Alfa Romeo Spider 3.0 V6 im Test

Den Liebhabern italienischer Sportwagenromantik blüht mit dem Spider V6 eine neue Orchidee im Alfa-Beet – mit vorzüglichen Fahrleistungen, aber teils betrüblicher Verarbeitung.
Das Schöne an der Beschäftigung mit Sportwagen ist die Tatsache, dass der ernsthafte Interessent seine Zeit nicht an eine Vielzahl von buchhalterischen Detailfragen verschwenden muss. Kofferraum? Nicht entscheidend. Verbrauch? Bei offenen Zweisitzern dem Vergnügen meist angemessen. Wiederverkauf? Wer vor der Hochzeit schon die Scheidung kalkuliert, bleibt besser Single. Wichtig sind eigentlich nur die Antworten auf zwei Kernfragen. Erstens: Weckt das Auto Begierden? Zweitens: Wieviel Freude bereitet es beim Fahren? Die Alfa Romeo-Designer zeichneten in Zusammenarbeit mit Ferraris traditioneller Karossierschneiderei Pininfarina einen sprungbereiten Zweisitzer, der geduckt mit hochgezogenen Schultern, muskulösem Nacken und der schräg nach hintenweg gespannten Ferse des winzigen Kofferraums tatendurstig über dem Asphalt kauert.
Wer den neuen Spider sieht, sagt sich im stillen: Wenn er so geht, wie er aussieht, dann ist er ein geschmeidiger Kurvenläufer und ein eleganter Sprinter. Den mächtigen Bizeps des Spider-Topmodells formt der schon leicht betagte V6-Motor mit drei Liter Hubraum, der noch mit zwei Ventilen pro Zylinder auskommt und 192?PS bei 5600 Umdrehungen pro Minute mobilisiert. Er meldet sich beim Gasgeben mit einem so kernigen Ansauggeräusch zum Dienst, dass ihm in einem Zeitalter, welches den Glockentürmen der Kirchen ein lauteres Dasein als den Sportwagen gestattet, von selbst die Rolle des Heldentenors zufällt.
Der V6-Motor der getesteten Spider-Version tritt mit allen Qualitäten einer herzerwärmenden Dampf-Maschine an. Aus Leerlaufdrehzahlen heraus beschleunigt er bei Vollgas ohne Schluckauf bis zum Abriegeln bei 6500/min. Der von Sportwagen-Fahrern so geschätzte Biss, das heißt der plötzliche Zuwachs an Drehmoment bei einer bestimmten Drehzahl, lässt im Spider V6 nicht erst lange auf sich warten; der 60 Grad-VMotor beißt bereits im unteren Drittel der Drehzahlkurve so kräftig zu, dass selbst dem städtischen Flaniertempo von 50?km/h noch der fünfte Gang zugeordnet werden darf. Wenn auch das Promenieren im Spider V6 keine Mühe bereitet, so gerät der rote Flachmann jedoch erst jenseits aller City-Limits in seine angeborene Gangart, und die ist der gestreckte Galopp.
Der Pedalweg streckt sich zwar in eine eher weich erscheinende Länge und der Betätigungsdruck steigt vor dem Regelbeginn des ABS mit bis zu 680 Newton in wadenstrapazierende Höhen, aber die Verzögerung zeitigt sympathische Werte. 10,2 m/s2 in kaltem und noch 9,7 m/s2 in warmgefahrenem Zustand ist die kompromisslose Entdeckung der Langsamkeit in schnellen Straßenautos, die selbst das BMW 328i-Cabrio glatt ausbremst. Der Spider V6, daran führt kein Weg vorbei, ist ein verlockendes Fahrer-Auto für die italienischen Momente im Leben. Sein kapuzenhaft knapp sitzendes Verdeck ist im Nu entriegelt und mit wenigen Handgriffen unter dem Verschlussdeckel verstaut.
Der lasziv röchelnde Zweisitzer ist aber auch eine Diva, die ihre Verehrer durch eine Vielzahl kleiner Gemeinheiten bis zur Weißglut reizen kann. Sein winziger Kofferraum mit dem in der Mitte platzierten lächerlichen Notrad – einfach zu klein für den Transport großer Leidenschaften. Die harte Dämpfung und Federung des Fahrwerks geht gerade noch so durch – in Sportwagen geht Führigkeit alleweil über Komfort. Selbst die stramm gepolsterten Ledersitze sind nicht das Schlimmste, obwohl sie viel zu wenig Seitenhalt bieten. Dramatischer schon die Detailverarbeitung: Die Sitzlehnenverstellung rastet so liederlich, dass der Fahrer beim Gas geben bisweilen unversehens samt Lehne nach hinten kippt.
Glücklicherweise hilft in diesen Augenblicken die mangelhafte Klemmwirkung der Lenkradverstellung, denn das Ledervolant gibt dem Zug der Arme leicht nach und rutscht mit. Das fühlbare Verwinden der Karosserie, die klappernden Schläge der Hinterachse beim Überfahren von Querfugen, das damit einhergehende Stöhnen der lieblosen Plastik-Konsole für die Instrumente, das Abheben der Vorderkante des geschlossenen Dachs vom Frontscheibenrahmen bei schneller Fahrt – irgendwie hat es Alfa Romeo doch noch geschafft, dem brandneuen Spider die Richtung der dringlichsten Modellpflegemaßnahmen schon mit auf die Debüt-Kilometer der ersten Serie zu geben. Der Daumen zeigt am Ende des Tests trotzdem nach oben: Der neue Spider weckt Begierden und bereitet Freude beim Fahren. Die Romeos der glutvollen italienischen Sportwagen- Romantik werden ihn deswegen lieben. Denn die Buchhalter unter ihnen sind rar.