Luftdruck-Tricksereien im Fokus

Max Verstappen platzte auf der langen Zielgeraden bei über 300 km/h der linke Hinterreifen. Das Unglück kostete ihn den Sieg.
Pirelli hat die Analyse der Reifenplatzer von Baku abgeschlossen. Demnach hätten Fremdkörper keine Rolle gespielt. Der Reifenhersteller vermutet, dass die Teams die vorgeschriebenen Reifenparameter nicht eingehalten haben, was von Red Bull aber umgehend dementiert wurde.
Der Zeitpunkt der Bekanntgabe zeigt schon, wie unangenehm Pirelli die ganze Angelegenheit ist. Am Dienstagabend (15.6.) um kurz nach 20 Uhr verschickte der italienische Reifenlieferant endlich den lange erwarteten Untersuchungsbericht zu den beiden Reifenschäden von Baku. Am Aston Martin von Lance Stroll und dem Red Bull von Max Verstappen war jeweils auf der langen Geraden hinten links der Reifen geplatzt.
Noch in Baku hatten die Pirelli-Ingenieure den Verdacht geäußert, dass Fremdkörper, Trümmerteile oder scharfe Randsteine den Reifen verletzt und dadurch zu den Schäden geführt haben könnten. Doch diese These wurde in der genauen Untersuchung in den Mailänder Laboren ausgeschlossen. Auch Qualitätsmängel, die bei der Produktion der Gummis aufgetreten sein könnten, hätten bei den Unfällen keine Rolle gespielt, heißt es.
Reifenschaden durch niedrigen Luftdruck?
Stattdessen wurde von den Spezialisten von Pirelli in Zusammenarbeit mit Experten der FIA festgestellt, dass es in beiden Fällen zu einer Beschädigung der inneren Seitenwand der Reifen gekommen sei. "Das kann in Zusammenhang mit den Betriebsbedingungen der Reifen stehen, auch wenn alle vorgeschriebenen Startwerte, wie Minimal-Luftdruck und Heizdecken-Temperaturen, eingehalten wurden", erklärte Pirelli in seinem Statement.
Damit wirft der Ausrüster den betroffenen Teams indirekt vor, dass die vorgeschriebenen Parameter zwar beim Aufziehen der Reifen den Vorgaben entsprachen, sich aber im Laufe der Stints verändert hätten. Weil die FIA nach Widerstand der Teams aber keine Reifendruck-Werte während der Fahrt messen darf, kann diese These nicht durch Daten belegt werden.
Red Bull wehrte sich auch direkt mit einem eigenen Statement gegen den Verdacht, bei den Parametern getrickst zu haben: "Wir haben eng mit Pirelli und der FIA bei der Untersuchung des Reifenschadens von Max in Runde 47 des Aserbaidschan Grands Prix zusammengearbeitet. Wir können bestätigen, dass am Auto kein Problem festgestellt wurde. Wir halten uns jeder Zeit an die von Pirelli vorgeschriebenen Reifenwerte und werden uns auch weiter nach ihren Vorgaben richten."
Neue Direktive der FIA
Doch auf die Versprechen der Teams wollen sich Pirelli und die FIA künftig nicht mehr verlassen. Ab sofort soll es ein neues Protokoll zum Umgang mit den Reifen geben, an das sich die Ingenieure der Rennställe strikt halten müssen. Mit der technischen Direktive, die bereits an alle Teams verschickt wurde, will der Weltverband die Nutzung der Reifen in Zukunft besser überwachen.
Offenbar gehört zu den neuen Maßnahmen auch, dass die Reifendrücke nicht mehr nur vor dem Start des Rennens oder vor schnellen Runden im Qualifying gemessen werden, sondern auch danach. Der Luftdruck im Inneren der Gummis sinkt bekanntlich beim Abkühlen nach einem Run automatisch ab. Sollten sich die festgestellten Werte zu stark von den Ausgangsmessungen unterscheiden, könnten die FIA-Kommissare künftig Strafen aussprechen.