Alfa Romeo 156 2.0 TS und Lancia Lybra 2.0 LX im Test
Unter ihren Maßanzügen verbergen Alfa Romeo 156 2.0 T. S. und Lancia Lybra 2.0 LX ähnliche Technik, aber grundverschiedene Abstimmungsphilosophien. Welcher von beiden ist der bessere Begleiter für die italienischen Momente im Leben?
So sehr sich Alfa Romeo 156, in der Version 2.0 Twin Spark 21.350 Euro teuer, und Lancia Lybra, als 2.0 LX für 23.000 Euro zu haben, stilistisch unterscheiden – technisch verbindet die italienischen Mittelklasse-Limousinen eine Menge. Denn bei Fiat, dem Mutterkonzern beider Marken, hat die von VW propagierte Plattformstrategie auch schon lange Einzug gehalten.
Prinzipiell basieren Lybra und 156 auf dem gleichen Chassis: Bodengruppe, Vorder- und Hinterachs-Konstruktion stimmen in vielen Punkten überein. Trotzdem sollen die Autos unterschiedliche Kundenwünsche – mehr Sportlichkeit bei Alfa, mehr Komfort bei Lancia – befriedigen. Dem Können der Konstrukteure oblag es, trotz aller Gemeinsamkeiten unterschiedliche Auto-Charaktere herauszuarbeiten.
Den einfachen Part – optische Eigenständigkeit – haben sie meisterlich gelöst. Während der rassig gezeichnete Alfa Romeo aus jedem Blickwinkel sportlich wirkt, soll der Lybra mit seiner klassischen Form Gediegenheit vermitteln.
Diese ersten visuellen Eindrücke finden nach dem Einsteigen Bestätigung im Innenraum. Denn während Fahrer und Beifahrer in den Alfa hineinschlüpfen wie in einen engen Turnschuh, wirkt der Lancia dagegen wie ein edler Budapester.
Beides hat Vor-, aber auch Nachteile. Im Alfa bieten die Vordersitze guten Seitenhalt, sind dafür aber sportlich eng geschnitten. Dieses Attribut gilt für den gesamten Raumeindruck im 156. Subjektiv wesentlich großzügiger zeigt sich dagegen der Lybra, auch wenn die Messwerte ihm nur wenige Zentimeter zusätzlichen Innenraum bescheinigen. Seine Passagiere sitzen jedoch höher, was der Übersichtlichkeit zugutekommt, allerdings auch das Gefühl vermittelt, schlechter in das Auto integriert zu sein.
Gemein ist beiden Kandidaten das schmale Raumangebot für die Fondpassagiere, wobei der Lancia eine Spur mehr Bein- und Kopffreiheit bietet. Außerdem ist er für die Beförderung von fünf Personen mit ebenso vielen Kopfstützen und Dreipunktgurten besser gerüstet als der Alfa. Der bietet auf dem mittleren Sitz lediglich einen Beckengurt, die dritte Kopfstütze kostet 280 Mark Aufpreis.
Vier Airbags sind in der Mittelklasse inzwischen Standard, so auch bei Alfa und Lancia. Einige Konkurrenten schützen ihre Passagiere allerdings bereits mit Luftsäcken im Dach – die lassen sich für die Testkandidaten nicht bestellen.
Ansonsten ist die Ausstattung des Lybra in der Spitzenversion LX weitgehend komplett. Serienmäßig verfügt er unter anderem über eine für die linke und rechte Seite getrennt regelbare Klimaautomatik, die Passagiere nehmen auf Sitzen mit Alcantara-Bezug Platz, die Fenster können rundum elektrisch geöffnet werden, das Radio lässt sich am Multifunktionslenkrad bedienen, und bei Nebel erhellen Zusatzscheinwerfer die Straße.
So üppig ist der Alfa nicht ausgerüstet. Er kostet zwar 1.600 Euro weniger, wird allerdings eine Klimaautomatik (1.250 Euro) geordert, verschwindet dieser Preisvorteil. Immerhin ist der Aufpreis für die Lederausstattung (800 Euro) des 156 um 250 Euro niedriger als beim Lybra.
Die Variabilität des flachen Lancia-Kofferraums lässt sich für 235 Euro mit einer asymmetrisch geteilt umlegbaren Sitzbank verbessern. Der Alfa, mit seinem um 40 Liter kleineren Gepäckabteil, hat hier lediglich einen serienmäßigen Skisack zu bieten.
Auch beim Fahren könnten die Unterschiede zwischen den Konzern-Geschwistern kaum größer sein. Lange Federwege machen den Lancia unempfindlich gegenüber schlechten Straßenoberflächen. Bodenwellen neutralisiert die Federung, ohne dass sich der Lybra aufschaukelt. Querfugen sorgen jedoch für leichte Nickbewegungen.
Schnell angegangene Kurven werden weitgehend neutral, bei sehr hohem Tempo untersteuernd und mit spürbarer Seitenneigung durchfahren. Probleme bereitet der Lybra seinem Fahrer dabei keine. Frei von Tücken, hinterlässt er ein sicheres Gefühl.
Das vermittelt der Alfa zwar auch, aber er ist gleichzeitig viel dynamischer im Handling. Die präzise Lenkung – die des Lybra ist um die Mittellage zu indirekt – mit guter Rückmeldung über den Straßenzustand ist in schnell durchfahrenen Kurven das Salz in der Suppe beim Alfa. Er bleibt dabei fast bis zum Erreichen der Haftgrenze neutral, zugleich leicht beherrschbar. Außerdem erschreckt er seine Passagiere nicht durch Lastwechselreaktionen, wenn doch einmal plötzlich Gas weggenommen oder gebremst werden muss.
Kritik verdient die Lenkung wegen ihrer Stoßempfindlichkeit. Die stört aber bei weitem nicht so sehr wie der unterdurchschnittliche Abrollkomfort des stuckerigen Fahrwerks. Der Alfa liegt zwar wie ein Brett, seine Federung verhält sich gegenüber kleinen Unebenheiten allerdings ähnlich unnachgiebig.
Lediglich auf Straßen, die so glatt sind wie ein frisch abgezogener Tennisplatz, kommen Federn und Dämpfer des Alfa vollständig zur Ruhe. Auf längere Bodenwellen reagiert das Fahrwerk aber ausreichend komfortabel und nur wenig steifer als das des Lancia.
Eine ausgezeichnete Ergänzung zum dynamischen Fahrverhalten des 156 bildet der 155 PS starke Zweiliter-Vierzylinder mit Doppelzündung. Dank seiner Laufkultur muss er keinen Vergleich mit den besten Vierzylinder-Motoren scheuen; die praktisch vibrationsfreie und sehr ruhige Arbeitsweise ist aber nur einer der Vorzüge. Der Saugmotor zeigt sich außerdem sehr drehwillig und durchzugsstark. Überschreitet die Drehzahlmesser-Nadel die 3.000 U/min-Markierung, entsteht gar der Eindruck, ein Lader würde für zusätzlichen Schub sorgen.
Angesichts der gebotenen Fahrleistungen geht auch der Testverbrauch von 9,8 Liter pro 100 Kilometer in Ordnung. Der Kraftstoffkonsum des Lybra liegt zwar nur einen knappen halben Liter pro 100 Kilometer darüber, seine Leistungscharakteristik rechtfertigt den Verbrauch aber weniger gut.
Obwohl der Fünfzylinder im Bug des Lancia über nahezu die gleiche Leistung verfügt, wirkt er ungleich schwächer als das Alfa-Aggregat. Die Messwerte für Beschleunigung und Elastizität liegen dabei nicht so weit auseinander wie das subjektive Empfinden. Besonders beim Überholen auf der Autobahn wirkt der Lancia spürbar schlapper.
Zudem ist der Lybra.Motor ein rauer Geselle, der mit zunehmender Geschwindigkeit immer lauter wird und nie hinter die Windgeräusche zurücktritt, wie es der Alfa-Zweiliter tut. Komfortabel reisen lässt sich mit dem Fünfzylinder kaum. Obwohl genau dies die Stärke des Lybra sein soll.
Lancia sollte ernsthaft überlegen, den Vierzylinder des Alfa ins Programm zu nehmen. Bis es so weit ist, heißt der bessere italienische Begleiter Alfa Romeo 156 2.0 T.S.