Warum der Wechsel in Austin?
Aston Martin verpflanzt für das Rennen in den USA den vierten Motor im Auto von Sebastian Vettel. Damit rutscht der Heppenheimer in der Startaufstellung in die letzte Reihe. Aston Martin hätte den Wechsel gerne bereits früher vollzogen. Doch das scheiterte an der Verfügbarkeit des Mercedes-V6. Wir erklären die Hintergründe.
Es ist die Saison der Motorenstrafen. In Austin erwischt es mit Sebastian Vettel bereits den zehnten Fahrer. Der Ex-Weltmeister reiht sich ein in die lange Liste mit Lewis Hamilton, Valtteri Bottas (jeweils Mercedes), Max Verstappen, Sergio Perez (jeweils Red Bull-Honda), Daniel Ricciardo (McLaren-Mercedes), Carlos Sainz, Charles Leclerc (jeweils Ferrari), Pierre Gasly (Alpha Tauri-Honda) und Nicholas Latifi (Williams-Mercedes). Er wird aller Voraussicht nach nicht der letzte sein. Lance Stroll, Lando Norris und George Russell wackeln ebenfalls.
Ungewöhnlich ist, dass es in dieser Saison so viele Mercedes-Fahrer mit Rückversetzungen in der Startaufstellung erwischt. Im achten Jahr der Hybrid-Monster ist der Sechszylinder-Turbomotor aus Brixworth nicht mehr so kugelsicher, wie er es einst war. Das bekommt das Werksteam zu spüren, und seine Kunden. Es kann nicht einmal ausgeschlossen werden, dass Weltmeister Hamilton noch einen fünften Motor braucht, um bis Saisonende durchzuhalten. Ein Ausfall wäre das schlimmste, was ihm passieren könnte. Da spielt man im Fall der Fälle lieber die sichere Karte.
Die Probleme von Mercedes lassen sich schwer einkreisen. Offenbar gibt es Baustellen in verschiedenen Bereichen. Es mag damit zusammenhängen, dass Red Bull-Honda die Weltmeister ans Limit treibt. Und vielleicht auch irgendwie mit dem Abgang von Motorenchef Andy Cowell und dem Aderlass auf der Ingenieursseite zusammenhängen. Red Bull wirbt für sein Motorenprojekt fleißig bei der Konkurrenz ab.
Austin beste Strecke für Motorwechsel
In Austin trifft es jetzt Sebastian Vettel. Aston Martin führt für den Zeitpunkt der Entscheidung verschiedene Gründe an. Der erste ist taktischer Natur. Vettel war nach Problemen in der ersten Saisonhälfte und einem Motorschaden im Training von Zandvoort ohnehin in Nöte geraten. Spätestens ab dem 13. Saisonlauf war klar, dass er noch einen weiteren Motor brauchen würde. Austin bietet sich dafür als Rennstrecke an, weil man auf dem Circuit of the Americas überholen kann. So war es in der Vergangenheit. "Von den verbleibenden Strecken ist es die beste, es zu machen", sagt Teamchef Otmar Szafnauer. "Ich erwarte trotzdem ein schwieriges Wochenende", sagt der Ex-Weltmeister.
Vettel wird sicher aus der letzten Reihe starten, weil Aston Martin nicht nur den Motor tauscht, wie es Mercedes beispielsweise bei Hamilton in der Türkei gemacht hatte, sondern auch andere Bausteine. Man hört, es handele sich dazu um den Turbolader und die MGU-H. Das würde plus 20 Startplätze bedeuten. Vettel würde dann bei den entsprechenden Komponenten bei jeweils vier Einheiten stehen. Erlaubt sind drei pro Saison. Die offizielle Bestätigung wird es erst am Freitag vor dem ersten Training geben. Dann verschickt Technik-Kommissar Jo Bauer seine berühmte Liste.
Aus Teamkreisen ist zu hören, dass Austin allerdings nicht der absolute Wunschort für den Wechsel war. Aston Martin hätte den Zeitpunkt wohl lieber vorverlegt. Man hatte bereits mit dem GP Belgien kokettiert. Doch nach der Sommerpause war das Motorenkontingent bei Mercedes knapp. Mit Hamilton, Bottas, Norris, Ricciardo, Stroll und Latifi waren bereits sechs Wechsel eingeplant. Das Planspiel, die Motorenstrafe in der Türkei vor zwei Wochen zu nehmen, musste Aston Martin ebenfalls verwerfen. Istanbul hätte sich insofern angeboten, weil ein Regenrennen die besten Chancen bietet, von hinten nach vorne zu fahren.
Engpass bei den Motoren
Wieder scheiterte es an der Verfügbarkeit der Motoren. "Für Austin hat uns Mercedes gesagt, dass wir einen neuen haben können. Also nehmen wir einen." Der Engpass auf der Motorenseite mag im ersten Moment komisch erscheinen. Denn für gewöhnlich hat Mercedes für jeden Kunden einen Ersatzmotor pro Rennwochenende vorrätig. Allerdings machen Brixworth derzeit verschiedene Faktoren zu schaffen.
Es war nie so, dass Mercedes 20 Motoren vorproduziert hatte, die im Keller lagerten, und die man Bedarf herausholte. Es wird schon allein deshalb immer kalkuliert produziert, damit am Ende der Saison am besten nichts übrig bleibt. Für das neue Jahr baut jeder Hersteller ohnehin immer neue Motoren.
Doch erstmals schlagen sich die Motoren-Könige der letzten Jahre mit Zuverlässigkeitsproblemen herum. Die tauchen selbst bei Aggregaten mit geringer Laufleistung auf. Siehe Bottas in Russland. Offenbar verliert der Sechszylinder bei höherer Laufleistung auch stärker an Leitung als früher. Das erfordert in Summe mehr Wechsel, und verschlingt damit mehr Motoren als in der Vergangenheit.
Außerdem muss Brixworth in dieser Saison mit McLaren einen Kunden mehr beliefern als zuvor. Man könnte salopp sagen: Früher hätte sich die Fragen nach der Verfügbarkeit nicht gestellt, heute eben schon. Zudem bindet die Umstellung auf E10-Benzin in der kommenden Saison Kapazitäten in der Fabrik.
Für Aston Martin wird es in dieser Saison übrigens nicht der letzte Wechsel sein. Im Team geht man schwer davon aus, dass auch Stroll noch einen weiteren Motor wird brauchen müssen. Den Zeitpunkt verlagert man bewusst auf ein anderes Rennen. Es würde keinen Sinn machen, beide Autos an einem Rennwochenende zu schwächen.