BMW Alpina B10 V8 im Test

Die B10-lose Zeit ist endlich vorüber, denn nun widmet sich Alpina der neuen Fünfer-Reihe von BMW. Das aktuelle Modell heißt B10 V8 und ersetzt den einstigen B10 Biturbo. Das Warten – soviel sei verraten – hat sich gelohnt.
Der Erfolg von BMW ist der Erfolg von Alpina, und zuweilen verhält es sich auch umgekehrt. Unbestreitbar gehört Alpina unter der Leitung von Burkhard Bovensiepen zu den treuesten Wegbegleitern des bayerischen Autoherstellers – in guten wie in nicht ganz so guten Zeiten. Schlechte Zeiten gab es ja nicht bei BMW, jedenfalls nicht in den letzten 30 Jahren. Denn kaum hatte sich Alpina- Chef Bovensiepen BMW als Partner ausgesucht, schon startete die zuvor arg gebeutelte Marke zu einem Höhenflug, der bis heute anhält. Wie BMW begann Alpina damals, Mitte der sechziger Jahre, ganz bescheiden. Alpina entwickelte Tuningkits, BMW produzierte die dazu passenden Autos. Später, Alpina hatte sich im Handelsregister unterdessen vom Tuningbetrieb zum Automobilhersteller gemausert, baute BMW regelmäßig die besten und schnellsten Sportlimousinen, aber Alpina häufig die besseren und schnelleren BMW-Limousinen.
So gesehen entspricht Bovensiepens jüngster Sproß, der Alpina B10 V8, ganz der Tradition des Hauses. Einen besseren und schnelleren Fünfer- BMW gibt es nicht, jedenfalls nicht zum Preis von 119 980 Mark. Daß dieses Auto auch im Konkurrenzvergleich Maßstäbe setzt, liegt auf der Hand. Als Basis dient der 540i, den Alpina in bewährter Manier einer Ganzkörperbehandlung unterzieht. Auf der Suche nach leistungsorientierter Perfektion bleibt nichts unoptimiert, und vor allem das unterscheidet einen Alpina von typischen Tuningofferten. Folglich überzeugt der B10 nicht durch singuläre Glanzleistungen, sondern er besticht eher als Gesamtkunstwerk. Das beginnt bei der Zahl der PS. Alpina attestiert dem rundum behandelten V8-Motor 340?PS, was natürlich nicht wenig ist, angesichts der 347?PS eines handelsüblichen Mercedes E 50 jedoch niemanden umwirft. Schließlich schafft das auch der Audi S8, der aber mit einem Hubraum von nur 4,2 Liter auskommt, während dem Alpina-V8 4,6 Liter zu Verfügung stehen. Von extremer Leistungsausbeute kann also nicht die Rede sein. Aufschlußreicher für die Qualitäten dieses Motors ist da schon sein Drehmoment, das bei 3800/min in einem Wert von 470 Newtonmeter gipfelt und damit den des Audi-V8 um 60 Newtonmeter übertrifft. Erleuchtung bringt in diesem Punkt auch der sogenannte Mitteldruck – ein spezifischer, weil hubraumbereinigter Wert, der die Effizienz einer Verbrennungsmaschine beschreibt: Mit maximal 12,8 bar liegt der Alpina an der Spitze des Konkurrenzfelds (Audi S8: 12,4 bar).
Zum überarbeiteten V8 gehört beim neuen B10 die aus dem 540i bekannte Fünfgangautomatik mit Steptronic-Funktion, hier allerdings mit einem speziell abgestimmten Schaltprogramm versehen. Wer lieber selbst mit den Gängen spielt, dem hilft Alpina mit der hausgemachten Switchtronic, bestehend aus zwei hinter den Lenkradspeichen installierten Druckknöpfen. Links wird heruntergeschaltet, rechts hoch, was bei etwas Übung durchaus Freude macht und die Hände dort beläßt, wo sie am nötigsten gebraucht werden, nämlich am Lenkrad. Wenn es sein muß, lassen sich die Gänge allerdings auch mit dem Schalthebel wechseln, nur auf ein konventionelles Schaltgetriebe muß die Kundschaft verzichten. Den B10 gibt es nur mit Automatik. Angesichts der famosen Qualitäten dieser Antriebskombination ist dagegen auch nichts einzuwenden. Keine andere Automatik. Limousine versteht es, Kraft derart souverän in Vortrieb zu verwandeln, woran das Getriebe entscheidend beteiligt ist. Es schaltet ohne übertriebenen Aktionismus, erfreut aber durch perfektes Timing und sanfte Gangwechsel, so daß die Fingerübungen mit der Switchtronic rasch an Reiz verlieren.
Den Rest erledigt der V8- Motor, bei dessen Schubkraft die Wahl der Übersetzung selten von maßgeblicher Bedeutung ist. Das stets dick aufgetragene Drehmoment sorgt für Dampf in allen Drehzahlbereichen, wobei es sich die Automatik leisten kann, spätestens bei 5800/min den nächsten Gang zu schalten. Das genügt, um die immerhin 1,7 Tonnen schwere Fünfer- Limousine in Reviere zu befördern, die ansonsten für schlanke Hochleistungssportler reserviert sind. Ein B10 V8 kann aus dem Stand in 5,7 Sekunden 100 km/h erreichen und in 13 Sekunden Tempo 160, Beschleunigungswerte auf Porsche Carrera-Niveau. Allein die bescheidene Traktion der Antriebsräder – ein Sperrdifferential ist auch gegen Aufpreis nicht erhältlich – verhindert, daß es noch ein paar Zehntelsekunden fixer geht.
Aber auch in der Höchstgeschwindigkeit wird der Alpina-Fahrer gut bedient: Ohne übermäßig großen Anlauf sind 274 km/h im Bereich des Möglichen. Erfreulicherweise erschöpft sich das Faszinationspotential des Achtzylinders keineswegs in der Erzeugung von Überschußleistung. Nicht minder verführerisch sind die gehobelten Manieren. Der Alpina-Motor ist der perfekte Salonlöwe – immer gelassen, immer geschmeidig und stets mit jenem Timbre im Ton, das Liebhaber potenter V8-Triebwerke keinesfalls missen möchten. Auch der Durst zeugt von vornehmer Zurückhaltung. Im Test konsumierte der B10 13,8 Liter pro 100 Kilometer, was gemessen an den Gepflogenheiten in dieser Klasse bescheiden ist. Zum gepflegten Auftritt passen die fahrdynamischen Qualitäten. Wer den harten Donnerbolzen erwartet, ist bei Alpina ohnehin meist an der falschen Adresse, auch wenn ausladende Spoiler und aufdringliche Streifen manchmal das Gegenteil suggerieren. Um so besser, daß der neue, weitgehend streifenfreie B10 auch optisch seinem Charakter gerecht wird. Auf den Heckflügel sollte man aus Stabilitätsgründen zwar nicht verzichten, aber zumindest die Alpina- Bugschürze fällt nicht weiter auf, und gegen die klassischen Alpina-Räder, hier im 18 Zoll- Format, war ohnehin nie etwas einzuwenden.
Was die anderen Fahrwerksmodifikationen betrifft, so kommt Alpina natürlich entgegen, daß schon die Ausgangsbasis nicht von schlechten Eltern ist. Andere Federn und Dämpfer sowie die üppige Bereifung (Michelin MXX3, vorn 235/40 ZR 18, hinten 265/35 ZR 18) tun ein übriges, wobei sich die wahre Kunst wie immer in der Abstimmung zeigt. Beim B10 gelang dies offenbar mit goldener Hand. Finesse zeigt sich vor allem im Federungskomfort. Straßenunebenheiten gängiger Beschaffenheit werden vom straff gedämpften Alpina- Fahrwerk schon bei mäßigem Tempo in einer Art und Weise entschärft, die an Komfortlimousinen gemahnt. Nur die leichten Katapulteffekte der Hinterachse auf langen Bodenwellen fallen etwas aus dem Rahmen.
Aber auch die Bedürfnisse des sportlichen Fahrers kommen nicht zu kurz. Der B10 verknüpft hohe Fahrstabilität mit ausgeprägter Lenkpräzison, die ihn handlicher erscheinen läßt, als es Gewicht und Format erwarten lassen. Sauberes Fahren belohnt er mit enormen Kurvengeschwindigkeiten, wobei die Neigung zum Untersteuern auch in engen Radien angenehm dezent ausfällt. Da zeigt sich dann auch die sanft eingreifende Schlupfregelung von ihrer besten Seite. Überschüssiges Antriebsmoment regelt sie zuverlässig weg, aber ohne den Gasfuß gänzlich zu entmachten. Ein bißchen Powerslide geht immer, notfalls eben ohne ASR, was aber mangels Traktion nur auf wirklich griffigen Belägen zu empfehlen ist.
Andernfalls verpufft die schöne Leistung, und auch die Seitenführung erreicht rasch ihre physikalischen Grenzen. Seinem Talent, ebenso unbeschwert wie unauffällig in höchste Geschwindigkeitsbereiche vorzustoßen, entsprechen erfreulicherweise die Bremsen des B10. Sie ermöglichen Verzögerungswerte auf höchstem Niveau und lassen sich auch von extremer Beanspruchung nicht beeindrucken. Weniger hätte man von einem Alpina auch nicht erwartet, eher mehr, zumindest was den Preis betrifft. Der gehört zu den schönsten Überraschungen des B10.