„Dürfen WM-Chance nicht wegwerfen“
Max Verstappen weint verlorenen Punkten nach, obwohl auch Lewis Hamilton punktelos blieb. Ein Reifenplatzer vereitelte ein gute Gelegenheit, die WM-Führung auszubauen. Verstappen fordert von der Entwicklungsabteilung volle Attacke, auch wenn das 2022er Auto darunter leidet.
Wenn dieser GP Aserbaidschan normal verlaufen wäre, dann hätte Max Verstappen jetzt 15 statt vier Punkte Vorsprung auf WM-Gegner Lewis Hamilton./span>. Der Reifenschaden in der 46. Runde raubte dem Red Bull-Piloten den Sieg und den Extra-Punkt für die schnellste Runde. Der wird nur vergeben, wenn der entsprechende Fahrer auch in den Top Ten ins Ziel kommt.
Nicht auszudenken, wenn Lewis Hamilton./span> dieses Rennen noch gewonnen hätte. Das lag durchaus im Bereich des Möglichen, denn Verstappens Teamkollege Sergio Perez fuhr ab Halbzeit des Rennens mit sinkendem Hydraulikdruck. Teamchef Christian Horner gab zu: "Wir waren uns nicht sicher, ob es für die letzten zwei Runden noch reichen würde." Es war dann so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit, dass sich Hamilton durch ein extrem spätes Bremsmanöver nach dem Re-Start in die Auslaufzone der ersten Kurve kanonierte und an letzter Stelle das Rennen wieder aufnahm.
Vorsprung nicht ausgebaut
Mit den beiden Nullern der Hauptdarsteller steht es in der WM weiter 105:101 für Verstappen. Das ist für den verhinderten Sieger kein richtiges Trostpflaster. "Wir waren auf den beiden Stadtkursen von Monte Carlo und Baku stärker als Mercedes. Diese Chancen muss man nutzen, um den Vorsprung auszubauen. Wer weiß, wie oft solche Gelegenheiten noch kommen."
Red Bull träumte schon vom ersten Doppelsieg seit 2016. Nach der Serie der Boxenstopps kontrollierte Verstappen das Rennen mit Perez als Manndecker gegen Hamilton. "Ich habe mein Tempo an dem der Verfolger ausgerichtet und meine Reifen geschont. Als ich das Tempo angezogen habe, bin ich den beiden um drei bis vier Zehntel davongefahren. Und gleich nach dem ersten Re-Start hatte ich schnell wieder vier Sekunden Vorsprung. Es kommt nicht oft vor, dass du so easy an der Spitze fährst."
Verstappen schätzt Mercedes wieder stärker ein, wenn es jetzt auf "normale" Rennstrecken geht wie Paul Ricard, den Red Bull-Ring, Silverstone und Budapest. Dann wird das Pendel wieder hin und her schwingen, abhängig von der Tagesform, der Fahrzeugabstimmung, der Rennstrategie oder dem Reifenmanagement. Aus Sicht des WM-Spitzenreiters gibt es deshalb nur eine positive Nachricht, die er aus Baku mitnimmt. Sergio Perez kommt immer besser mit dem Red Bull zurecht und wird in Zukunft ein wichtiger Verbündeter im Kampf mit Hamilton sein.
Red Bull macht die kleineren Fehler
Einen kleinen Seitenhieb auf den WM-Gegner konnte sich Verstappen dann doch nicht verkneifen. Er weist Kritik zurück, Red Bull mache mehr Fehler als Mercedes. "Ich würde sagen, wir machen in Summe die kleineren Fehler, auch wenn sie das im anderen Lager vielleicht anders sehen. Ich zum Beispiel kann mich bei meinen Boxenstopps zu 99,9 Prozent darauf verlassen, dass sie schnell über die Bühne gehen." Tatsächlich schlug Red Bull den Gegner diesmal mit 1,9 zu 4,6 Sekunden. Was aber nicht am Reifenwechsel lag. Hamilton musste wegen Verkehr in der Boxengasse mit dem Wegfahren warten.
Den Verbremser von Hamilton will Verstappen dagegen nicht breit treten. "Jeder macht unter dem Druck, unter dem wir stehen, Fehler. Mir ist das auch schon passiert. Lewis ist jetzt in einer anderen Situation als die Jahre zuvor. Bis jetzt war sein Teamkollege sein einziger Gegner. In dieser Saison fährt er zum ersten Mal wieder gegen Fahrer aus anderen Teams. Das ist eine ganz andere Dimension."
Obwohl er einen guten Lauf hat traut Verstappen dem Frieden nicht. Er treibt sein Team an, die Entwicklung am 2021er Auto weiterzuführen. "Wenn wir Mercedes schlagen wollen, dürfen wir nicht nachlassen, sondern müssen weiter neue Teile ans Auto bringen."
Dass Red Bull damit Entwicklungszeit für das 2022er Auto opfert, lässt Verstappen kalt: "Solange die Chance auf den WM-Titel so groß ist, müssen wir am Ball bleiben. Es wäre dumm jetzt etwas wegzuwerfen, nur um auf nächstes Jahr zu schauen. Wer gibt dir die Garantie, dass wir nächstes Jahr gewinnen, wenn wir uns jetzt voll auf das neue Auto konzentrieren? Ich habe großes Vertrauen in unsere Ingenieure. Die kriegen auch ein gutes 2022er Auto mit weniger Zeit hin."