Fahrbericht Audi R8 V10 Spyder (2016)
Es ist ja nicht so, dass es dem Audi R8 an Dramatik mangelte. Aber ein bisschen mehr geht ja immer, vor allem, wenn man etwas weglässt. Das Dach etwa. Probefahrt mit dem neuen Audi R8 Spyder.
Seit 2007 rangelt der Audi R8 immer mit bei der Elite der Sportwagen, ab 2010 gab es den Mittelmotor-Renner auch als Spyder. Und ja, so richtig groß mag die Überraschung da nicht sein, dass es auch in der zweiten Generation nun eine offene Version gibt. Die kostet etwa 7,8 Prozent mehr als das Coupé, was doch gleich netter klingt als 13.000 Euro. Das macht dann insgesamt 179.000 Euro – bei dem Preis muss uns der Spyder aber in acht Kurven begeistert haben.
Also klettern wir rein und schnallen uns vor dem Motor. Startknopf drücken. Kurzes Anlasserheulen, dann brodelt der 5,2-Liter große V10 mit kombinierter Direkt- und Saugrohreinspritzung hinter uns los. Noch ein Knopfdruck, und die Elektrohydraulik verklappt das 44 Kilogramm leichte Verdeck. Das, so informiert Audi, gelänge auch bis 50 km/h, aber so schnell fühlt sich der R8 ja schon im Stand an. Im Vergleich zum Vorgänger sei es gelungen, die Windturbulenzen im Wageninneren um bis zu 90 Prozent zu reduzieren. Ja nun, denkst du dir da, und dass das ein wenig nach einem Kompliment klingt, dass so einem Mercedes SLK gut stünde, nicht aber einem wilden Spyder. Also fährst du gleich alles runter, Seitenscheiben und auch das kleine Heckfenster. Einmal am Schaltpaddel zupfen, und du kannst die sieben Gänge des Doppelkupplungsgetriebe selbst sortieren. Fuß aufs Gas. Los. Direkt hinter dem Städtchen reckt sich ein Berg empor, die Straße windet sich an seiner Flanke entlang. Jetzt gilt es.
1. Kurve. Erstmal zum Warmwerden sacht fahren, schließlich sollen die 8,3 Liter Öl im Trockensumpf auf Temperatur kommen. Der Motor drückt den R8 so gemütlich empor, dass er mal die Hälfte seiner Zylinder ausknipsen kann, zehn Prozent effizienter sei er, rechnen die Techniker vor. Was nun auch nicht zu den entscheidendsten Gründen zählen dürfte, ihn zu kaufen, aber ja auch nicht schadet. Der R8 kurvt durch die erste Biegung und du hast Zeit, dich mit dem volldigitalen Instrumentarium zu arrangieren. Kritiker sagen ja, die Kombination aus 12,3-Zoll-Bildschirm und Bediensatelliten sei eine Mischung aus Citroën Visa und Mäusekino. Falsch, denn es klappt dann doch erstaunlich schnell. Navigieren, Musizieren oder Telefonieren (wegen drei Mikrofonen im Gurt sogar bei offenem Dach) wären möglich. Aber dafür ist später Zeit. Jetzt aber:
2. Kurve. Auf dem Weg hier hoch drängte der V10 voran, noch nicht ganz ans Limit, aber hoch genug, also über 5.000 Touren, um mal die Auspuffklappen zu öffnen. Ihr Treiben lässt sich ebenso wie die Kennlinien für Lenkung, Getriebe, Gas.nnahme und die Dämpfer per Drive Select variieren. Wieder sacht einbiegen, dann aber mal mit Wucht die Gerade raus. Der V10 tourt hoch, dreht und dreht. Und dreht. Hoch bis siebenacht, dann patscht das Getriebe den nächsten Gang rein, während du kurz in den Rückspiegel guckst, nur um zu sehen, wo du gerade noch warst. Ja, man muss schon ein sehr ausgeprägtes Bedürfnis an Beschleunigung haben, um sich zu grämen, dass es den Spyder derzeit nicht in der Plus-Version mit 610 PS gibt. 540 PS, doch die reichen durchaus. Durchaus.
3. Kurve. Hart auf die Bremse, mit der Keramik-Bremsanlage (nochmal 8.900 Euro) trifft es das Wort „ ankern“ besser als „verzögern“. Schon vor dem Scheitelpunkt aufs Gas, alles Weitere regeln die elektrohydraulische, wassergekühlte Lamellensperre an der Vorderachse, die bis zu 100 Prozent der Kraft an eine Achse schicken kann, und die mechanische Sperre an der Hinterachse. Dieses „alles Weitere“ ist dann übrigens ein gripgewaltiges Voranstürmen, das all die ebenso vorhersehbaren und langweiligen Fragen klärt, ob echte Sportwagen denn Allradantrieb haben dürften.
4. Kurve. Das Coupé kennen wir, es hat ein Fahrverhalten, das ohne ESP-Zügelung selbst Rennprofis mit dem gesamten Repertoire an Mittelmotor-Biestigkeiten herauszufordern vermag: schnippisches Lastwechsel-Übersteuern, dann Konter, Konter und noch ein Konter. Also bleibt hier, wo links die schroffe Felswand und recht eine eher rostige Leitplanke, danach ein jäher Abgrund die für den 1,94 Meter breiten Spyder ohnehin schmale Straße begrenzt, das ESP an und alles unbedingt sicher. Schon so geht es sehr vehement voran, dermaßen vehement, dass man sich auch nicht gerade mit der Frage quälen muss, ob die 80 Kilo Mehrgewicht zum Coupé das Temperament nicht etwas mindern.
5. Kurve. Davor der kurze Tunnel, in denen der R8 kurz seine beiden mit je 37 LED bestückten Scheinwerfer anknipst (Laserlicht gibt es für 3380 Euro). Direkt dahinter die Biegung rumpelig wie ein Waschbrett. Sowas federt der R8 im Comfort-Modus erstaunlich beflissen weg, auf Sport dann natürlich trockener. Vor allem aber lässt sich der R8 davon nicht verbiegen. 55 Prozent höher, rechnen die Techniker vor, als beim Vorgänger sei die Torsionsfestigkeit des Space Frames, der zu 80 Prozent aus Alu, zu 20 aus Carbon besteht und vor allem an Schwellern, A-Säulen und Frontscheibenrahmen verstärkt wurde. Die Steifigkeit sollte auch der Lenkung nutzen.
6. Kurve. Und ja, die elektromechanische Lenkung (klar, hier die Dynamiklenkung mit variabler Übersetzung für 1400 Euro) fühlt sich präziser, direkter und gefühlsechter an als bisher. Dabei kannst du den R8 immer tiefer und tiefer, schneller und schneller in die Kurve werfen.
7. Kurve. Heckdrängen bei Lastwechseln? Mit ESP oder ESP Sport bleibt das alles im überaus unterhaltsamen Bereich, aber du eben auch immer lieber auf der vorsichtigen Seite.
8. Kurve. Und dieser wunderbare, in seiner Drehwut so ganz turboungehemmte V10 tourt wieder die kurze und nicht mal sehr gerade Gerade empor, brüllt durch die offenen Auspuffklappen, sprotzelt beim Zurückschalten, derweil struwelt der Wind durchs Cockpit. Wir sind oben auf dem Gipfel. Und alles ist nicht nur gut, sondern bestens. Die Straße schlängelt sich weiter dem Meer entgegen. Es könnte es bleiben, und immer so spydergehen.