Zweite Runde im Giganten-Duell
Mercedes führt die Weltmeisterschaft nach dem Auftakt an. Doch Red Bull hat das schnellere Auto. In Imola will Max Verstappen damit den ersten Saisonsieg einstreichen. Einige Teams haben für den Grand Prix der Emilia-Romagna bereits erste Upgrades angekündigt.
Im Vorjahr rutschte Imola erst spät in den Corona-Notkalender der Formel 1. Nach 13 Saisons auf dem Abstellgleis richtete der Traditionskurs mal wieder ein Grand Prix-Wochenende aus. Nun folgt direkt das nächste. Fünf Monate nach dem Comeback-Rennen ist die Königsklasse schon wieder zu Gast in der Emilia-Romagna. Eines bleibt gleich: Auch für die diesjährige Ausgabe sind keine Zuschauer an der Rennstrecke zugelassen.
Dafür reisen die Teams mit einem vollgepackten Datenspeicher zum Geister-Rennen nach Italien. Das erleichtert die Setuparbeit. Und im Gegensatz zu 2020 verläuft das Rennwochenende dieses Mal nach dem gewohnten Ablaufplan: zwei Trainings am Freitag, eines am Samstag, Qualifikation, Rennen. Im Vorjahr drehten die Autos nur am Samstag und Sonntag ihre Runden. Nach einem Training von 90 Minuten ging es sofort weiter mit der Qualifikation.
Kurz vor der Abreise bekamen die Teams noch Post von der FIA. Der Zeitplan für das Wochenende wurde leicht angepasst. Damit es keine Überschneidungen mit der Beerdigung des kürzlich verstorbenen Prinz Philip gibt, rücken das dritte Training (11 Uhr) und die Qualifikation (14 Uhr) jeweils eine Stunde nach vorne. Das hat auch Auswirkungen auf die beiden Freitags-Sessions, die eine halbe Stunde früher als geplant um 11 Uhr bzw. 14.30 Uhr beginnen.
Mercedes reist mit guten Erinnerungen nach Imola. Die Silberpfeile feierten hier zuletzt einen Doppelsieg und den Gewinn der Team-Weltmeisterschaft. Red Bull beklagte hingegen einen Ausfall und verfehlte auch mit dem zweiten Auto das Podest. In diesem Jahr will der Herausforderer zuschlagen. Die Wunden nach dem verlorenen Saisonauftakt sind geleckt. Red Bull besinnt sich auf seine Stärken. Der RB16B ist das schnellste Auto im Feld. Damit sollte Max Verstappen die besten Karten auf den Sieg haben. Doch die hatte er auch vor drei Wochen in Bahrain. Trotzdem siegte Lewis Hamilton im Mercedes, weil Red Bull bei der Strategie Fehler machte.
Die Strecke: Autodromo Enzo e Dino Ferrari
Imola ist eine wunderbare Rennstrecke für die Fahrer. Auf einer Qualifikations-Runde mit leeren Tanks und neuen Reifen können sie es hier richtig fliegen lassen. Valtteri Bottas eroberte 2020 mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von über 240 km/h die Pole-Position. Doch die schnelle Rennstrecke vom alten Schlag hat auch ihre Kehrseite. Es ist dort schwer zu überholen, trotz eines über einen Kilometer langen Vollgasstücks. Die Gerade ist zwar lang, die Fahrbahn aber vergleichsweise schmal. In den schnellen Kurven davor leidet der Hintermann in den Turbulenzen. Aufgrund der geringen Streckenbreite ist es nicht möglich, versetzt zu fahren, und dadurch der verwirbelten Luft auszuweichen. Im Prinzip ist es nur auf den Stadtkursen von Monte Carlo und Singapur, komplizierter zu überholen.
Statistiker zählten im Vorjahr mit Abzug der Startrunde nur zehn Platzwechsel. Weniger Überholmanöver gab es in keinem anderen Grand Prix. Die FIA will den Fahrern dieses Mal etwas mehr unter die Arme greifen. Die DRS-Zone auf der Zielgerade soll verlängert werden. Sie beginnt nun schon am Boxeneingang und nicht erst auf dem Zielstrich. Der Messpunkt für die Aktivierung wird vor die beiden Rivazza-Kurven vorverlegt.
Emilia-Romagna heißt die Region, in der Imola liegt. Die Rennstrecke befindet sich zwischen Bologna und der Adria-Küste, und war zwischen 1980 und 2006 fester Bestandteil des Rennkalenders der Formel 1. Zuerst als Ersatz für Monza, ab 1981 dann als GP San Marino.
Im Vergleich zu den 2000er Jahren hat sich die Streckenführung aber etwas geändert. Die Zielschikane – genannt Variante Bassa – wurde ausgebaut, um ein rund 1,2 Kilometer langes Vollgasstück zu schaffen. Damit erreichen die Autos zwischen der Doppellinks von Rivazza und der Tamburello-Schikane deutlich höhere Spitzengeschwindigkeiten. Am Ende der Zielgerade werden fast 330 km/h gemessen.
Zwei Schikanen unterbrechen den Fluss im ersten Streckenabschnitt. Im Mittelsektor folgt auf die Tosa-Haarnadel, die langsamste Kurve der Strecke, erst ein Bergaufstück und dann eine schnellere Kurvensequenz. Zunächst schießen die Autos durch die Linkskurve Piratella, um sich danach in die Acque Minerali zu stürzen. Es geht dabei zunächst links herum durch eine Senke, gefolgt von einer Doppelrechts, an deren Ausgang die Strecke wieder bergauf führt. Der letzte Sektor beginnt mit einer Schikane (Variante Alta) und endet nach Rivazza auf der Zielgerade, die wegen kleinerer Windungen nicht kerzengerade verläuft.
Fehler werden hier noch richtig bestraft. Siehe George Russell, der im Vorjahr seinen Williams mit kalten Reifen auf dem Weg zu Acque Minerali in die Streckenbegrenzung feuerte. Den Old-School-Charme verleihen Imola einige Auslaufzonen, die nicht asphaltiert sind, sondern aus Gras und Kies bestehen.
Fast Facts Imola./strong>
- Streckenlänge: 4,909 Kilometer
- Rennrunden: 63
- Renndistanz: 309,049 Kilometer
- Anzahl Kurven: 19 (9 rechts, 10 links)
- Distanz Pole bis erste Bremszone: 605 m
- Länge Boxengasse unter Speed-Limit: 529 m (24 Sek. Durchfahrtszeit)
- Vollgasanteil (Rundenzeit): 73 Prozent / Vollgasanteil (Rundendistanz): 79 %
- Pirelli-Reifen: C2, C3, & C4
- DRS-Zonen: 1 (Zielgerade)
Das Setup
Drei Schikanen, eine Haarnadel, langsame bis schnelle Kurven – dazu ein langes Vollgasstück: Imola ist eine technisch anspruchsvolle Rennstrecke, die mit einem breiten Spektrum an Kurventypen und einer langen Gerade nach einem Kompromiss beim Setup verlangt, um schnell zu sein. Autos mit einer ineffizienten Aerodynamik werden abgestraft.
Auf der Traditionsbahn, die gegen den Uhrzeigersinn verläuft, zählen Motorleistung, Traktion und Bremsstabilität. Um gut aus den langsamen Ecken zu kommen, sollten die Autos auf der Hinterachse nicht zu hart abgestimmt werden. Zu tief dürfen sie nicht liegen, sonst droht Ungemach auf den Bodenwellen und den stellenweise hohen Randsteinen. Auch Anpressdruck ist gefragt. Bei der Suche nach dem besten Kompromiss können die Ingenieure nun immerhin auf den Daten und Erkenntnissen aus dem Vorjahr aufbauen.
Imola gehört zu den Power-Strecken im Rennkalender. Laut Mercedes weisen nur zwei andere Rennstrecken in diesem Jahr einen höheren Vollgasanteil auf. Vom Ausgang der letzten Kurve bis zum ersten Bremspunkt vor Kurve zwei laufen die Motoren für rund 15 Sekunden unter Volllast. Wer hier zu wenig Leistung hat und mit zu großen Flügeln fährt, wird abgestraft.
Pirelli liefert wie 2020 die Mischungen C2 bis C4. Es wird der erste Härtetest für die neue, verstärkte Konstruktion. Imola belastet die Reifen besonders. Der Reifenverschleiß ist dabei nicht das Problem. Deshalb und wegen der Überhol-Problematik rechnet Pirelli bei normalem Verlauf mit einem Einstopprennen. Zudem verlieren die Autos viel Zeit beim Reifenwechsel. Die Boxengasse ist in Imola mit 528 Metern die längste aller Formel 1.Strecken in dieser Saison.
Gefährlich für die Reifen sind der raue Asphalt und die Randsteine am Kurvenausgang, die Frequenzen erzeugen, die den Reifen strukturell beschädigen können. Max Verstappen erlitt deshalb beim letzten Imola.Rennen einen Reifenschaden, der ihm vom Podest und stattdessen ins Kiesbett der Villeneuve-Schikane warf. Diese Probleme sollen mit den geänderten Reifen der Vergangenheit angehören. Hilfreich ist, dass die Autos wegen der Eingriffe bei der Aerodynamik nicht denselben Abtrieb produzieren wie noch vor ein paar Monaten.
Upgrades
Die Pause war lang. Drei Wochen sind seit dem Saisonauftakt vergangen. Drei Wochen, um die Daten aus dem ersten Rennen intensiv auszuwerten und neue Lösungen für das Setup zu erarbeiten. Und genug Zeit, um die ersten Upgrade-Teile zu finalisieren. Viele Teams haben für das Rennen in Imola neue Komponenten angekündigt.
Die beiden Top-Teams, Red Bull und Mercedes, halten sich eher zurück. Für sie geht es darum, das bestehende Paket zu optimieren. Besonders Mercedes hat hier noch Luft nach oben. Das Weltmeister-Team bringt Detail-Optimierungen, die mit bloßen Auge kaum auszumachen sein sollen. Einen größeren Aufschlag dürfte es bei den beiden Spitzenteams erst in Portimao geben.
Mehr Bewegung verspricht das Mittelfeld. Alpine taucht mit einem Aerodynamik-Paket auf, dass den A521 schneller machen und an die Gruppe um McLaren, Ferrari und Alpha Tauri heranführen soll. Den Trainingsfreitag will Alpine zudem für weitere Tests nutzen, um Upgrades für die nächsten Wochen zu definieren.
Für das Heimspiel haben auch Ferrari und Alpha Tauri ein paar Updates im Gepäck. Ferrari spricht von Kleinigkeiten an Unterboden und Flügeln. Auch Alfa Romeo, das den Anschluss an das Mittelfeld halten will, erneuert den C41 in gewissen Bereichen. Die Teamführung will den positiven Aufwärtstrend von Bahrain bestätigt sehen.
Haas bringt sein einziges Upgrade der Saison. Neue Bremsbelüftungen sind für das Rennwochenende in Imola eingeplant. Sie werden Mick Schumacher und Nikita Mazepin maximal im Kampf gegen Williams helfen. Wenn überhaupt: George Russell dürfte für die beiden Rookies trotzdem außer Reichweite liegen.
Die Favoriten
Mercedes verließ das erste Kräftemessen der Saison als Sieger. Trotzdem ist Red Bull der Favorit für Imola. "Wir haben das erste Rennen gewonnen, aber wir machen uns keine Illusionen, dass dies eine unkomplizierte Saison wird. Dem Auto fehlt es auf einer Runde noch an Pace und Red Bull scheint aktuell vorne zu liegen. Wir geben alles, um die Lücke zu schließen und diese Herausforderung finden wir reizvoll", sagt Mercedes-Teamchef Toto Wolff.
In der Qualifikation hängte Verstappen seinen ersten Verfolger um vier Zehntelsekunden ab. Ohne die schlechtere Strategie, ohne die Probleme mit dem Differenzial und ohne die Überhitzungserscheinungen am Honda-V6-Turbo hätte der Niederländer auch das Rennen gewonnen. Das weiß auch der Titelverteidiger. Mercedes braucht das perfekte Rennen, um den Gegner zu schlagen.
Red Bulls Vorsprung könnte in Imola sogar noch ein bisschen größer ausfallen. Die italienische Strecke ist flüssiger und schneller als Bahrain. Die schnellen Richtungswechsel in den Schikanen und die Highspeed-Sequenzen im Mittelsektor sollten dem stabilen und berechenbaren RB16B besonders gut schmecken.
Im Mittelfeld könnte Alpha Tauri überraschen. Das Team war schon im Vorjahr sehr gut aufgestellt in Imola. Ex-Fahrer Daniil Kvyat verpasste ein Podest nur knapp gegen Daniel Ricciardo – damals noch im Renault. Pierre Gasly scheiterte nach einem vierten Platz in der Qualifikation an der Technik.
McLaren muss sich auf eine schnelle Runde verbessern. Die Quali ist in Imola besonders wichtig, weil das Überholen schwer ist. Im Renntrimm war der MCL35M in den Händen von Lando Norris und Ricciardo das drittschnellste Auto in Bahrain. Der Australier hätte besser abgeschnitten, hätte ihm nicht Gasly bei einem Kontakt in der Frühphase den Diffusor beschädigt. Mit Ferrari ist auch in Imola zu rechnen. Bei einem Volllastanteil von fast 80 Prozent ist Motorleistung gefragt. Und in dieser Beziehung hat die Scuderia mit ihrem neuen V6-Turbo stark aufgeholt. Der Motor dürfte in Imola kein Hemmschuh mehr sein.
Alpine baut auf sein erstes Upgrade – und zieht Hoffnung aus dem guten Abschneiden im Vorjahr. Aston Martin muss seine Baustelle aufräumen. Die Instabilität und der fehlende Grip werden das Team ansonsten noch härter abstrafen als zuletzt in Bahrain.
So lief das Rennen im Vorjahr
Valtteri Bottas startete von Pole-Position, verteidigte seine Führung am Start und sah die Zielflagge trotzdem hinter dem Teamkollegen. Das Ergebnis war auf zwei Gründe zurückzuführen: ein beschädigtes Auto und eine andere Strategie. Bereits in der zweiten Rennrunde gabelte der Mercedes von Bottas in Tosa ein Trümmerteil auf, das sich zwischen Bargeboard und Unterboden verhakte. Es kostete das Auto mit der Startnummer 77 etwa ein Sechstel des Anpressdrucks.
Verstappen steckte hinter dem Finnen fest. Deshalb versuchte Red Bull den Undercut, scheiterte aber mit dem frühen Boxenstopp. Es änderte sich nichts an der Reihenfolge. Stattdessen machte man den Weg frei für den Drittplatzierten. Mit einer Serie schnellster Runden arbeitete Hamilton genug Vorsprung heraus, um sich auch nach seinem Reifenwechsel vor den Verfolgern zu halten.
In Runde 43 hatte Verstappen zwar den zweiten Mercedes geknackt, doch wenige Umläufe später endete sein Rennen im Kiesbett. Ein Reifenschaden kostete ihn einen sicheren zweiten Platz. Das folgende Safety-Car hätte Bottas fast noch den Sieg zugespielt. Doch Hamilton rettete die Führung und den Sieg.
Racing Point verpatzte die Strategie. Ein Boxenstopp unter Safety-Car kostete Sergio Perez den Podestplatz. Renault taktierte richtig und ließ Ricciardo auf der Bahn. Der Australier verteidigte den dritten Rang gegen den heranstürmenden Kvyat, der trotz frischer Reifen auf der schmalen Strecke keinen Weg am Routinier vorbei fand. Charles Leclerc lenkte seinen Ferrari auf den fünften Platz. Sebastian Vettel verpasste hingegen die Punkte.
Zeitplan GP Emilia-Romagna