Mit Krampf zum Titel
Dieses verrückte Finale passte zur ganzen Saison. Erst auf den letzten Metern machte Max Verstappen in Abu Dhabi den Titelgewinn klar – mit Krampf im Bein. Er hoffte bis zum Schluss auf eine Wende.
Nicht nur diese Formel 1-Saison, sondern auch dieses Finale wird Geschichte schreiben. Keiner glaubte mehr an einen Titelgewinn von Max Verstappen, nachdem Red Bull im Rennen dem Mercedes.Speed unterlegen war. Bereits der Start ging in die Hose. Und dann passiert in Runde 53 etwas, mit dem keiner mehr gerechnet hat. Das Safety Car rückt aus, weil sich Nicholas Latifi im Williams in die Bande verabschiedet hat. Verstappen nutzt die Chance zum Wechsel auf Soft-Reifen und setzt sich in dieser einen letzten Runde, die freigegeben wird, in Kurve 5 gegen Lewis Hamilton durch.
Soft-Reifen Kirsche auf der Torte
Dass der Holländer überhaupt in diese Situation kam, lag auch daran, dass er den Erfolg nicht vorzeitig abgeschrieben hat, als es die meisten anderen schon getan haben. "Natürlich sah es nicht gut aus, aber ich wollte bis zum Ende pushen", sagte der 24-Jährige. "Das hat mich in dem Fenster gehalten, überhaupt einen gratis Stopp unter dem Safety Car zu machen."
Der Reifenwechsel in Runde 53 war die letzte Rettung. Zuvor lag er 11,9 Sekunden hinter dem siebenmaligen Weltmeister. Der vorherige Stopp unter dem Virtuellen Safety Car sollte mit den neuen harten Reifen eine Aufholjagd möglich machen, aber die lief nicht nach Plan. Er konnte nicht die nötige Sekunde pro Runde gutmachen. Die Soft-Reifen waren zum Schluss hingegen die Kirsche auf der Torte.
Krampf im Bein
"Ich habe gesehen, dass Lewis Probleme hat, den harten Reifen aufzuwärmen. Ich bin nah dran geblieben, und mit dem weichen Reifen war es dann einfacher", sagte der Red Bull-Pilot. In Kurve 5 war Hamilton fällig. Dabei war Verstappen sogar gehandicaped. "Ich hatte da einen massiven Krampf in meinem Bein und war froh, dass ich es in Kurve 5 kurz entlasten konnte. Aber dann kamen wieder die Geraden."
Dafür lief es am Start umso katastrophaler. Eigentlich wäre der Plan gewesen, sich mit dem weichen Startreifen direkt in Führung zu setzen und den Vorteil gegenüber Hamiltons Medium-Gummis umzusetzen. "Ich hatte keinen Grip am Start. Das war natürlich nicht ideal", meinte der frisch gebackene Weltmeister.
Typisches Verstappen-Manöver
Er versuchte, sein Missgeschick später in Kurve 6 gutzumachen und stach mal wieder motiviert innen rein. Hamilton musste neben die Strecke ausweichen, um eine Berührung zu vermeiden. Das sah der Holländer freilich anders: "Bei mir hat nicht mal was blockiert", sagte er. "Er hat den Notausgang genommen und sich einen Vorteil verschafft." Die erste Diskussionsrunde am Funk war eröffnet. FIA-Rennleiter Michael Masi wies Red Bull aber in die Schranken.
Im Verlauf des Rennens drückte Mercedes dem Ganzen deutlich einen Stempel auf. Da half selbst die Schützenhilfe von Sergio Perez nur wenig, der Hamilton in einen Zweikampf verwickelte. Verstappen: "Ich hätte Lewis nicht eingeholt, selbst mit neuen Reifen war es nicht einfach."
Mercedes legt Protest ein
Die entscheidenden Szenen während der Safety Car-Phase sorgten für Kontroversen. Mercedes legte unmittelbar nach Rennende Protest ein, unter anderem weil nicht alle überrundeten Autos das Safety Car überholt hatten und das Safety Car nicht erst die folgende Runde in die Box kam, sondern direkt. Denn dann wäre das Rennen wohl gar nicht mehr freigegeben worden. Auch gegen einen möglichen Verstoß von Verstappen hinter dem Safety Car legte man Protest ein. Zwei Mal war der Red Bull für einen kurzen Moment vor dem Mercedes. Vor und nach Kurve 12. Die Reaktion des 24-Jährigen: "Dazu habe ich nicht viel zu sagen. Das bringt die ganze Saison auf den Punkt." Hamilton fehlte übrigens nach diesem Hin und Her in der Pressekonferenz. Nach 4,5 Stunden wurden beide Proteste abgeschmettert und Verstappen stand als Weltmeister fest.
Für Verstappen ändert sich durch den ersten Titelgewinn nicht sein komplettes Leben. Aber natürlich geht ein Traum in Erfüllung. "Mein Papa ist früher mit mir durch ganz Europa gefahren. Der WM-Titel war immer das Ziel. Jetzt wo das passiert, ist es einfach nur verrückt. Und ganz speziell, weil viele meiner Wegbegleiter aus Kartzeiten, Freunde und meine Freundin dabei sind", sagte er ziemlich gefasst. Und ergänzt: "Ich wurde in der Inlap aber schon sehr emotional – denn da konnte mich keiner sehen."