Diese Verbote drohen
Immer mehr Nationen weltweit planen, Fahrzeuge mit Verbrennern zu verbieten. Zuletzt starteten neun europäische Staaten einen Vorstoß gegenüber der EU-Kommission. Wir zeigen, zu welchen Zeitpunkten Verbote geplant sind.
Die Luft wird buchstäblich dünn für das Auto, wie wir es bislang kennen. Während die Debatte, ob man ein konkretes Ausstiegsdatum für Verbrennerantriebe festlegen soll, in Deutschland nur langsam Fahrt aufnimmt, wird Benzin- und Dieselmotoren in immer mehr Regionen das baldige Ende verordnet. Die Unternehmensberatung Berylls Strategy Advisors fasst zusammen, welche Länder Verbrenner-Verbote planen – und zu welchem Zeitpunkt. Über die aktuelle Lage halten wir Sie hier auf dem Laufenden.
In Spanien dürfen ab 2050 keine Verbrenner mehr fahren
Das spanische Parlament hat ein Energiewende-Gesetz verabschiedet, das unter anderem einen Zeitplan für den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor-Antrieb vorsieht. Bis 2023 sollen alle spanischen Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern Zonen einrichten, in denen der Verkehr mit besonders klimaschädlichen Fahrzeugen beschränkt ist. Ab 2040 sollen in dem Land keine Verbrennungsmotor-Fahrzeuge mehr verkauft werden und ab 2050 sollen dann solche Fahrzeuge gar nicht mehr auf öffentlichen Straßen fahren dürfen. Damit möchte Spanien seinen Beitrag leisten, die EU bis 2050 unumkehrbar klimaneutral zu machen.
Thailand möchte ab 2035 keine neuen Verbrenner mehr
In Thailand sollen ab 2035 keine neuen Pkw mit Verbrennungsmotor auf den Markt kommen. Außerdem möchte sich das Land zu einem südostasiatischen Zentrum für die Produktion von Elektroautos entwickeln. Das Land verfügt bereits über eine etablierte Autoindustrie mit funktionstüchtigen Lieferketten – der Industriezweig gilt als der größte in Südost-Asien und steuert zirka zehn Prozent zur Wirtschaftsleistung Thailands bei. BMW, Ford, GM, Honda, Mazda, Mercedes, Mitsubishi, Nissan, Toyota und Volvo sind nur einige der Hersteller, die in Thailand Werke betreiben. In der thailändischen Autoindustrie und ihrer Peripherie sind aktuell 850.000 Mitarbeiter beschäftigt, die Hälfte der Produktion geht in Länder wie Indonesien, Malaysia und die Philippinen.
Außerdem verschärft Thailand die Geschwindigkeit des Verbrenner-Ausstiegs: 2030 sollen bereits 50 Prozent aller Neuwagen einen reinen Elektroantrieb haben – bisher waren 30 Prozent das Ziel. Gleichzeitig investiert das in Florida ansässige Elektro-Infrastruktur-Unternehmen Evlomo zirka 50 Millionen Dollar (aktuell umgerechnet zirka 41 Millionen Euro), um zusammen mit dem australischen Ladestationen-Hersteller Tritium und dem chinesischen Energie-Dienstleister East Group ein Gleichstrom-Ladenetz aufzubauen.
US-Bundesstaat Washington mit sehr frühem Verbrenner-Ausstieg
Zwischen den US-Bundesstaaten scheint ein Wettlauf um einen möglichst frühzeitigen Ausstieg aus dem Verkauf von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren entbrannt zu sein. Nachdem Kalifornien, Massachusetts und New Jersey bereits 2035 aussteigen, prescht nun der Bundesstaat Washington vor (nicht zu verwechseln mit der zu keinem Bundesstaat gehörenden US-Hauptstadt Washington, D.C., die zwischen den Bundesstaaten Maryland und Virginia liegt).
Die Regierung des Staates Washington hat jetzt ein Verbrenner-Verkaufs-Aus für 2030 beschlossen – in nicht einmal neun Jahren dürfen dort keine neuen Autos mehr mit Verbrennungsmotor auf den Markt kommen. Damit lässt Washington das in Sachen Umweltpolitik als fortschrittlich geltende Kalifornien um fünf Jahre hinter sich. Als Paukenschlag für die US-Autoindustrie galt der kürzlich von GM verkündete Ausstieg aus der Verbrennungsmotor-Produktion für ebenfalls 2035 – je nachdem, welche Ausstiegfristen sich weitere US-Bundesstaaten setzen, könnte sich für den größten US-Autobauer sogar ein Vorziehen dieser Frist lohnen.
Ausstiegs-Forderung an die EU-Kommission
Einer der europäischen Vorreiter bei diesem Thema sind die Niederlande. Wie die Fachzeitschrift "Automobilwoche" berichtet, hat das Land die EU-Kommission in einem Schreiben dazu aufgefordert, ein Ausstiegsdatum für den Verkauf von Benzin- und Dieselautos zu nennen. In dem inoffiziellen Papier, einem sogenannten Non-Paper, werden zudem Österreich, Belgien, Dänemark, Griechenland, Malta, Irland, Litauen und Luxemburg als Absender genannt. Obendrein sprechen sich die Staaten für eine bessere Ladeinfrastruktur für emissionsfreien Verkehr und deutlich strengere CO2-Emissions-Standards aus.
Das Beispiel Dänemark zeigt, wie schwierig es für ein EU-Land ist, ein Verbrenner-Verbot durchzusetzen. Bereits 2018 kündigte die Regierung in Kopenhagen an, Diesel und Benziner ab 2030 verbieten zu wollen. Doch sie musste ihre Pläne zurückziehen, da sie gegen EU-Recht verstoßen. Seitdem wagten die Skandinavier mehrere weitere Vorstöße: Die EU müsse ihre Regeln ändern und den Mitgliedsländern erlauben, ein Verbrenner-Verbot erlassen zu können. Ein EU-weites Verbot – das nun im Non-Paper gefordert wird – wäre zwar der Plan A. Aber wenn das nicht ginge, müssten die Regeln zumindest Einzelstaaten ermöglichen, in Eigenregie Verbote zu erlassen.
Großbritannien will sogar Hybride verbieten
Der Berylls-Auswertung zufolge hat Dänemark sein 2030er-Ziel wieder aufgegriffen. Einige weitere EU-Staaten (Irland, Niederlande, Slowenien und Schweden) verfolgen dasselbe Ziel. Noch rigoroser plant Norwegen ein Verbrenner-Verbot (schon 2025), Frankreich und Spanien wollen sich bis 2040 Zeit lassen. Interessanterweise gehören die fünf Letztgenannten nicht zu den Unterzeichnern des Non-Papers, genauso wenig wie Deutschland.
Direkt nach dem Brexit hat die britische Regierung Anfang Februar 2020 angekündigt, das Verbot von Verbrennern in Neuwagen von 2040 schon auf das Jahr 2035 vorzuziehen. Das Verbot soll für Benziner, Diesel und neu auch Hybrid-Modelle mit einem Verbrenner an Bord gelten. Der britische Premier Boris Johnson hat nun in einer Kolumne in der "Financial Times" angekündigt, das Verbot noch stärker vorzuziehen – und zwar auf 2030. "Jetzt ist die Zeit gekommen, eine grüne Erholung mit hochqualifizierten Arbeitsplätzen zu planen, die den Menschen die Sicherheit gibt, dass sie dazu beitragen, das Land sauberer, grüner und schöner zu machen", schrieb Johnson.
In Schottland 2032 nur noch BEVs und PHEVs?
Großbritannien war 2019 das erste G7-Land, das sich bis 2050 das Netto-Null-Emissionsziel setzte. Neben dem Verkaufsverbot für Benzin- und Dieselfahrzeugen will Johnson auch die britische Offshore-Windenergie bis 2030 von derzeit rund zehn Gigawatt (GW) auf 40 GW erhöhen. Zudem sagte der Regierungschef bis zu 500 Millionen Pfund für Projekte zu, in denen die Verwendung von Wasserstoff unter anderem zum Heizen und Kochen zu Hause getestet werden. Die Pläne werden von der Industrie weitgehend begrüßt.
In Schottland gilt das Verbot reiner Verbrenner ab 2032 bereits als gesetzt. Dabei haben die Schotten ihr Vorhaben im März 2019 sogar noch präzisiert: Unter das Verkaufsverbot sollen demnach auch reine Hybridfahrzeuge ohne externen Ladeanschluss fallen, wie sie derzeit vor allem von den asiatischen Herstellern noch stark auf den Markt gebracht werden. Zulassungsfähig sollen dann nur noch reine Elektrofahrzeuge (BEV) sowie Plug-in-Hybride (PHEV) sein.
Verbote in EU-Metropolen geplant
Doch nicht nur in Ländern, auch in den europäischen Metropolen werden Fakten geschaffen. Beispielsweise in Paris: Ein komplettes Dieselfahrverbot gilt in Frankreichs Hauptstadt ab 2024, Fahrverbote für Benziner folgen 2030. Oder Amsterdam: Laut dem "Clean Air Action Plan" will die niederländische Hauptstadt nach Möglichkeit ab 2030 jegliche Benzin- und Dieselfahrzeuge aussperren. Das gilt wohlgemerkt auch für Motorräder und Roller. Schon ab 2025 soll die Ringautobahn A10 von einem Fahrverbot für Taxis, Busse, Transporter und Roller mit Verbrenner-Motoren betroffen sein, fünf Jahre später dann auch für private Pkw und Motorräder.
Die geplanten Verbrenner-Verbote tangieren freilich nicht nur die Einheimischen, sondern auch Touristen. Selbst auf der bei den Deutschen so beliebten Ferieninsel Mallorca stehen die Verbrenner-Ampeln auf Rot: Neue Diesel-Pkw dürfen dort ab 2025 nicht mehr zugelassen werden, Benziner sind ab 2035 dran. Das gilt natürlich auch für die Mietwagenbranche, der bereits ab dem kommenden Jahr 2020 kontinuierlich steigende Quoten an Elektroautos vorgeschrieben werden.
Nach einer Erhebung der Unternehmensberatung Berylls sind in Europa 16 Millionen Fahrzeuge von Aussperrungen bedroht. Direkt betroffen Fahrverbote 35,9 Millionen Bürger.
Zwei kanadische Provinzen planen Verbote
Eher spät, nämlich 2050, will Kanada ein Verbot für Neuwagen mit Verbrennungsmotor umsetzen. Einzelne Provinzen des nordamerikanischen Landes wollen jedoch nicht so lange warten. Kanadas bevölkerungsreichste Provinz Quebec hat nun bekanntgegeben, bereits 2035 den Verkauf von Pkw-Neuwagen mit reinem Verbrennerantrieb verbieten zu wollen. Die im Westen Kanadas gelegene Provinz British Columbia will eine derartige Vorgabe ab 2040 umsetzen.
Recht uneinheitlich ist das Bild beim südlichen Nachbarn, den USA – einem der größten Automärkte der Welt. Hier haben sich aktuell zehn von 50 Bundesstaaten, darunter Kalifornien, New York, New Jersey und Massachusetts, Verbrenner-Verbote verordnet, die zwischen 2035 und 2050 in Kraft treten sollen. Gemessen am weltweiten Autoabsatz 2019 (89,7 Millionen Exemplare) wären davon 4,7 Millionen Autos betroffen, die nicht mehr verkauft werden dürften. Kalifornien geht sogar einen Schritt weiter und bestellt schon jetzt, mit Ausnahme von Sicherheitsfahrzeugen, keine Regierungsfahrzeuge mehr, die über klassische Verbrennungsmotoren verfügen.
Bereits im Juni 2019 hatte die US-Metropole San Francisco eine "Electric Vehicle Roadmap" veröffentlicht, in der ein komplett emissionsfreier Verkehr in der kalifornischen Stadt bis zum Jahr 2040 angestrebt und Zwischenziele für 2025 und 2030 festgelegt werden. Bis 2025 soll die Hälfte aller Pkw-Neuzulassungen auf Elektroautos entfallen. Ab 2030 sollen nur noch Fahrzeuge mit Elektroantrieb neu zugelassen werden.
Radikale Einschnitte in Los Angeles
Davor hatte bereits Los Angeles mit dem Plan zum "Green New Deal" angekündigt, unter anderem den öffentlichen Nahverkehr, aber auch den Lieferverkehr und die privaten Pkw in den Fokus zu rücken. So sieht der Plan des Bürgermeisters von Los Angeles, einer Metropolregion mit vier Millionen Einwohnern, durchaus radikale Einschnitte vor: Bereits 2025, also in sechs Jahren, sollen 25 Prozent der Autos in Los Angeles rein elektrisch fahren, im Jahr 2050 dann ausschließlich E-Mobile erlaubt sein. Schon deutlich früher soll der öffentliche Transport revolutioniert werden: Ausschließlich elektrische Taxis ab 2028, ebenfalls komplett lokal emissionsfreie Schulbusse ab 2028, ab dem Jahr 2035 muss der gesamte Lieferverkehr in der Stadt emissionsfrei fahren.
Dass die kalifornische Metropole, wo man sich trotz der nach wie vor den privaten Verkehr dominierenden SUV und Pick-up-Trucks gerne als ökologischer Vorreiter feiert, aus europäischer Sicht weit weg ist, sollte hierzulande niemanden zur Tagesordnung übergehen lassen. Denn im Vergleich zum noch in weiter Ferne liegenden 100-Prozent-Elektroanteil in 2050 für L.A. sind viele Länder und Kommunen in Europa schon weiter. Oder wären es, wenn die EU sie denn ließe, denn nach bisherigen Regeln wäre dies nur möglich, wenn die Mitgliedsstaaten dies gemeinsam beschließen würden.
China wartet bis 2060
Doch Nordamerika und Europa sind natürlich nicht die einzigen Kontinente, auf denen es Verbots-Bestrebungen gibt. In Afrika treibt bisher allerdings nur Ägypten einen Verbrenner-Bann (für 2040) voran. Israel will bereits 2030 soweit sein. Japan hat ebenfalls dieses Zieljahr genannt. Der asiatische Inselstaat will seine Treibhausgas-Emissionen bis 2050 auf Null reduzieren; ein wichtiger Zwischenschritt soll ein 20 Jahre früher eingeführtes Verkaufsverbot für neue Verbrenner sein. Singapur und Sri Lanka lassen sich mit einer solchen Vorgabe zehn Jahre länger Zeit.
Eine Entscheidung für ein Verkaufsverbot für Verbrenner-Pkw gab es in China laut Berylls bis vor Kurzem nur für die Provinz Hainan, dort allerdings bereits ab 2030. Für das gesamte Land wurde ein Verbot seit 2017 diskutiert. Inzwischen hat sich die Zentralregierung zu einem Entschluss durchgerungen. Und der lautet überraschend, dass es einen Bann für Verbrennerautos erst ab dem Jahr 2060 gibt. Berylls zufolge richtet China mit dem neuen Fünfjahresplan die Wirtschaft neu aus und gibt dem Verbrennungsmotor sowie synthetischen Kraftstoffen, aber auch der Brennstoffzelle, weiterhin Chancen, Teil der Mobilität zu sein. "Für die OEMs bedeutet das neue Datum, dass sie weiter mehrgleisig fahren müssen", sagt Andreas Radics, geschäftsführender Partner bei Berylls Strategy Advisors. "Einerseits brauchen sie ein überzeugendes Angebot an E-Autos, vor allem für die Megacities. Andererseits dürfen sie aber auch die Weiterentwicklung der konventionellen Antriebe nicht aus dem Fokus verlieren."