiche. Bei einem Routinecheck der Drainage-Gitter stellten die Streckenposten ausgangs Kurve 11 fest, dass der Betonsockel einer Gitterbefestigung gebrochen war. Die Reparaturarbeiten verzögerten den Beginn der zweiten Sitzung um zehn Minuten.